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Resistente Keime auf dem Vormarsch

Antibiotika werden bei den meisten Infektionskrankheiten verschrieben. Immer öfter schlagen die Medikamente jedoch nicht mehr an – es haben sich Resistenzen gebildet. Diese können auch durch den Verzehr von Tierprodukten ausgelöst werden, wenn die Tiere vorher mit Antibiotika behandelt wurden.

Von Anna-Lena Dohrmann | 02.04.2013
    Wer mit einer bakteriellen Infektion – zum Beispiel einer Lungenentzündung – zum Arzt geht, der bekommt erst einmal ein Antibiotikum verschrieben. Doch immer häufiger hilft die Therapie nicht mehr, so Professor Arne Rodloff, Leiter des Institutes für Medizinische Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie der Uniklinik Leipzig:

    "Die Bakterien haben eine Generationszeit von etwa 30 Minuten. Das bedeutet, dass sie sich sehr schnell auf Umweltgegebenheiten einstellen können. Wenn sie gestresst werden durch Antibiotika, können sie durch Mutationen Veränderungen erfahren, die es Ihnen erlaubt, mit dem Antibiotikum umzugehen."

    Das heißt, sie wirkungslos zu machen. Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Entstehung von Resistenzen – und zwar sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin. Die moderne Massentierhaltung führt da zwangsläufig zu einem Problem, erklärt Professor Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstitutes für Risikobewertung:

    "Das ist in der Tierhaltung insofern problematisch, als dass dann sehr häufig nicht Einzeltiere behandelt werden, sondern ganz viele Tiere. Die haben alle einen Selektionsdruck auf die krank machenden Bakterien durch das Antibiotikum. Und da ist es natürlich auch klar, dass das wirkt wie in einem Bioreaktor. Einfach die schiere Zahl der Individuen, die dann behandelt werden durch so ein Antibiotikum, führt dann eben auch dazu, dass alleine schon statistisch die Zahl der Resistenzen zunehmen kann."

    Die Tiere leben oft auf so engem Raum, dass ein krankes Tier schnell die anderen ansteckt. Deshalb wird prophylaktisch die gesamte Herde behandelt. Außerdem bekommen Tiere in großen Mastbetrieben die Antibiotika häufig zum Beispiel über das Trinkwasser oder Futter. Eine genaue Dosierung ist somit unmöglich. Das ist ein Problem, betont Rodloff:

    "Das bedeutet, dass häufig Unterdosierungen im Tier eine Rolle spielen und diese Unterdosierungen sind gerade Anlass für die Resistenzbildungen von Bakterien."

    Denn wenn die Menge nicht reicht, um das Bakterium abzutöten oder an der Vermehrung zu hindern, hat es sehr wahrscheinlich Mechanismen entwickelt, sich zu wehren. Frei nach dem Motto: Was mich nicht tötet, härtet mich ab. Vor allem in Hähnchenmastbetrieben sind die Resistenzraten besorgniserregend: Über 80 Prozent bestimmter Bakterien sind resistent gegen ein oder mehrere Antibiotika.

    Diese resistenten Keime können auf den Menschen übertragen werden, zum einen durch direkten Tierkontakt und zum anderen über das Fleisch als Lebensmittel. Hier spielt auch die Hygiene in der Küche eine Rolle, sagt Hensel:

    "Es gibt Hinweise darauf, dass ganz bestimmte Antibiotikaresistenzen durchaus vom Lebensmittel liefernden Tier kommen können. Insbesondere bei Enterobakteriazeen, also bei Darmbewohnern, ist das der Fall. Und hier finden wir ganz bestimmte mobile genetische Elemente, die sowohl beim Menschen als auch beim Tier nachgewiesen werden können."

    Auf diesen mobilen genetischen Elementen, den sogenannten Plasmiden, ist die Resistenzeigenschaft gespeichert. Das Gefährliche ist, dass sie auch zwischen verschiedenen Bakterienarten ausgetauscht werden können. Somit breiten sich Resistenzen sehr schnell aus. Doch nicht jeder resistente Erreger muss gefährlich sein.

    Rodloff: "Allein die Resistenz führt nicht dazu, dass ein Erreger nun eine Infektion hervorruft."

    Wir sind also durchaus in der Lage, auch im Darm resistente Darmbakterien zu tragen, ohne dass uns das in irgendeiner Weise anficht. Mittlerweile müssen wir davon ausgehen, dass viele Menschen den einen oder anderen resistenten Erreger in sich tragen, ohne das zu wissen.

    Erst wenn die Bakterien beispielsweise den Darm verlassen und in die Harnröhre gelangen, kommt es zur Infektion. Und die ist dann schwieriger zu therapieren.
    Deshalb wollen Politiker Antibiotika, die besonders wichtig sind für die Humanmedizin, in der Tierhaltung verbieten. Doch nicht nur die Tierhaltung führt zu Resistenzen. Ein Großteil entsteht durch die Humanmedizin: Egal ob zu schneller Antibiotikaeinsatz, eine inkonsequente Einnahme oder mangelnde Krankenhaushygiene – auch hier gibt es viel zu tun.