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Religion im Wahlkampf
Für eine Säkularisierung Polens

Eine linke Bürgerrechts-Aktivistin setzt sich für eine klarere Trennung von Staat und Kirche in Polen ein. Und die Regierungspartei PiS jubelt. Im katholischen Polen, wo die Zahl der Kirchgänger zuletzt wieder über die 10-Millionen-Marke gestiegen ist, sei das Wahlkampfhilfe vom Feinsten.

Von Jan Pallokat | 10.01.2019
    Mitglieder der PiS Regierung und der katholischen Kirche nebeneinander beim Gottesdienst zum 1050. Jubiläum der Christianisierung Polens im April 2016. V.l.n.r.: Stanislaw Karczewski, Beata Szydlo, Marek Kuchcinski, Andrzej Duda, Kardinal Pietro Parolin, Erzbischof Stanislaw Gadecki und weitere Kirchenangehörige.
    Wie nah sollen sich Politiker und katholische Kirche in Polen stehen? (imago / Eastnews)
    Die polnische Linkspolitikerin Barbara Nowacka bewies Gespür für Provokation: Auf einer improvisiert wirkenden Pressekonferenz auf einer winterlichen Warschauer Straße läutete sie das Wahljahr 2019 ein:
    "Polen braucht die Trennung von Kirche und Staat, eine weltliche Grundordnung und eine Korrektur der gestörten Beziehungen zwischen beiden Welten. Polnische Schüler haben weniger Biologie, Chemie, Physik und auf dem Arbeitsmarkt zählt Gebet und Frömmigkeit nicht."
    Religionsunterricht in der Kritik
    Zurzeit mit ihrer NGO "Polnische Initiative" nicht im Parlament vertreten, sammelt Nowacka Unterschriften für ein Gesetzespaket, das die Kirche aus dem staatlichen Leben zurückdrängen soll. Darunter auch ein Ende der staatlichen Finanzierung des Religionsunterrichts, der in Polen ein Wahlfach ist.
    "Heute wird Religion oft zwischen den anderen Fächern unterrichtet, aber nicht alle Schüler sind gläubig. Es sollte also Zusatzunterricht sein, entweder in der ersten oder letzten Stunde. Die Note sollte nicht auf dem Zeugnis stehen."
    Barbara Nowacka führt die linke Gruppierung Initiative Polen. Hier auf einer Pressekonferenz der Partei Vereinigte Linke vor der Parlamentswahl in Polen.
    Barbara Nowackas Säkularisierungs-Vorstoß werden geringe Erfolgschancen eingeräumt (imago / ZUMA Press)
    Die Aktivistin verweist dabei auf die polnische Verfassung, die grundsätzlich eine Neutralität des Staates in weltanschaulichen Fragen vorschreibt. An anderer Stelle aber heißt es, dass der Staat Religionsunterricht ermöglichen muss, und so beruft sich auch die Kirche selbst auf die Verfassung. Der Sprecher der Bischofskonferenz Pawel Rytel-Andrianik ergänzt:
    "Solche Diskussionen sind nichts Neues. Aber eines ist wichtig: 92 Prozent der Bürger Polens sind Katholiken. Sie sind hier kein Fremdkörper, zahlen ihre Steuern und haben ihre Rechte. Und 87 Prozent der Eltern wollen, dass ihre Kinder in den Religionsunterricht gehen."
    Die Opposition gerät in Bedrängnis
    Tatsächlich stellt sich die Frage, ob ein Angriff auf die Kirche wirklich das richtige Thema zum Auftakt eines polnischen Superwahljahres ist - mit Parlamentswahlen im Herbst. Der Glaube ist ein sensibles Thema, und Nowacka bringt zunächst vor allem ihre eigenen Partner in Bedrängnis. Zusammen mit der in weltanschaulichen Fragen eher konservativen rechtsliberalen Opposition bildete sie bei den Kommunalwahlen ein recht erfolgreiches Bündnis, das nun einem Stresstest ausgesetzt ist. Denn in diesem Lager hat man Zweifel, ob mit für polnische Verhältnisse radikalen Vorschlägen wirklich eine Mehrheit gegen die regierende PiS-Partei möglich ist oder moderate Katholiken nicht eher verschreckt werden.
    Im rechten Lager wurde Nowackas Initiative freudig aufgenommen. Der oft regierungstreue Fernsehsender TVP berichtete ungewöhnlich breit und ein Kommentator frohlockte: Gäbe es nur mehr Oppositionelle wie Barbara Nowacka, der Sieg der PiS bei den Parlamentswahlen im Herbst wäre sicher.