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Renaissance der Reaktoren

Die Positionen sind alt bekannt, die Fronten klar. Die Atomenergie ist eine Sackgasse, sagen ihre Gegner. Wer Versorgungssicherheit will, der kommt an der Atomenergie nicht vorbei, sagen ihre Befürworter. Und sie verweisen dabei auch auf den russisch-ukrainischen Gasstreit vom Januar. Seitdem befindet sich die Atomlobby wieder im Aufwind.

Von Theodor Geers und Volker Finthammer | 07.02.2009
    "Wir brauchen einen breiten Energiemix. Dies beinhaltet ausdrücklich auch die Kohle und selbstverständlich auch die Kernenergie."

    Radioaktivität - für dich und mich im All entsteht ...

    "Wir sind viele, viele tausend Menschen. Und ich glaube, wir werden immer noch mehr. Und es ist ein ganz klares Signal: Wir lassen uns nicht verarschen hier mit Gorleben. Schluss mit der Atomindustrie!"

    Radioaktivität - wenn's um unsere Zukunft geht ...

    "Das Versorgungsthema ist neu hoch gekommen durch die russisch-ukrainische Gaskrise, die gab es ja schon mal, das ist ein Aspekt!"

    "Wenn jetzt wieder die Atomenergie als Antwort gebracht wird: Mit Atomenergie kannst Du im Winter nicht heizen. Man sollte uns auch nicht für blöder verkaufen als wir im Schnitt sind."

    Die Positionen sind alt bekannt, die Fronten klar. Die Atomenergie ist eine Sackgasse - sagen ihre Gegner.

    Wer Versorgungssicherheit will, der kommt an der Atomenergie nicht vorbei - sagen ihre Befürworter. Und sie verweisen dabei auch auf den russisch-ukrainischen Gasstreit vom Januar.

    Der hat in Deutschland, vor allem aber in den osteuropäischen EU-Staaten die Frage aufgeworfen, welche Rolle die Atomkraft als Alternative zum Gas spielen könnte.

    Acht der zwölf osteuropäischen Mitgliedsstaaten hängen beim Gas ausschließlich von Russland ab und mussten während des Streits mit Lieferausfällen leben. In Bulgarien, der Slowakei und den baltischen Staaten wurde die Forderungen nach neuen Atomreaktoren wieder lauter - und auch nach der Wiederinbetriebnahme alter Reaktoren, die nach dem Beitritt zur EU abgeschaltet werden mussten.

    "In Osteuropa gibt es so eine Situation, dass die eigentlich gar nicht verstehen, dass sie ihre Atomkraftwerke abschalten sollten. Das war aber der Preis für die Beitrittsverträge, dass man, wie ich finde zu recht, gesagt hat: Das sind dermaßen unsichere Dinger, das ist nicht zu verantworten. Ich verstehe, wenn die in so einer Situation sagen: Können wir sie nicht vielleicht doch noch weiter laufen lassen? Da wird es auch immer den Versuch geben","

    sagt der Vorsitzende der deutschen Sozialdemokraten im EU Parlament, Bernhard Rapkay. Der tschechische Ratsvorsitzende Topolanek hatte sich bei seiner Antrittsrede im EU Parlament ausdrücklich zur Atomkraft bekannt - genauso wie sein Vorgänger in diesem Amt, Frankreichs Staatspräsident Sarkozy. Spektakulär auch die jüngste Energiewende in Schweden. Dort macht die Regierung den von 30 Jahren beschlossenen, in der Praxis aber nie vollzogenen Atomausstieg rückgängig.

    Die zehn Atommeiler, die derzeit die Hälfte des schwedischen Strombedarfs abdecken, sollen jeweils durch neue und größere Reaktoren ersetzt werden. Mehr als zehn Kernkraftwerke soll es aber auch in Zukunft in Schweden nicht geben. Ebenso erklärt die EU-Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung zur künftigen Energiepolitik, dass die Atomenergie vor dem Hintergrund der Versorgungssicherheit und des Klimaschutzes wieder an Bedeutung gewinnt.

    Wenn es um unsere Zukunft geht ...

    Alle Zukunftsszenarien gehen davon aus, dass der Bedarf nach Strom in Zukunft stärker wachsen wird als der nach anderen Energieformen. Ein Drittel der Stromerzeugung in der EU erfolgt mittels Kernkraft. Derzeit sind in der EU 152 Atomkraftwerke in Betrieb. 64 alte Reaktoren wurden bereits still gelegt und verweisen auf eines der größten Probleme in den ganzen Debatten, die der Bericht der EU-Kommission nüchtern auf den Punkt bringt: Sämtliche in der EU betriebenen Kraftwerke erreichen demnächst die Grenze ihrer ursprünglich geplanen Betriebsdauer. Sie liegt zwischen 30 und 40 Jahren. Das Durchschnittsalter der Reaktoren in der EU beträgt derzeit 23 Jahre.

    Von den ursprünglich geplanten Lebenszyklen her gesehen, müsste rund ein Drittel der gesamten Reaktorkapazitäten in den kommenden zehn Jahren vom Netz genommen werden. Belgien und Deutschland sind bislang die einzigen beiden Länder, die diesen Schritt mit Ausstiegsbeschlüssen politisch eingeleitet haben. Bis 2010, so das Szenario der EU Kommission, werden in der EU voraussichtlich elf Reaktoren stillgelegt werden, sofern die vorhandenen Ausstiegsstrategien nicht geändert werden.

    ""Die Atomenergie ist eine wichtige Komponente unserer Energiepolitik. Um ihren Beitrag im künftigen Energiemix zu erhalten, brauchen wir neue Investitionen, um alte Kraftwerke zu ersetzen oder zu modernisieren. Und daneben müssen wir uns um die Sicherheit der Anlagen und einen sicheren Umgang mit den radioaktiven Abfällen kümmern. Die EU Kommission will und wird vor allem einen Beitrag zur Sicherheit der Nuklearenergie leisten","

    sagt Energiekommissar Andris Piebalgs.

    ""Also ich glaube nicht an eine Renaissance der Kernenergie aus mehreren Gründen","

    sagt dagegen der grüne Energieexperte in EU-Parlament, Claude Thurmes.

    ""Erstens, politische Akzeptanz ist noch lange nicht gegeben. Zweitens, technisch läuft das Ding nicht. Sie müssen sich das mal anschauen. Wir haben in den letzten zehn Jahren gerade mal einen Reaktor-Neubau in Europa, der steht in Finnland. Dieser Reaktor kostet 1,5 Milliarden, mehr als ursprünglich veranschlagt und Bauzeit, das Doppelte von dem, was sie gesagt haben."

    Der finnische Reaktor in Olkiluoto ist das erste europäische Kernkraftwerk, das nach dem Atomunfall von Tschernobyl im Jahr 1986 in Auftrag gegeben wurde. Im August 2005 begannen die Arbeiten, die aber erst im Jahr 2012 abgeschlossen sein sollen. Daneben baut Frankreich einen neuen Reaktorblock in Flamanville am Ärmelkanal, der auch im Jahr 2012 in Betrieb gehen soll. Verbindliche Planungen gibt es für zwei weitere Blöcke im Bulgarischen Kraftwerk Belene, und auch in Rumänien sind zwei Blöcke in Arbeit.

    Die baltischen Länder sowie Polen und die Niederlande erwägen Optionen für neue Kernkraftwerke, und auch in Italien und Großbritannien haben die Regierungen den Bau neuer Atomkraftwerke angestoßen. In der vergangenen Woche kündigte der französische Präsident Sarkozy den Bau eines zweiten Reaktorneubaus am Ärmelkanal an, der 2017 in Betrieb gehen soll.

    Für den CDU-Europaabgeordneten Langen ein weiterer Beleg dafür, dass die Kernenergie wieder an Bedeutung gewinnt.

    "Wir werden uns dieser Diskussion stellen müssen. Es geht kein Weg daran vorbei. Und ich rechne damit, dass wir in fünf Jahren eine völlig andere Diskussion auch in Deutschland zur Kernenergienutzung als vorübergehende Energieart, nicht als Dauerlösung führen."

    Auch wenn die Kommission für den Einsatz der Atomkraft plädiert: Die EU hat in der Energiepolitik kein Mitspracherecht. Brüssel darf sich zwar um Fragen der europäischen Energiesicherheit und entsprechenden Rechtsrahmen kümmern, doch die Energiepolitik, der jeweilige Energiemix in einem Land und die Frage, ob Kernkraft oder nicht, ist eine rein nationale Angelegenheit der Mitgliedsstaaten.

    Wenn es um unsere Zukunft geht…

    In Deutschland wollen die Unionsparteien, die FDP, fast alle Industrieverbände und natürlich die Energieversorger selbst den Ausstieg aus der Atomenergie wieder kippen, den Rot-Grün im Jahr 2000 durchgesetzt hatte.

    "Ich glaube, dass wir es uns nicht leisten können, auf diese Energieform zu verzichten. Wir würden ansonsten eine Millarden-Vernichtung von Kapital betreiben. Wir haben funktionierende Anlagen und wir müssen auch schauen, was um uns herum passiert. Allein die beiden neuen Anlagen, die jetzt in der Schweiz gebaut werden können. Also auch zu diesem Thema gehört noch einmal eine offene Diskussion in unserem Land dazu","

    sagt zum Beispiel Hildegard Müller, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, dem Dachverband der Energieversorger.

    ""Es wird Zeit, dass Deutschland seine Außenseiterrolle aufgibt","

    fordert auch Jürgen Großmann, Vorstandschef des größten deutschen Stromkonzerns RWE. Sein Ziel: Die 17 deutschen Atomkraftwerke, die noch am Netz sind, sollen und müssen länger am Netz bleiben. Und dafür, so Großmann, gibt es vor allem drei erdrückende Gründe:

    ""Wenn wir ehrlich und massiv gegen CO2 vorgehen wollen, wenn wir günstig Strom produzieren wollen, wenn wir vor allem unsere Unabhängigkeit bewahren wollen, dann kommen wir an längeren Laufzeiten nicht vorbei."

    Die 17 deutschen Atomkraftwerke produzierten im vergangenen Jahr etwa 23 Prozent des Stroms, der in Deutschland verbraucht wird. Noch größer ist ihre Bedeutung in der sogenannten Grundlast, also dort, wo der Strom rund um die Uhr bereit stehen muss, um vor allem in der Industrie Stahlwerke, Aluminiumschmelzen oder Chemieanlagen sicher zu versorgen. Hier liegt der Atomanteil bei knapp der Hälfte. Schon deshalb sind Atomkraftwerke aus Sicht der meisten Energiemanager unverzichtbar. Ohne preiswerten Industriestrom auf Atombasis gibt es für energieintensive Produktionsbetriebe keine andere Alternative als ins Ausland abzuwandern. Davor warnt unmissverständlich der Bundesverband der Deutschen Industrie.

    Atomkraftgegner und -skeptiker sehen das natürlich anders. Sie verweisen darauf, dass in Zukunft der Bedarf an Grundlast-Kraftwerken massiv zurückgehen wird.

    Wenn etwa Windkraftanlagen vor der Küste massiv ausgebaut werden und wenn die erneuerbaren Energien in einigen Jahren gut ein Viertel des Stroms hierzulande erzeugen - jetzt sind es 15 Prozent - dann werden weniger Grundlast-, sondern Mittel- und Spitzenlastkraftwerke benötigt. Diese können leichter zu- und abgeschaltet werden, um so die oft schwankende Stromproduktion etwa in den Windparks auszugleichen.

    Diese hocheffizienten Kohle- und Gaskraftwerke decken in diesem alternativen Szenario gut die Hälfte des Stromverbrauchs ab. Der Rest entfällt im wesentlichen auf Kraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung, die außer Strom auch Dampf zum Heizen etwa in Fernwärmenetzen erzeugen.

    Deshalb halten Atomgegner die Diskussion über den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke schlicht für überflüssig. Schließlich darf aus ihrer Sicht auch etwas anderes nicht verniedlicht werden.

    Tschernobyl, Harrisburg, Sellafield, Hiroshima…

    "Die Risiken, die mit der Kernenergie verbunden sind, sind nicht aus der Welt. Wir haben immer noch Unfallrisiken, die zu massiven Freisetzung von radioaktiven Stoffen führt. Wir diskutieren immer noch über die Wahrscheinlichkeit, nicht darum, ob es überhaupt möglich ist. Und der zweite Punkt, der ganz große offene Punkt, ist eben das Atommüllproblem, das immer noch nicht gelöst ist","

    sagt beispielsweise Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energieagentur Dena, einer halbstaatlichen Organisation, die die Deutschen vor allem zum Energiesparen und zu mehr Energieeffizienz anhalten soll. Mit seinem Hinweis auf das Restrisiko bei Atomanlagen und das immer noch fehlende Endlager für den strahlenden hochradioaktiven Atommüll steht Kohler nicht allein.

    Unverändert spaltet die Atomkraft die Deutschen. Selbst auf dem Höhepunkt des russisch-ukrainischen Gasstreits waren 73 Prozent der Deutschen immer noch dagegen, dass Deutschland jetzt stärker auf die Atomkraft setzt.

    Und je lauter die Forderungen vor allem aus der Energiewirtschaft nach längeren Laufzeiten werden, desto stärker wird auch wieder der Druck von der Straße. Das war im vergangenen Herbst in Gorleben zu spüren, wo mehr Demonstranten gegen die Castoren protestierten als in den vergangenen Jahren.
    ""Es gibt ja in diesem Jahr ein riesiges atomkritisches Potenzial. Es sind ja Millionen von Menschen, die sagen: 'Wir wollen keine Atomenergie.' Und es gibt einfach keine Lösung für dieses Problem, da sagen die Leute: 'Nee, Moment, so haben wir nicht gewettet. Ihr habt versprochen, wir machen den Atomausstieg. Jetzt macht ihr ihn nicht - also machen wir wieder Druck.'"

    Stopp Radioaktivität - weil's um unsere Zukunft geht ...

    Genau darum, um die Zukunft, ging es auch der rot-grünen Bundesregierung, als sie vor neun Jahren den Atomausstieg durchsetzte.

    Darin wurde jedem deutschen Atomreaktor je nach seinem Alter eine Reststrommenge zugeteilt, die dieser Reaktor noch erzeugen darf. Dadurch wird die Laufzeit deutscher Atomkraftwerke im Schnitt auf 32 Jahren begrenzt. Bisher wurden mit Stade und Obrigheim zwei Atommeiler vom Netz genommen. Gemessen an den noch verfügbaren Reststrommengen sind Biblis A und B, Neckarwestheim und Brunsbüttel die nächsten Stillegungskandidaten. Allerdings haben ihre Betreiber immer wieder versucht, das Abschalten hinauszuschieben. Zum Beispiel durch Anträge, Strommengen jüngerer Atomkraftwerke auf diese älteren Reaktoren zu übertragen. Das ist möglich, läuft aber dem Geist des Atomausstiegsgesetzes zuwider. Die Ausnahmeanträge wurden vom zuständigen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel deshalb auch abgelehnt.

    Neu sind die Wünsche in Punkto Laufzeitverlängerung also nicht. Aber die Wünsche werden immer massiver vorgetragen. Wer bisher glaubte, die Laufzeiten der Atommeiler sollen nur gerade um so viel verlängert werden, wie es unbedingt notwendig ist, etwa um im Jahr 2020 eine drohende Stromlücke zu vermeiden oder weil die bis dahin ins Auge gefassten Reduktionsziele beim Klimagift CO2 anders nicht erreicht werden können, der wird eines Anderen belehrt. Längst geht es um mehr als nur um acht oder zehn Jahre. Das rechnet auch RWE-Chef Jürgen Großmann vor:

    "Strom aus unseren Kernkraftwerken hat niedrige Erzeugungskosten, die Uranvorräte reichen für 200 Jahre. Eine Verlängerung der Kernkraftwerks-Laufzeiten um 25 Jahre auf ein international übliches Niveau von 50 bis 60 Jahren würde eine zusätzliche volkswirtschaftliche Wertschöpfung von 250 Milliarden Euro erbringen, das heißt 3000 Euro pro Bürger. Zusätzlich stärkt der preisdämpfende Effekt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und damit den Standort Deutschland."

    Mit solchen Berechnungen argumentiert nicht nur RWE-Chef Jürgen Großmann gegen den Atomausstieg. Auch die anderen Atomkraftwerksbetreiber versprechen, dass längere Laufzeiten die Stromkunden dauerhaft und nachhaltig entlasten können.

    Tatsächlich spüren die Stromkunden vom billigen Atomstrom so gut wie nichts. Denn ihr Strompreis orientiert sich nicht an den niedrigen Erzeugungskosten in den Kernkraftwerken. Der Strompreis hängt immer von den Kosten des letzten Kraftwerkes ab, das noch zugeschaltet werden muss, um die aktuelle Nachfrage zu decken. Stephan Kohler von der Dena:

    "Es gibt natürlich einen Zusammenhang, aber er ist nicht sichtbar am Markt. Wir haben heute alle Kernkraftwerke in Betrieb und der Strompreis ist gestiegen. Derzeit zahlt jeder Haushaltskunde durchschnittlich 20 bis 21 Cent pro Kwh. Der Strompreis hat was mit der Verfügbarkeit von Kraftwerken zu tun, aber nicht nur von Kernkraftwerken, sondern auch von Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken. Das ist entscheidend für den Strompreis und nicht die Erzeugungskosten von Kernkraftwerken."

    Radioaktivität - wenn's um unsere Zukunft geht ...

    Strom muss heutzutage sauber sein - das gebieten der Klima- und der Umweltschutz. Auch hier haben längere Laufzeiten aus Sicht von RWE-Chef Jürgen Großmann Vorteile.

    "Kernkraftwerke verhindern den zusätzlichen Ausstoß von über 100 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Sicherheitstechnisch ist die Verlängerung ohne Probleme. Auch die Endlagerung ist grundsätzlich gelöst, muss jedoch politisch entschieden werden."

    Während die CO2-Einsparung durch die Nutzung der Atomkraft nicht weg zu diskutieren ist, scheiden sich in Punkto Sicherheit schon wieder die Geister. Vor allem wegen der ungelösten Frage eines Endlager für hochradioaktive Abfälle. Bisher werden diese Abfälle im französischen La Hague aufbereitet und dann in spektakulären Castor-Transporten nach Gorleben in das Zwischenlager gebracht, eine oberirdische Betonhalle, in der die Castoren erst einmal für einige Jahrzehnte stehen sollen, bis ein Endlager zur Verfügung steht.

    "Es ist ein bisschen so als ob sie ins Flugzeug steigen und nicht wissen, ob es irgendwo eine Landebahn gibt."

    Damit spielt Bundesumweltminister Gabriel auf eben dieses fehlende Endlager an. Eigentlich soll es im Salzstock in Gorleben entstehen. Doch seit der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin vor acht Jahren die Erkundungsarbeiten am Salzstock stoppte, ist faktisch gar nichts mehr passiert. Auch wegen des ungelösten Endlagerproblems verhindert die SPD in der Großen Koalition bislang, dass am Atomausstieg gerüttelt wird. Das Argument: Je länger die Atommeiler laufen desto mehr radioaktiver Müll muss später sicher und für Jahrtausende entsorgt werden. Strommanager wie RWE-Chef Jürgen Großmann setzen deshalb auf die Bundestagswahl im September.

    "Sicherlich wird die Revision des Ausstiegsbeschusses davon abhängen, wie die nächste Wahl ausgeht. Und dass wir natürlich eine Position haben, weil wir fünf Reaktoren betreiben, nämlich zwei in Biblis, zwei in Gundremmigen und einen in Lingen, das ist doch ganz klar. Aber ich glaube, an wirtschaftlichen Notwendigkeiten kommt keiner vorbei, und die Ideologie wird dahinter zurück stehen."

    Doch Atomgegner argumentieren auch mit Zahlen und verweisen darauf, dass eine sichere Energieversorgung, welche zudem die Klimaschutzziele erreicht, auch möglich ist.

    "Wir können zeigen, dass wir mit dem Ausstieg aus der Atomenergie, wenn wir 30 Prozent regenerative Stromerzeugung machen, 25 Prozent Kraftwärme-Kopplung und wenn wir auch neue hocheffiziente neue Kohlekraftwerke bauen, nicht nur Gaskraftwerke, dann können die Klimaschutzziele in diesem Bereich erfüllt werden. Also wir können die Klimaschutzziele erreichen."

    Der Klimaschutz ist für die Atomlobby dennoch ein willkommenes Argument. Ihre Gegner fürchten indes, dass es missbraucht wird. Längere Laufzeiten, so ihr Verdacht, sind ein erster Schritt. Früh oder später werde es dann doch darum gehen, neue Reaktoren zu bauen, so wie in anderen Ländern. Das aber ist für RWE-Chef Großmann derzeit kein Thema.

    "Ja gut, das muss ja erst mal ausreichen. Also wir wollen doch die Diskussion bei uns nicht überfrachten. Die 25, wenn wir die anstreben, dann haben wir eine ganze Menge Luft. Wir wissen auch, dass der Neubau sehr lange dauert und dass man dafür erst mal einen Standort bietet. Also diese Diskussion jetzt anzufangen, halte ich für kontraproduktiv. Steht derzeit nicht auf der Agenda."