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Repressalien statt Reformen

Im Zuge des Arabischen Frühlings wurden die Proteste in Bahrain niedergeschlagen und viele Menschenrechtsaktivisten verhaftet, misshandelt und zu unverhältnismäßigen langen Haftstrafen verurteilt. Nach wie vor pflegt das Land eine repressive Politik.

Von Nader Alsarras |
    Alle Ohren und Handykameras sind heute Abend auf ihn gerichtet. Mohammad Almaskati hält einen Vortrag auf einer Veranstaltung von Jugendlichen aus der Protestbewegung in Nuwaiderat, einem Dorf südlich der Hauptstadt Manama. Etwa fünfzig junge Männer sind zum Vortrag gekommen. Der bekannte bahrainische Menschenrechtsaktivist berichtet von Folter, Misshandlungen und unfairen Gerichtsprozessen bei politischen Gefangenen. Der 26-Jährige muss sogar selbst fürchten, jederzeit ins Gefängnis zu kommen.

    "Ich stehe momentan wegen Teilnahme an einer illegalen Versammlung vor Gericht. Und das, weil ich in Manama friedlich demonstriert habe."

    Dabei ist Almaskati verhältnismäßig glimpflich davon gekommen - bisher jedenfalls. Viele andere, wie etwa Abdelhadi Alkhawaja, ein prominenter Menschenrechtsaktivist, sitzen längst im Gefängnis. Alkhawajas angebliches Verbrechen: Bildung einer Terrorgruppe, die den Sturz der Monarchie plante. Seine Haftstrafe: lebenslänglich. Almaskati, der das "Bahrain Jugendzentrum für Menschenrechte" leitet, sieht in solchen Gerichtsurteilen eine bewusste Einschüchterungsstrategie des Regimes:

    "Das Regime versucht durch Strafanzeigen die Aktivisten zu kontrollieren, sie ins Gefängnis zu stecken und ihre Arbeit zu verbieten. Vor allem weil diese Aktivisten eine wichtige Rolle gespielt haben, als sie Menschenrechtsverstöße des Regimes öffentlich gemacht haben."

    Bürger, die offen für den Schutz der Menschenrechte in Bahrain auftreten, stellt die Regierung unter Generalverdacht. In der Protestbewegung von 2011 sieht Regierungssprecherin Samira Rajab vor allem eine iranisch-schiitische Verschwörung. Teheran ziele darauf ab, die sunnitische Königsfamilie in Bahrain zu stürzen und ein islamistisches Mullah-Regime iranischer Prägung zu installieren. Behauptungen, Regimegegner und Menschenrechtsaktivisten säßen zu Unrecht im Gefängnis, weist die Regierungssprecherin entschieden zurück:

    "Die Opposition in Bahrain arbeitet völlig frei. Aber sie tritt überall auf der Welt gegen das Regime und gegen das Volk auf. Sie propagiert gefährliche Ansichten. Einige behaupten, sie säßen im Gefängnis wegen ihrer politischen Meinung. Das ist nicht wahr. Diese Leute mussten ins Gefängnis, weil sie daran arbeiteten, das System im Land zu stürzen."

    Doch während die Regierung alle Schuld von sich weist, fällt die Kritik internationaler Organisationen am kleinen Golfstaat umso deutlicher aus. Statt der empfohlenen Reformen steuere das Land in die Gegenrichtung. Es schränke sogar das Versammlungsrecht weiter ein, berichtet etwa die international renommierte Nicht-Regierungs-Organisation Human Rights Watch in einem vor kurzem erschienenen Sonderbericht zu Bahrain. Die Behörden würden mit aller Macht gegen jede Art von friedlicher politischer Aktivität vorgehen und alle Menschenrechtsorganisationen auflösen, die sich Kritik an der Regierung erlaubten.

    Sinnbildlich für diese "Politik der harten Hand" steht der ehemalige "Perlenplatz" mitten in der Hauptstadt Manama. Früher war dieser Ort mit dem bekannten Perlenmonument nicht nur ein Wahrzeichen der Stadt, sondern sogar des gesamten Landes. Vor zwei Jahren hatte die Stadt das Monument zerstören und den Platz, der zum Symbol der Protestbewegung geworden war, sperren lassen.

    Fünf Auto-Minuten westlich davon, in einem schicken Geschäftsviertel, residiert das Nationale Institut für Menschenrechte. Obwohl unter staatlicher Aufsicht, überwiegt hier ein differenzierter Ton. Anders als die Regierung sieht der stellvertretende Institutsleiter Abdullah Al-Derazi dringenden Handlungsbedarf. Seine Einrichtung ist eine offizielle Anlaufstelle für Bürger, die ihre Menschenrechte durch die Regierung verletzt sehen. Druckmittel auf die Regierung hat das Institut allerdings nicht.

    "Wenn es Kritik seitens internationaler Organisationen wie Human Rights Watch gibt, dann muss der Staat diese Kritik ernst nehmen und die Vorwürfe untersuchen. Und das fordern wir auch von ihm. Man sollte versuchen herauszufinden, ob diese Verstöße, ob Folter und Misshandlungen tatsächlich passiert sind und sofort mit den Ermittlungen anfangen."

    Auch was festgenommene Aktivisten betrifft, argumentiert Al-Derazi versöhnlicher. Die Urteile gegen Regime-Gegner seien nicht in Stein gemeißelt, sagt er. Vorstellbar sei, dass der König eine Generalamnestie für alle politischen Gefangenen erlässt, wenn das Land die Ereignisse von 2011 aufgearbeitet hat.

    Doch der vor zwei Jahren vom König initiierte "Nationale Dialog" zwischen Regierung und Opposition hat bisher nichts bewirkt. Deshalb glauben viele hier in Nuwaiderat nicht mehr an die damals versprochenen Reformen. Sie fordern radikalere Lösungen, so wie dieser junge Mann:

    "Das Regime muss weg, das ist die einzige Lösung. Denn es foltert, mordet und zerstört weiterhin Moscheen."

    Soweit will Mohammad Almaskati allerdings nicht gehen. Dem Menschenrechtsaktivisten ist die Staatsform egal, solange es nur ein demokratischer Rechtsstaat sei. Um das zu erreichen, bedarf es laut Almaskati allerdings größere Unterstützung von außen:

    "Wir möchten, dass westliche Staaten wie die EU und die USA mehr Druck auf die Machthaber in Bahrain ausüben. Wir fordern diese Länder dazu auf, ihren demokratischen Prinzipien, von denen sie immer sprechen, treu zu bleiben."

    Es ist spät geworden in Nuwaiderat. Nach Almaskatis Vortrag beten die Jugendlichen noch gemeinsam, anschließend gehen sie langsam auseinander und nach Hause. Morgen werden sie wieder auf der Straße sein, und dagegen protestieren, dass eine angeblich illegale, schiitische Moschee in ihrem Dorf zerstört werden soll. Für einige könnte dies aber zugleich der letzte Tag in Freiheit sein. Denn noch gilt die Regime-Doktrin: "Wer friedlich für seine Rechte demonstriert, gefährdet den gesamten Staat."