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Reportage: Leben mit einem fremden Herzen

Nach der Geburt ihrer Tochter Julia vor 16 Jahren wurde Angelika Breuer schwer herzkrank, eine durch Schwangerschaft und Geburt ausgelöste Herzmuskelschwäche. Ihr Herz arbeitete nur noch zu 30 Prozent. Die einzige Chance weiterzuleben, war eine Transplantation. Die konnte ein halbes Jahr später an der Universitätsklinik Aachen durchgeführt werden. Das Spenderorgan stammte von einem gleichaltrigen Unfallopfer.

Von Barbara Weber | 27.01.2009
    "Im normalen Alltag merk ich eigentlich wenig davon...."

    Hildegard Breuer sitzt mit ihrem Mann Franz Werner in ihrer gemütlich eingerichteten Essecke in ihrem Einfamilienhaus, den Blick auf das großzügige Wohnzimmer und den sich anschließenden Wintergarten. Ihr Tagesablauf wird heute nur noch wenig von ihrer Erkrankung bestimmt:

    "Ich fang um acht Uhr an zu arbeiten, nachdem ich Julia zur Schule gefahren habe, also unsere Tochter... "

    Ihre Medikamente nimmt die Patientin dann immer um halb zehn...

    "Weil wir halt am Wochenende meistens länger schlafen, hab ich dann irgendwann gesagt, dann mache ich das lieber so, dass ich die Medikamente während der Arbeitszeit nehme, das ist kein großer Aufwand, und dann muss ich am Wochenende nicht um halb acht aufstehen, um die Tabletten zu nehmen."

    Alle zwölf Stunden muss Angelika Breuer die Tabletten nehmen. Sie unterdrücken das Immunsystem, so dass das transplantierte Herz nicht abgestoßen wird. Durch die Medikamente erhöht sich die Gefahr einer Infektion, weil das Immunsystem nicht mehr so gut arbeitet. Das führte die ersten Jahre im Familienalltag zu vielen Fragen:

    "Wie ist das, wenn jemand erkältet ist? Wie überträgt sich das ganze? Wo muss man drauf achten, wenn mal jemand, der sich die Nase geputzt hat, eine Türklinke angepackt hat? Diese ganzen Fragen, des alltäglichen Lebens, haben wir schon sehr stark überdacht und haben dann versucht, sehr, sehr vorsichtig zu sein.

    Das war insbesondere so, wenn Gäste zu Besuch waren, dass wir halt' immer wirklich panisch darauf geachtet haben, dass die Gäste und später auch Julias Freundinnen, immer ein eigenes Handtuch benutzt haben. Dann war natürlich auch die Zeit, die Kinderkrankheiten, das war für uns ein Riesenproblem, weil ich die Julia, wenn sie so eine Kinderkrankheit hatte, selbst ja gar nicht versorgen durfte, normalerweise, also nur mit Mundschutz an sie herangehen konnte, da hatten wir schon ziemlich schwierige Zeiten."

    Franz Werner Breuer kann sich noch gut erinnern, welche Unsicherheiten auftauchten, wenn die Familie im Restaurant gegessen hat:
    "Im Restaurant einen Salat essen - da war es immer so, dass Du sagtest, ne, darf ich nicht, also wenn ich den nicht selber gewaschen habe, und dann musste das Wasser, um den Salat zu waschen, noch ...aufbereitet werden, ...damit das Wasser auch keimfrei ist.

    Wenn wir Besuch hatten, wir hatten damals eine kleine Wohnung mit einer Toilette, und wenn der Besuch dann gegangen ist, dann haben wir als aller erstes Toilette, Türklinken, also alles desinfiziert, was Fremde angepackt haben, und da sind wir heute - ... Also ich putz jetzt so wie jede andere Frau, denke ich."

    Familie Breuer ist immer noch vorsichtig, aber nicht mehr panisch. Sie weiß, dass eine Grippe für Angelika Breuer gefährlich werden kann. Aber sie hat auch gelernt, mit dem neuen Herzen zu leben und dadurch ein Stück Lebensqualität wiedergewonnen:

    "Wir haben in der Zeit, wo wir so vorsichtig gelebt haben, auch Schwierigkeiten gehabt, unsere Freundschaften aufrecht zu erhalten. Unsere Freunde waren verunsichert, ganz oft haben die Verabredungen abgesagt, wenn sie ein bisschen Kratzen im Hals hatten, wobei sie wahrscheinlich gar nichts gravierendes hatten, aber alle Angst hatten, mich anzustecken, und dann wurden die Termine alle abgesagt, und heute ist das einfach schön, dass wir wieder mit Familie, Freunden, ganz normal zusammenleben können."