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Renovieren statt abreißen

Hamburgs Unigebäude müssen dringend saniert werden. Doch stattdessen soll gleich eine neue Universität im Hafengebiet Hamburgs hingestellt werden: ein teures Großbauprojekt, das Wissenschaftler und Firmen in die Hansestadt locken soll. Die Studenten sind gegen den Umzug der Universität. Ihrer Meinung nach soll das Geld für die neuen Nobelgebäude besser in die Lehre investiert werden.

Von Axel Schröder |
    Hochmodern geht es zu bei der Debatte um den Umzug der Hamburger Universität: Auf www.zukunft-uni.hamburg.de versucht die Wissenschaftsbehörde, die Stimmung unter den Studierenden per Onlinediskussion zu sondieren. Und jede Woche lässt sie prominente Hamburger aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft über das Thema chatten. Den Anfang macht diese Woche Wissenschaftssenatorin Dr. Herlind Gundelach:

    "Entsprechende Buslinien sind in unseren Planungen enthalten. Punkt."

    Neben der Senatorin sitzt ihre Sekretärin, tippt die Antworten in den Computer. Gerade hat Nutzer "Kim" angefragt, wie die Studierenden denn zu ihren Vorlesungen und Seminaren kommen sollen, wenn die Uni von Hamburg-Eimsbüttel in den Hafen ziehen würde: rüber über die Elbe, auf den sogenannten "Kleinen Grasbrook", umgeben von Wasser. Der "Sprung über die Elbe" ist aber nur eine von vier Varianten, die eine 500 Seiten starke Studie im Auftrag der Uni untersucht hat, so Senatorin Gundelach:

    "Das erste Szenario bedeutet Generalsanierung vorhandener Gebäude, das zweite beschränkt sich im Wesentlichen auf Abriss in Eimsbüttel und kompletter Neubau, bis auf denkmalgeschützte Gebäude. Das dritte ist eine Teilverlagerung der Universität, das heißt, der sogenannte MIN-Bereich: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften. Und das vierte Szenario ist eine Vollverlagerung der Universität."

    Die Senatorin will ihre Lieblingsvariante nicht verraten. Schließlich soll erst einmal diskutiert werden. Aber besonders plausibel, so Gundelach, sei der Komplettumzug. Und den favorisiert auch die Hamburger Uni-Präsidentin Monika Auwetter-Kurtz. Nicht nur ausreichend Platz soll so geschaffen werden, sondern auch eine Universität mit Anziehungskraft: eine, die auch Platz für forschende Unternehmen hat, eine, die Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft miteinander verzahnt. Skeptisch sind die Hamburger Studenten. Umfrage auf dem Campus, vor dem Betonkoloss Uni-Bibliothek:

    "Nötig ist der Abriss dieses Gebäudes - und dieses Gebäudes und dieses, noch einige weitere. Aber Umzug finde ich nicht gut. Dann wird das ganze Viertel hier seziert. Hauptsache, es steht schön in der Hafencity rum und man kann sagen: internationaler Flair. Ich habe das Gefühl, das es darum geht. Da bin ich nicht für. Lieber das Geld in Lehre stecken als in neue schicke Gebäude."

    Und skeptisch ist auch Benjamin Gildemeister, erster Vorsitzender des Hamburger AStA:

    "Wir sehen das sehr kritisch, weil die Arbeitsgruppen ergeben haben, dass da unten keine Stadtuniversität entstehen wird, sondern - wie von uns schon befürchtet - eine Universität auf der 'grünen Wiese', ein Satellit. Man kann alles schick neu machen. Aber wir werden da eine Situation haben, in der wenige Wohnungen vor Ort da sind, sehr wenig kulturelles Leben. Das ist aber essenzieller Teil einer Uni, für die eigene Identität und für das, was über Studium und Lehre hinausgeht."

    Bei einem Komplettumzug befürchtet der AStA-Vorsitzende ein Ende wie bei vielen Großprojekten: Die Kosten schnellen in die Höhe, der Bau verzögert sich. Im schlimmsten Fall, so Gildemeister, würden nur einzelne Fakultäten verlagert werden, die Einheit der Universität wäre gefährdet.

    "Mein Vorschlag wäre, dass man zügig damit beginnt, hier große neue Objekte anzumieten: Die alte Post wäre ein guter erster Schritt. Da hat man gleich sehr viel Fläche gewonnen, die man hier dringend braucht für die kleineren Gruppen. Und dann nach und nach hier einzelne Gebäude abreißt, gegebenenfalls saniert, um hier in Eimsbüttel einen wirklich Fortschritt langfristig zu erzielen."

    Finanziell wäre der Komplettumzug die teuerste Lösung, aber in zehn Jahren wäre alles bereit und auf dem neuesten Stand. Die Stück-für-Stück-Sanierung der bestehenden Gebäude zieht sich laut der vorgelegten Studie rund 20 Jahre hin, die Studierenden müssten zwischenzeitlich umziehen, sogar die Unibibliothek erst ausgelagert, abgerissen, neugebaut und wieder eingeräumt werden: ein logistisches Großprojekt. Zwischen 1,3 und 2,1 Milliarden Euro kosten die Pläne. Gut angelegtes Geld, findet Senatorin Gundelach:

    "Alle sind sich darüber einig, dass die Zukunft der Arbeitsplätze in wissensbasierten Branchen erfolgt und deswegen ist jede Investition in Wissenschaft so notwendig wie nur irgendetwas!","

    so Gundelach und diktiert den nächsten Text für den Uni-Umzugs-Chat:

    ""Komma. Denn der Universitätsbetrieb muss weitergehen und darf nur so wenig wie möglich beeinträchtigt werden."

    Link:
    www.zukunft-uni.hamburg.de