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Resistenzbildung durch Agrar-Fungizide

Aspergillosen sind Atemwegsinfektionen, die für Patienten mit geschwächtem Immunsystem lebensbedrohlich werden können. Mittlerweile entwickeln diese Infektionen Resistenzen gegen ein wichtiges Medikament. Es besteht der Verdacht, dass die Verwendung von strukturell ähnlichen Fungiziden in der Landwirtschaft dafür verantwortlich sein könnte.

Von Volker Mrasek | 30.04.2013
    David Denning ist Professor für Medizin an der Universitätsklinik von Süd-Manchester in England und forscht schon lange über Atemwegsinfektionen durch Pilzsporen. Denning hat auch an dem neuen Report über Aspergillus mitgearbeitet, den Gießkannenschimmel. Er ist praktisch überall in der Umwelt verbreitet.

    "Der Report des Europäischen Zentrums für Krankheitsprävention und -kontrolle ist ein Weckruf für alle! Wir müssen unbedingt Konzepte entwickeln, um mit dem Problem richtig umzugehen, und es ernster nehmen als bisher."

    Das Problem, das Denning auf den Nägeln brennt, und nicht nur ihm: Bei Aspergillen treten inzwischen europaweit Resistenzen auf. Und zwar gegen Triazole. Das sind die wichtigsten Arzneiwirkstoffe zur Bekämpfung von Infektionen mit dem Gießkannenschimmel. Triazole werden aber auch in der Landwirtschaft eingesetzt, als Pflanzenschutzmittel, und das üppig. Deshalb besteht der begründete Verdacht, dass Aspergillen ihre Resistenzen gegen Triazole in der Umwelt erwerben – eben weil sie mit ihnen auch auf Agrarflächen ständig in Kontakt kommen.

    "Die strukturelle Ähnlichkeit zwischen neueren Triazolen in der Landwirtschaft und denen zur Behandlung von Patienten ist sehr groß. Fünf dieser Pflanzenschutzmittel stehen besonders im Verdacht, Resistenzen auszulösen – auf dem Feld und im Getreidelager, wo auch Aspergillen vorkommen und den Triazolen dann ausgesetzt sind."

    Bewiesen ist das alles noch nicht. Doch es gibt triftige Gründe, anzunehmen, dass Pflanzenschutzmittel Resistenzen gegen Triazole beim Gießkannenschimmel auslösen. So fand man resistente Aspergillen auch schon bei Leuten, die nie mit einem Triazol behandelt wurden. Der Pharmazeut Dominique Monnet vom Europäischen Zentrum für Krankheitsprävention und -kontrolle nennt ein weiteres stichhaltiges Argument:

    "Es gibt unterschiedliche Resistenz-Mechanismen. Aspergillen in Patienten, die Triazole bekommen haben, weisen eine andere genetische Mutation auf als Aspergillen in unbehandelten Personen. Bei ihnen muss die Resistenz also eine andere Ursache haben."

    Vor allem in den Niederlanden wurde diese andere Form der Mutation gehäuft bei Klinikpatienten nachgewiesen. Auch das stützt die These, dass ein Zusammenhang besteht zwischen dem Gebrauch von Triazolen in der Landwirtschaft und Aspergillen, die resistent geworden sind.

    Es gibt Menschen, für die ist eine Schimmelpilz-Infektion grundsätzlich lebensbedrohlich. Gefährdet ist zum Beispiel, wer an Leukämie leidet, wer ein neues Organ erhalten hat oder wer auf der Intensivstation liegt. Bei diesen Patienten kommt es schnell zur sogenannten invasiven Aspergillose. Diese äußerst kritische Form der Infektion tritt jedes Jahr mehr als 60.000 Mal in Europa auf, wie David Denning und die anderen Experten in ihrem Report hochrechnen:

    "Unbehandelt verläuft diese Infektion immer tödlich. Selbst von den Patienten, die behandelt werden, sterben 30 bis 50 Prozent. Invasive Aspergillose führt zu Lungenentzündungen. Manchmal breitet sich die Infektion auch in das Gehirn oder ins Herz aus."

    Mittel der Wahl gegen die schwere Verlaufsform ist ein Medikament namens Voriconazol. Laut David Denning hat es die höchsten Erfolgsquoten. Doch auch gegen dieses Triazol sind Aspergillen zum Teil schon resistent. Es wäre fatal, wenn ein solches Präparat seine Wirksamkeit verlöre, sagt der englische Mediziner:

    "Viel mehr Patienten würden sterben, und es wären längere Krankenhausaufenthalte nötig. Außerdem muss man die Triazole nicht spritzen, man kann sie oral verabreichen. Deswegen werden sie auch bei anderen Pilzinfektionen eingesetzt – zum Beispiel bei allergischer Aspergillose. Sie tritt unter anderem bei Patienten mit Asthma auf. Verlieren wir diese Medikamente, weil sich Resistenzen unter den Schimmelpilzen stark verbreiten, hätte das wirklich fatale Auswirkungen auf die medizinische Versorgung."

    In ihrem neuen Report empfehlen die Experten nun umgehend geeignete Freiland- und Laborstudien. Um definitiv zu klären, ob wirklich stimmt, was sie vermuten: dass die Triazole aus der Landwirtschaft das Resistenzproblem verschärfen. Sollte sich das bestätigen, müsste man sicher über alternative Pflanzenschutzmittel nachdenken.