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Reportage Nesselsucht

Birgit Tesch leidet seit zehn Jahren an chronischer Nesselsucht. Sie berichtet von der Krankheit und ihren Versuchen, die Symptome mit Medikamenten einzudämmen.

Von Martin Winkelheide |
    "Das hat nach der Geburt meiner Tochter Marie-Christine angefangen. Die Kleine ist jetzt zehn geworden. "

    Universitäts-Hautklinik Köln. Die Ambulanz.

    "Ich leide also seit zehn Jahren unter Urtikaria."
    Birgit Tesch leidet an chronischer Nesselsucht.

    "Die letzten zwei Jahre ist es ganz schlimm, wo auch kein Medikament mehr hilft."
    Dr. Guido Siebenhaar ist ihr behandelnder Arzt.
    Siebenhaar: "Guten Tag Frau Tesch, wie hat sich denn Ihre Urtikaria oder auch Nesselsucht in den letzten Wochen verhalten, gibt es Probleme mit der Therapieeinstellung?"

    Tesch: "Es ist mehr oder weniger unverändert, ich habe jeden Tag Quaddeln, jeden Tag Rötungen, starken Juckreiz - auch in der Nacht. Das ist also geblieben. Die Medikamente sprechen nicht besonders gut an. Ich muss auch nachts oft raus. Kalt duschen eben oder die Füße kühlen, weil die Füße sehr stark betroffen sind, es ist im Momente wieder sehr unangenehm."

    Siebenhaar: "Kühlung ist auf jeden Fall eines der besten Mittel, den Juckreiz zu lindern. Des weiteren kann man auch fettende Hautpflege betreiben, weil auch wenn die Haut trocken ist, dann juckt sie auch mehr, als wenn sie gut geschmeidig ist und eingecremt wurde."

    Tesch: "Also, da werden wirklich die Nächte zu Tagen. Ich bügle nachts stundenlang, weil ich mich ablenken muss, damit ich wirklich nicht die Beine zerkratzen muss. Oder ich mache meine Steuererklärung nachts, meine Ablage nachts, wenn es ganz schlimm ist. Also, es ist teilweise unerträglich."
    Siebenhaar: "Bei den von uns am häufigsten verwendeten Medikamenten handelt es sich um antiallergische Medikationen, sprich Antihistaminika. Der eine spricht auf ein bestimmtes Präparat der einen Firma besser an als auf das Präparat der anderen Firma. Das muss man etwas probieren, und auch mit der Dosis etwas spielen. Da muss man teilweise etwas mehr als die zugelassene Dosis von einer Tablette am Tag anwenden. "

    Tesch: "Ich habe alle Medikamente, die es gibt, ausprobiert. Und der Erfolg ist im Moment: Null. "

    Siebenhaar: "Also zwei am Tag? Und darunter keine wesentliche Verbesserung?"

    Tesch: "Der Juckreiz lässt dann schon etwas nach. Aber die Quaddeln sind eigentlich immer da, die schwächen ab im Laufe des Tages aber kommen eben nachts verstärkt zurück. Die haben Sie auch immer woanders. Es ist nicht so, dass Sie die immer an den gleichen Stellen haben, sondern jeden Tag woanders. Wenn Sie morgens oder nachts aufwachen, können Sie ganz überrascht sein, dann haben Sie es mal an den Beinen, mal am Oberkörper, mal unter den Füßen, in den Händen. Wenn es ganz schlimm ist, dann haben Sie schon mal ein Auge zu geschwollen, weil Sie so eine Quaddel mitten auf dem Augenlid haben. Unter den Armen, den Ellenbogen, überall, und das wandert, man weiß nie, wo es gerade rauskommt am nächsten Tag. Ich hab ein Kind, ich hab einen Mann, ich bin berufstätig, das muss ja dann trotzdem weiter laufen, das ist manchmal sehr belastend, ja. "

    Siebenhaar: "Es gibt derzeit bei uns an der Uniklinik auch klinische Studien mit neuen Medikamenten, die man bei der Nesselsucht einsetzen kann. Das ist eine ganz ganz neue Therapie, die man bislang beim Asthma benutzt, und jetzt neuerdings in klinischen Studien zur chronischen Urtikaria."

    Tesch: "Ich werde jetzt noch zwei Wochen Medikamente nehmen, und in zwei Wochen geht es dann mit der Spritzerei los. Und wir hoffen beide, ganz besonders ich natürlich, dass das funktioniert. Dass es wirklich mal eine Linderung bringt oder auch dass man mal sagt, man hat gar nichts. Also ich hoffe sehr darauf, dass das hin haut. "