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Resistente Keime im Stall

30 bis 40 Prozent aller resistenten Erreger, die auch der Humanmedizin zu schaffen machen, sollen aus der Tiermast kommen. Wie gehen die Tiermäster mit Antibiotika um? Und wie kann die Gefahr einer zunehmenden Resistenz schon im Stall gebannt werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt einer Tagung, die nun in Hannover stattfand.

Von Michael Engel | 06.02.2012
    Ein Fall für Dr. Rüdiger Schmidt. Ein Landwirt aus der Wedemark bei Hannover hatte den Tiermediziner gerufen. Eine seiner zwölf Kühe leidet an einer Euterentzündung. Nach der Behandlung mit Antibiotika folgt eine langwierige Dokumentation. Alles muss genau notiert werden.

    "... das entsprechend angewandte Medikament. Die angewandte Menge. Die Chargennummer des Medikamentes. Die Dosierung pro Tier und Tag. Die Dauer der Anwendung, die Wartezeit und wann das Tier geschlachtet werden könnte, wenn es denn soweit ist."

    Die "Bestandsdokumentation" ist Pflicht für Tierärzte und Landwirte. Doch weder die Schlachterei noch die Aufsichtsbehörden verfügen über einen umfassenden Überblick über den Einsatz von Antibiotika über die Stallgrenzen hinaus. Das Forschungsprojekt VetCAB – "Veterinäry Consumption of Antibiotics" - soll hier erstmals einen Überblick geben, so Dr. Roswitha Merle von der Tierärztlichen Hochschule Hannover:

    "Und dabei wollen wir ein repräsentatives Bild für ganz Deutschland erstellen, so dass wir sagen können, jedes Schwein wird im Durchschnitt so und so oft im Jahr behandelt zum Beispiel. Und hoffen, dass wir dann im Laufe des Jahres unsere Daten haben und nächstes Jahr dann die Ergebnisse veröffentlichen können."

    Statistisch gesehen wird ein Mastschwein im Laufe seines Lebens an 5,4 Tagen mit Antibiotika behandelt, so ein erstes Ergebnis. Ob dies mehr ist im Vergleich zu früher, lässt sich nicht sagen, denn wissenschaftliche Untersuchungen laufen jetzt erst an. Dass der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast extrem stark von der Art der Tiere abhängt, belegt eine aktuelle Studie des Landes Nordrhein-Westfalen. Dr. Arno Piontkowski vom Verbraucherschutzministerium:

    "Im Ergebnis haben von den insgesamt etwa 15,2 Millionen Hähnchen, die von diesen Bescheinigungen erfasst waren, 96,4 Prozent Hähnchen mindestens einmal in ihrem relativ kurzen Leben Kontakt mit Antibiotika gehabt."

    Überall dort, wo Antibiotika verwendet werden, können sich resistente Erregerstämme bilden, die dann zum Beispiel über das Fleisch der geschlachteten Tiere zum Verbraucher gelangen. Mit dem Forschungsverbund "RESET" will sich das Bundesforschungsministerium nun erstmals einen Überblick darüber verschaffen, in welchem Maße sich resistente Erreger in den Ställen bereits gebildet haben. 58 Betriebe, so Prof. Lothar Kreienbrock, Leiter des Instituts für Biometrie der Tierärztlichen Hochschule Hannover, wurden bereits untersucht.

    "Wir haben vor, insgesamt 200 Betriebe deutschlandweit zu besuchen und dort Proben zu ziehen und verschiedene Untersuchungen durchzuführen. Bei den bislang besuchten Betrieben haben wir in einem Bereich der Schweinehaltung, der Rinderhaltung und der Geflügelhaltung erste Ergebnisse erzielt. So dass beispielsweise 60 Prozent der Rinderhalter einen positiven Befund hatten – also der rinderhaltenden Betriebe. Im Bereich der Geflügelhaltung waren alle Betriebe betroffen. Wobei also die Anzahl der besuchten Betriebe zur Zeit noch vergleichsweise gering ist."

    Bringt man die Daten aus Nordrhein-Westfalen und die der Tierärztlichen Hochschule Hannover zusammen, ergibt sich ein erschreckendes Bild. Nahezu alle Schlachthähnchen werden mit Antibiotika behandelt. In allen untersuchten Mastbetrieben mit Geflügel treten resistente Keime auf. Das Bundesinstitut für Risikobewertung – Mitglied im Forschungsverbund RESET – will aus der Datenlage neue Strategien im Kampf gegen resistente Keime entwickeln. Dr. Annemarie Käsbohrer:

    "Die zentrale Möglichkeit, um den Antibiotika-Einsatz zu reduzieren, ist, alle Maßnahmen zu ergreifen, die die Tiergesundheit sichern. Das bedeutet Haltungsbedingungen verbessern. Impfprogramme sind hier in der Diskussion. Also es gibt einen ganzen Strauss von Maßnahmen, den man ergreifen kann. Und es gibt gute Beispiele, dass dann auch in solchen Betrieben sehr reduziert nur Antibiotika eingesetzt werden müssen."