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Religionsgruppen im Syrien-Krieg
Kampf der Konfessionen?

Für Außenstehende ist der Bürgerkrieg in Syrien schwer zu durchschauen, zu viele verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Interessen sind in den Konflikt verwickelt. Vor allem die Unterschiede zwischen den einzelnen Strömungen im Islam spielen eine große Rolle - so groß, dass sogar von einem Religionskrieg gesprochen wird.

Von Björn Blaschke | 20.05.2016
    Ein offizielles Foto, herausgebracht von der 'Syrian Arab News Agency' (SANA), zeigt den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad betend in der al-Nour Moschee in der Provinz Raqqa im Nordosten Syriens am ersten Tag des islamischen Opferfestes am 06. November 2011.
    Der syrische Präsident Bashar al-Assad betend in der al-Nour Moschee in der Provinz Raqqa im Nordosten Syriens (picture alliance / dpa / Sana)
    "Die Alawiten distanzieren sich von Bashar al-Assad!" Eine Schlagzeile, die unlängst für Aufsehen im Nahen Osten sorgte. Denn: Syriens Präsident entstammt eben der Religionsgruppe der Alawiten, deren Wurzeln - vereinfacht gesagt - im schiitischen Islam liegen. Scheikh Ahmed Aassi gehört zur Führung der alawitischen Gemeinde Libanons. Er unterhält beste Beziehungen zu den Glaubensbrüdern und -schwestern im Nachbarland Syrien. Scheikh Aassi sagt dazu, dass sich die syrischen Alawiten angeblich von Präsident Assad distanziert haben:
    "Die meisten Alawiten und ihre religiösen Führer unterstützen Präsident Assad. Nur sehr wenige tun es nicht. Dass solche Gerüchte aufkommen ist normal. Innerhalb einer Familie gibt es ja auch manchmal Meinungsverschiedenheiten. Aber im Allgemeinen unterstützt die Mehrheit der Alawiten diesen Mann, wir folgen ihm bis zum Ende des Weges!"
    Diese Treue basiere jedoch nicht darauf, dass Assad auch Alawit ist, so Scheikh Aassi weiter:
    "Die meisten Alawiten in Syrien sehen den Präsidenten, Dr. Bashar al-Assad, Gott möge ihn schützen, nicht nur als Patron der Alawiten, sondern als Präsident aller Bevölkerungsgruppen Syriens. Und die Alawiten stellen dabei nur eine Gruppe. Wir Alawiten würden nicht zu Grunde gehen, wenn Bashar al-Assad zurücktreten würde. Allerdings verkörpert Präsident Dr. Bashar al-Assad die Hoffnungen der Alawiten. Wir sind von Bashar al-Assad überzeugt und wir lieben diesen Mann."
    Geopolitische Ursprünge des Konflikts
    Gleich wie stark die Treue der Alawiten zu Assad tatsächlich war oder immer noch ist - sie hat dazu geführt, dass viele Sunniten in den Alawiten "den Feind" schlechthin ausmachen. So wie in "den Schiiten". Denn erstens fühlen sich viele alawitische Religionsgelehrte dem schiitischen Islam verbunden, und zweitens stehen verschiedene schiitische Milizen Präsident Assad zur Seite: Kämpfer der libanesischen Hisbollah, aus Iran oder dem Irak. Und deren Führer - in Beirut, Teheran oder Bagdad - erklären ihrerseits immer wieder, dass sie gegen "sunnitische Terroristen" vorgehen müsse, wobei "Terrorist" schon ist, wer sich nur gegen Assad äußert. Der Syrien-Krieg - ein Krieg Schiiten und Alawiten gegen Sunniten? Ursprünglich nicht sagt Politikwissenschaftler Karim al-Makdisi von der Amerikanischen Universität Beirut:
    "Die ersten Proteste gab es ja in Syrien nicht, weil Assad Alawit ist. Sondern weil er autoritär ist, weil man Reformen wollte, und so weiter. Erst später ging es um konfessionelle Identitäten. Bestimmte Gruppen wollten seinen Tod oder seine Absetzung, wegen seiner Religionszugehörigkeit - und nicht mehr wegen seiner Politik."
    Entwicklung zum religiösen Konflikt
    Ursprünglich waren die libanesische Hisbollah und die iranische Regierung Assad beigesprungen, weil sie das System, das er verkörpert, erhalten wollten. Denn Assads Syrien ist Teil einer Achse von Frontstaaten gegen Israel. Derweil sahen viele von Sunniten dominierte Regierungen Irans wachsenden Einfluss in der Region. Den wollte vor allem Teherans Rivale Saudi-Arabien nicht hinnehmen, die Monarchie begann Assads Gegner zu unterstützen. Anfänglich ging es also um Geopolitik - betrieben vor allem von zwei Staaten, deren Ideologien konkurrieren: Iran mit seiner schiitischen Herrschaft der Rechtsgelehrten und Saudi-Arabien mit seiner Monarchie, die mit dem sunnitischen Wahabismus eine Symbiose eingegangen ist. Doch mittlerweile ist der Krieg in Syrien eben auch zu einem konfessionellen Krieg geworden, Sunniten gegen Schiiten, Schiiten mit Alawiten gegen Sunniten - unter anderem weil auch Assad auf diese Karte gesetzt hat.
    "Es gibt, da bin ich mir sicher, mittlerweile viele Leute, die davon überzeugt sind, dass sie an dem Krieg teilnehmen, weil sie diese oder jene konfessionelle Identität haben. Denn davon sind sie überzeugt worden. Aber der Auslöser war Geopolitik."