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René Benkos "Goldenes Quartier"
Alles glänzt in der Wiener Innenstadt

René Benko ist spätestens seit der Übernahme von Karstadt auch in Deutschland bekannt. In Wien hat der österreichische Investor zuvor einen ganzen schönen alten Häuserblock erstanden und zu einem "Goldenen Quartier" umbauen lassen - ein Tummelplatz für Edelmarken, reiche Immobilienkäufer und gut betuchte Touristen.

Von Beatrix Novy | 22.08.2014
    Ein Porträtfoto zeigt den österreichischen Investor René Benko am 19. Mai 2010 in Wien, Österreich.
    Der österreichische Investor René Benko übernimmt Karstadt vollständig. (picture alliance / dpa / Hans Klaus Techt)
    Der Louis Vuitton Global Store in der Wiener Innenstadt glänzt in allen Goldtönen. Das schwere Treppengeländer, die metallenen Wandbehänge, der schimmernde Teppich: eine wahre Goldfeier. Ledertaschen und Schuhe sind hier Exponate, inszeniert wie in einem historischen Ausstattungsfilm. Vuitton führt den Aufmarsch der Luxusmarken in den zwei massigen Häuserblocks an, die jetzt zu einem neuen Viertel mit dem sprechenden Namen "Goldenes Quartier" zusammengefasst sind. Gebäude aus verschiedenen Epochen, vereint zu einer Art offener Shopping Mall, deren Kriterium ihre Hochpreisigkeit ist. Hier ist alles ausnahmslos Prada, Valentino oder Etro.
    Nun bleibt ein Flagship-Store nirgendwo auf der Welt gern allein, er liebt die Nestwärme mit seinesgleichen. Auch das Goldene Quartier im Wiener Ersten Bezirk mit einer Lauflänge von insgesamt 190 Metern zwischen den Straßen Tuchlauben, Seitzergasse, Bognergasse ist so ein Nest des Luxusgütergeschäfts. Aber es entstand nicht nach und nach, sondern unter der Regie eines einzigen Investors: René Benko beziehungsweise seine Signa Holding. Ein neues Quartier ist tatsächlich daraus geworden, denn neben Weltdesignern und Juwelieren implantierte Signa auch Gaststätten, Wohnungen und ein Hotel; sogar neue Fußgängerzonen sind entstanden. Letztere tragen dazu bei, dass der Eindruck einer gewissen Homogenität verstärkt wird, den der - jedem Städtetouristen vertraute - Anblick uniform designter Luxusläden hervorruft: Dieses teure Kind des Neoliberalismus hat etwas von Planwirtschaft. Es hebt sich ab von der kleinteiligen Wuseligkeit des Wiener Ersten Bezirks - die seine Attraktivität gerade ausmacht für die Zielgruppe des Goldenen Quartier: die Touristen.
    "Haben wir das wirklich gebraucht, um uns Weltstadt nennen zu dürfen", fragte die Stadtzeitung "Falter". Rhetorisch natürlich. Nein, die Wiener brauchen das Goldene Quartier nicht. Im Gegenteil ärgert sich die eine oder andere Wienerin, weil ausgerechnet ihr bezahlbares Klamottenlädchen hier den Geist aufgab. Andere ärgern sich, weil sie den Anblick der vielen schwarz gekleideten Ölgötzen des Security-Metiers nicht verdauen. Oder weil die Wohnungspreise hier - etwa: 28 Millionen Euro für 780 qm - in dieser Stadt der sozialen Wohnbautradition noch gewöhnungsbedürftig sind. Man mag sich da an die Gründerjahre des Wiener 19. Jahrhunderts erinnert fühlen, als superreiche Bankiers und Industrielle ihre Palais am damals neuerbauten Ringstraße errichten ließen. Aber die zogen dort auch ein und machten in ihren gastfreundlichen Salons das fin-de-siècle-Wien zu einem Kulturmittelpunkt. Was von der global-mobilen Geldelite des 21. Jahrhunderts eher nicht zu erwarten ist.
    Ideal für reiche Touristen im Shoppingfieber
    Benko und seine Signa haben in Wien eine halbe Milliarde investiert, weil die Dynamik des internationalen Luxuskonsums dazu aufforderte. Luxusmarken drängen in attraktive Lagen attraktiver Städte - überproportional im kleinen Europa - und setzen auf dabei auf den blühenden Städtetourismus mit seiner Primärbeschäftigung: Shoppen. 40 Prozent seiner Umsätze macht der Luxusmarkt mit Touristen, von denen die Hälfte aus den aufstrebenden BRIC-Staaten kommt. Das Fünf-Sterne-Hotel zeigt, was Wien in diesem Städte-Wettlauf wert ist.
    Und warum nicht? Schon im 18. Jahrhundert war die dem Goldenen Quartier vorgelagerte Straße, der Kohlmarkt, eine teure Einkaufsgegend; so etwas gehört zu einer Stadt dazu. Im Quartier selbst war die uralte Kleinteiligkeit schon seit Langem aufgebrochen, die Baukörper waren wuchtig, das Hyatt-Hotel passt doch sogar besser in das massige Palais, in dem vorher eine Bank residierte. Alle Gebäude hat René Benko in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt mustergültig saniert. Es hätte schlimmer kommen können.
    Trotzdem. Ein Goldenes Quartier mag sich eine Stadt leisten, zum Trend sollte sich die Idee, ganze Straßenzüge einem Investor zu überlassen, nicht auswachsen. Dass im Umfeld dieser Premiumlagen die Mieten steigen, dass der letzte gebrauchsorientierte Einzelhändler zumacht, sind dabei nur die gängigen negativen Folgen der Gentrifizierung.
    Die um den Erdball flottierenden enormen Geldmengen haben schon zu ganz anderen Entwicklungen geführt: Im teuersten Londoner Stadtteil, Chelsea, ist der Leerstand am höchsten. Die Wohnungen dienen als Zweit- oder Drittwohnung - oder überhaupt nur als Kapitalanlage. Und was die Luxusklamotten in den schönen Geschäften betrifft: Das weltweite Hyper-Wachstum, die Umschlaggeschwindigkeit des Modesektors gefährdet ihren Luxusappeal, auch den 3000-Euro-Mantel umweht schon der Geruch des Designer-Sale im Basement. Sollte es eine Luxusblase geben, und sollte sie dereinst platzen, würde so ein Goldenes Quartier besonders arm aussehen.