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Resistente Darmbakterien

Immer mehr Bakterien sind resistent gegen Antibiotika. Auch scheinbar harmlose Infektionskrankheiten sind dadurch schwieriger zu therapieren. Eine relativ neue Resistenzeigenschaft, die sich seit dem Jahr 2000 unter den Bakterien ausbreitet, ist die Bildung von ESBL. Solche ESBL-Bildner waren der Grund, warum 2011 in Bremen drei Frühgeborene gestorben sind.

Von Anna-Lena Dohrmann | 10.04.2013
    Bundesweit gibt es deshalb Forschungsprojekte, um herauszufinden, wo diese resistenten Keime herkommen und wie verbreitet sie sind.

    ESBL - das steht für "extended-spectrum beta-lactamases", also Breitspektrum-ß-Laktamasen. Das sind spezielle Enzyme, die es den Bakterien ermöglichen, ein ganzes Spektrum von Antibiotika wirkungslos zu machen. Keime, die ESBLs bilden können, sind also multiresistent. Vor allem Darmbakterien wie Escherichia coli zeigen immer häufiger diese Resistenz, so Elisabeth Meyer vom Institut für Umweltmedizin und Hygiene an der Charité in Berlin:

    "Mittlerweile haben wir Resistenzraten bei ganz gesunden Leuten von fast sieben Prozent. Und bei Patienten, die im Krankenhaus sind und eine Infektion haben mit diesen E.-coli-Bakterien, da sind die Resistenzraten höher, sie sind zum Teil bis 12, 13 Prozent. Also sie sind dramatisch angestiegen."

    Dass auch Gesunde resistente Keime in sich tragen, ist normal. Denn die Resistenz an sich macht einen Keim nicht krankheitserregend. E.-coli-Bakterien sind normalerweise nützliche Darmbewohner. Erst wenn sie es schaffen, den Darm zu verlassen, werden sie gefährlich, sagt Rasmus Leistner von der Charité:

    "Wenn ich mich jetzt aber infiziere, zum Beispiel über eine Wunde, die Bakterien kommen dann in die Wunde rein, dann hat eben der behandelnde Arzt nur noch sehr wenige Antibiotika zur Verfügung. Und wenn er die Information, dass es sich um eine Infektion mit einem resistenten Bakterium handelt, zu spät bekommt, kann es eben zu vermehrten Komplikationen führen."

    Bis der Arzt erfährt, mit welchem Keim er es zu tun hat, vergehen zwei bis drei Tage. Solange wird standardmäßig die Therapie mit einem der Antibiotika begonnen, gegen die ESBL-bildende Bakterien resistent sind. Wertvolle Zeit, in der das Immunsystem des Patienten weiter geschwächt wird. Erst wenn der Arzt weiß, dass es ein ESBL-Bildner ist, setzt er sogenannte Reserveantibiotika ein, so Elisabeth Meyer:

    "Wenn wir jetzt eine Infektion haben mit ESBL-E. coli, würde man jetzt in der Regel mit einem Carbapenem behandeln müssen, was wiederum viel breiter wirkt und was man halt deshalb auch aufsparen möchte, damit man nicht in der Folge wieder Bakterien raus selektioniert, also generiert, die dann auch noch gegen Carbapeneme resistent sind, ja? Also das ist so eine Art Teufelskreis."

    Denn jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Bildung von Resistenzen. In einem bundesweiten Projekt, dem sogenannten RESET-Verbund, versuchen Wissenschaftler jetzt herauszufinden, woher diese resistenten Keime kommen. Deshalb hat Meyer mit ihren Kollegen ESBL-bildende E. coli von Patienten mit einer Harnwegsinfektion genauer untersucht - und zwar nach ihrem genetischen Muster. Diese bisher unveröffentlichten Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die Herkunft der Bakterien, so Meyer:

    "Und was wir gefunden haben bei diesen Patienten mit einer Harnwegsinfektion von draußen, also die sie sich im Nicht-Krankenhausbereich erworben haben: Die hatten zu 50 Prozent CTX-M1-Stämme. Und CTX-M1-Stämme, die kommen wiederum sehr häufig auch bei Tieren vor, insbesondere bei Geflügel und bei Schweinen."

    Das legt nahe, dass diese resistenten Bakterien vom Tier auf den Menschen übertragen worden sind. Drei Wege sind dabei denkbar: direkter Tierkontakt, der Verzehr von rohem Fleisch oder mangelnde Hygiene bei der Zubereitung von Fleisch.

    Wie häufig resistente Erreger in verschiedenen Tierställen vorkommen, wollte der RESET-Forschungsverbund genauer wissen, sagt Rasmus Leistner:

    "Also im RESET-Forschungsverbund haben unsere Kollegen von der Veterinärmedizin hier aus Berlin festgestellt, dass auf Hühnern und auf Schweinen es vermehrt zur Kolonisation mit ESBL-positiven Bakterien kommt. Und man hat eben festgestellt, dass etwa 70 bis 80 Prozent der Hühnchen mit ESBL-bildenden Bakterien kolonisiert sind und etwa 50 bis 60 Prozent der Schweine."

    Diese hohen Besiedlungsraten sind wahrscheinlich auch auf den massenhaften Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zurückzuführen. Deshalb ist mittlerweile die Politik alarmiert: Eine geplante Änderung des Arzneimittelgesetzes soll den Antibiotikaverbrauch in der Tierhaltung senken und die Verwendung bestimmter, für die Humanmedizin wichtiger Antibiotika in Tierställen sogar komplett verbieten.