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Reportage Bipolare Störung
Die Hölle auf Erden

Wenn Menschen an Bipolarer Störung erkranken, dann ist es weder für sie selbst noch für Angehörige leicht, dies auch zu erkennen. Und selbst Ärzte tun sich mit der Diagnose schwer. So weiß zum Beispiel der 63-jährige Hans-Peter heute, dass die Krankheit schon in der Jugend begann. Doch erst nach Jahren konnte ihm geholfen werden.

Von Thomas Liesen | 16.12.2014
    Es war kurz vor dem Abitur. Hans-Peter quälten ungeheure Prüfungsängste. Und er hielt sich für einen Versager, der es zu nichts bringen wird. Diese Gefühle waren damals extrem beherrschend und wie er heute weiß: So fing alles an.
    "Das ist aber alles damals nicht erkannt worden und ich wollte dann die Brocken alle hinschmeißen, habe das aber trotzdem durchgezogen und bin dann in den Beruf gegangen und da ging das dann so zehn Jahre insgesamt ganz gut, bis ich da dann meine Probleme bekam und erst mit ganz tiefen Depressionen, die dann zu einem Selbstmordversuch geführt hatten."
    Er landete in einer psychosomatischen Klinik. Dort behandelte man ihn aber nur gegen Depression, auch mit entsprechenden Medikamente. Schon während des Klinikaufenthalts kippte seine Stimmung dann fast ins Euphorische, in die sogenannten Hypomanie.
    " Wenn man hypoman ist, kann man eine ganze Gesellschaft unterhalten. Das ist mir mal in der Gruppentherapie passiert, dass ich zu einem Monolog angesetzt habe und anschließend lagen dann alle acht Leute, die haben sich köstlich amüsiert. Aber die Krankheit verläuft ja phasisch und dann schloss sich dann eine fünfjährige Zeit der Achterbahnfahrt an."
    Nach der Euphorie kam mehrere Monate später wieder eine schlimme Depression.
    "Zum Beispiel in den Depressionen geht das so weit, dass man Wahnvorstellungen hat, Verarmungswahn, Verschuldungswahn, dass man an dem ganzen Elend selber schuld ist und dann sieht man auch keinen Ausweg mehr, dann scheint praktisch das Beenden des Lebens die einzige Möglichkeit zu sein, dieser Hölle auf Erden ein Ende zu bereiten."
    Er ging zum Arzt, wurde aber – wie er heute weiß – mit den falschen Medikamenten behandelt. Daher geriet er wieder in eine Phase der Manie.
    "Der Umschlag, der konnte manchmal ganz schnell sein, dass man innerhalb von zwei, drei Tagen von der Depression nach oben oder umgekehrt nach unten abstürzte."
    Dann endlich, vor genau 17 Jahren, stellte ein Arzt schließlich die richtige Diagnose. Und er verschrieb ihm Lithium als Stimmungsstabilisierer. Tatsächlich brachte das für Hans-Peter die Wende.
    "Und ich kann sagen, dass Lithium auch anti-suizidal wirkt. Ich habe nie wieder solche Selbstmordgedanken gehabt wie in diesen fünf schrecklichen Jahren."
    Er sagt heute, drei Dinge hätten ihm geholfen: die Pychotherapie, dazu das richtige Medikament. Und schließlich: die Selbsthilfe. Seit elf Jahren leitet Hans-Peter eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit Bipolarer Störung.
    "Vorher fühlte ich mich immer so als Einzelkämpfer und dachte, ich bin der einzige, der diese Probleme hat, aber es gibt sehr sehr viele, die unter psychischen Krankheiten leiden."