Dienstag dieser Woche, es ist der letzte Tag der Beweisaufnahme. Acht Monate lang hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss mehr als 80 Zeugen befragt. Es geht darum zu klären, wie es im vergangenen Jahr im Klinikum Bremen Mitte zu einem Keimausbruch kommen konnte. Damals starben drei Frühgeborene. Eine zentrale Frage: Trägt die Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper von der SPD, die auch Aufsichtsratsvorsitzende des Klinikverbundes ist, die politische Verantwortung für Fehler im Hygienemanagement des Krankenhauses?
Sie ist die letzte Zeugin, kommt im schwarzen Hosenanzug, ihr Gesicht ernst, angespannt. Das Medieninteresse ist groß.
Ihr gegenüber sitzen zwölf Abgeordnete des Ausschusses. Für die Senatorin geht es um viel. Sie muss ihr Handeln erklären. In einem einstündigen Statement nutzt sie die Gelegenheit, den Abgeordneten darzulegen, warum die Anderen schuld sind. Jede politische Verantwortung lehnt sie ab.
"Das Fehlverhalten oder die Fehler, die gemacht wurden, müssen mir zugeordnet werden können. Nur dann kann ich für etwas geradestehen, das ich getan oder nicht getan habe; ich übernehme keine Verantwortung für Probleme, die nicht in meinem Zuständigkeitsbereich liegen, sich meiner unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeit entziehen oder zu einem Zeitpunkt stattgefunden hatten, als ich Ressortverantwortung gar nicht hatte."
Basta. Acht Stunden lang wird sie an diesem Tag vernommen. Dabei wird deutlich: Die resolute 61-Jährige will das Heft nicht aus der Hand geben. Will Stärke demonstrieren. Seit Monaten steht sie in der Kritik. Seit dem Tod der drei Frühgeborenen. Obwohl das erste Kind schon im August 2011 starb, wurde die Senatorin vom Gesundheitsamt erst im November informiert. Das wirft kein gutes Licht auf die Verhältnisse in der Behörde, Kontrolle und Krisenmanagement haben offenbar nicht gut funktioniert. Doch die Verantwortung will damals weder die Senatorin noch sonst jemand übernehmen. Stattdessen stellt sie den Krankenhausmanager frei und präsentiert hektisch ein Aktionsprogramm für Krankenhaushygiene. Das Krisenmanagement, es sei desaströs gewesen, wirft ihr die oppositionelle CDU vor. Vor einigen Tagen forderte der Fraktionschef der CDU, Thomas Röwekamp, ihren Rücktritt.
"Wir glauben, dass die Senatorin mit ihren Aufgaben und den riesigen Herausforderungen der Gesundheit auf der einen, und Bildungspolitik auf der anderen Seite, überfordert ist. Sie hat viel notwendiges Vertrauen durch ihr eigenes Verhalten zerstört. Deshalb brauchen wir in beiden Politikfeldern einen personellen Neubeginn."
Seit einem Jahr ist die langjährige Bildungssenatorin zusätzlich für die Gesundheit zuständig. Und damit für die zwei größten Baustellen der Bremer Landespolitik. Hier sind die finanziellen Grausamkeiten besonders spürbar. In der Gesundheit: Spardruck beim Personal, die Folgen des Keimskandals und ein Klinikneubau, der teurer ist als geplant.
Und die Bildung: Chronisch unterfinanziert, das ambitionierte Projekt der Inklusion - des gemeinsamen Lernens von Schülern mit und ohne Behinderung - soll mit mageren Mitteln umgesetzt werden. Und jetzt, kurz vor den Ferien, ist auch noch herausgekommen, dass im neuen Schuljahr mehr als 60 Lehrer, die schon eingeplant waren, doch nicht eingestellt werden, weil kein Geld da ist. Der Ärger bei Eltern, Lehrern und Schülern ist groß. Seit zwei Wochen gibt es Proteste an den Schulen.
Schüler protestieren, ziehen durch Bremen, zum Amtssitz der Senatorin. Sie wollen Antworten. Doch die Senatorin lässt sich nicht blicken. Verschanzt sich. So wie ihr Krisenmanagement beim Klinikskandal, so kommt vor allem bei den Betroffenen die Informationspolitik ihrer Bildungsbehörde nicht gut an. Christian Gloede von der Lehrergewerkschaft GEW zum Jürgens-Piepers-Politikstil:
"Das ist ein ungehöriges Verhalten denen gegenüber, denen man ein hohes Maß an Verantwortung entgegenbringen muss und ein hohes Maß an Wertschätzung. Daran lässt sie es an der Stelle vollständig vermissen. Und dieses Verhalten von ihr ist im Prinzip nicht zu dulden."
Und auch Petra Lichtenberg vom Personalrat der Schulen beklagt die fehlende Kommunikation.
"Wir müssen alle Informationen, die wir haben wollen, erkämpfen, bestimmte Dinge bekommen wir erst dadurch, dass wir vor Gericht gehen."
Die Devise heißt: Aussitzen. Das könnte ihr gelingen, denn die Opposition ist zu schwach, Rot-Grün sitzt fest im Sattel. Renate Jürgens-Pieper wird also weiter Politik in Bremen machen, und das bedeutet: den Mangel verwalten, solange ihre Partei öffentlich zu ihr hält. Und das tut sie – auch wenn sich hinter vorgehaltener Hand so mancher in der SPD über die Wagenburgmentalität der Senatorin ärgert. Und so wird sie weiter den Ärger aller auf sich ziehen, die unter dem Spardruck zu leiden haben, im Land der Schuldenbremse.
Mehr zu den Frühchen-Toden auf deutschlandradio.de:
Forschung Aktuell - Warum in Bremen drei Frühchen starben
Sie ist die letzte Zeugin, kommt im schwarzen Hosenanzug, ihr Gesicht ernst, angespannt. Das Medieninteresse ist groß.
Ihr gegenüber sitzen zwölf Abgeordnete des Ausschusses. Für die Senatorin geht es um viel. Sie muss ihr Handeln erklären. In einem einstündigen Statement nutzt sie die Gelegenheit, den Abgeordneten darzulegen, warum die Anderen schuld sind. Jede politische Verantwortung lehnt sie ab.
"Das Fehlverhalten oder die Fehler, die gemacht wurden, müssen mir zugeordnet werden können. Nur dann kann ich für etwas geradestehen, das ich getan oder nicht getan habe; ich übernehme keine Verantwortung für Probleme, die nicht in meinem Zuständigkeitsbereich liegen, sich meiner unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeit entziehen oder zu einem Zeitpunkt stattgefunden hatten, als ich Ressortverantwortung gar nicht hatte."
Basta. Acht Stunden lang wird sie an diesem Tag vernommen. Dabei wird deutlich: Die resolute 61-Jährige will das Heft nicht aus der Hand geben. Will Stärke demonstrieren. Seit Monaten steht sie in der Kritik. Seit dem Tod der drei Frühgeborenen. Obwohl das erste Kind schon im August 2011 starb, wurde die Senatorin vom Gesundheitsamt erst im November informiert. Das wirft kein gutes Licht auf die Verhältnisse in der Behörde, Kontrolle und Krisenmanagement haben offenbar nicht gut funktioniert. Doch die Verantwortung will damals weder die Senatorin noch sonst jemand übernehmen. Stattdessen stellt sie den Krankenhausmanager frei und präsentiert hektisch ein Aktionsprogramm für Krankenhaushygiene. Das Krisenmanagement, es sei desaströs gewesen, wirft ihr die oppositionelle CDU vor. Vor einigen Tagen forderte der Fraktionschef der CDU, Thomas Röwekamp, ihren Rücktritt.
"Wir glauben, dass die Senatorin mit ihren Aufgaben und den riesigen Herausforderungen der Gesundheit auf der einen, und Bildungspolitik auf der anderen Seite, überfordert ist. Sie hat viel notwendiges Vertrauen durch ihr eigenes Verhalten zerstört. Deshalb brauchen wir in beiden Politikfeldern einen personellen Neubeginn."
Seit einem Jahr ist die langjährige Bildungssenatorin zusätzlich für die Gesundheit zuständig. Und damit für die zwei größten Baustellen der Bremer Landespolitik. Hier sind die finanziellen Grausamkeiten besonders spürbar. In der Gesundheit: Spardruck beim Personal, die Folgen des Keimskandals und ein Klinikneubau, der teurer ist als geplant.
Und die Bildung: Chronisch unterfinanziert, das ambitionierte Projekt der Inklusion - des gemeinsamen Lernens von Schülern mit und ohne Behinderung - soll mit mageren Mitteln umgesetzt werden. Und jetzt, kurz vor den Ferien, ist auch noch herausgekommen, dass im neuen Schuljahr mehr als 60 Lehrer, die schon eingeplant waren, doch nicht eingestellt werden, weil kein Geld da ist. Der Ärger bei Eltern, Lehrern und Schülern ist groß. Seit zwei Wochen gibt es Proteste an den Schulen.
Schüler protestieren, ziehen durch Bremen, zum Amtssitz der Senatorin. Sie wollen Antworten. Doch die Senatorin lässt sich nicht blicken. Verschanzt sich. So wie ihr Krisenmanagement beim Klinikskandal, so kommt vor allem bei den Betroffenen die Informationspolitik ihrer Bildungsbehörde nicht gut an. Christian Gloede von der Lehrergewerkschaft GEW zum Jürgens-Piepers-Politikstil:
"Das ist ein ungehöriges Verhalten denen gegenüber, denen man ein hohes Maß an Verantwortung entgegenbringen muss und ein hohes Maß an Wertschätzung. Daran lässt sie es an der Stelle vollständig vermissen. Und dieses Verhalten von ihr ist im Prinzip nicht zu dulden."
Und auch Petra Lichtenberg vom Personalrat der Schulen beklagt die fehlende Kommunikation.
"Wir müssen alle Informationen, die wir haben wollen, erkämpfen, bestimmte Dinge bekommen wir erst dadurch, dass wir vor Gericht gehen."
Die Devise heißt: Aussitzen. Das könnte ihr gelingen, denn die Opposition ist zu schwach, Rot-Grün sitzt fest im Sattel. Renate Jürgens-Pieper wird also weiter Politik in Bremen machen, und das bedeutet: den Mangel verwalten, solange ihre Partei öffentlich zu ihr hält. Und das tut sie – auch wenn sich hinter vorgehaltener Hand so mancher in der SPD über die Wagenburgmentalität der Senatorin ärgert. Und so wird sie weiter den Ärger aller auf sich ziehen, die unter dem Spardruck zu leiden haben, im Land der Schuldenbremse.
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