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Reste von Kneipen in der Südkurve

Neuen Ausgrabungen in der Nähe des Circus Maximus zufolge waren große Teile der antiken Innenstadt Roms einst ein Vergnügungsviertel. Die Stadtverwaltung will nun Geld für weitere Grabungen zur Verfügung stellen. Archäologen sind skeptisch, ob sie ihre Versprechen einhält.

Von Thomas Migge | 09.02.2011
    Von der stark befahrenen Via del Circo Massimo aus hat der Rombesucher einen umwerfenden Blick auf den Palatinhügel mit seinen grandiosen Ruinen römischer Kaiserpaläste. Unterhalb des Palatin breitet sich eine rund 700 Meter lange und cirka 120 Meter kahle Fläche aus - spärlich mit Gras bewachsen und mit Müll übersät. Nur rechter Hand dieser Freifläche, in der Nähe des riesigen Gebäudes der Welternährungsorganisation FAO, erheben sich Ruinen aus dem Erdreich. Hier gräbt auch der römische Archäologe Daniele Petrella:

    "Man muss sich immer vor Augen halten, dass diese Freifläche hier einmal die größte Pferderennbahn der gesamte Antike war. Hier fanden rund 150.000 Zuschauer Platz. Ein immenses Gebäude, mit einstmals bis zu 20 Meter hohen Sitzreihen und prächtigen Bogengängen, die die gesamte Arena umschlossen. Das ist eines der beeindruckendsten staatlichen Kulturgüter überhaupt."

    Dumm ist nur, dass man nicht viel sehen kann von der einstigen Arena. Der größte Teil des Bauwerks wurde mit den Jahrhunderten abgetragen, um mit den Materialien andere Gebäude zu errichten. Nur in der sogenannten Südkurve finden sich noch antike Reste. Erstaunliche Reste, wie die Archäologen nach einer mehrere Jahre dauernden Grabungsphase jetzt verkünden. Daniele Petrella:

    "Die Funde sind so wichtig, dass wir jeden Tag hier graben, denn jetzt endlich erschließen sich uns wesentliche Hintergründe des Lebens dieses Gebäudes. Wir machten Funde, die uns Auskunft darüber geben, wie es hier damals zuging. Unglaublich aber wahr: Die Stadtverwaltung erhört in diesem Fall unsere Wünsche."

    Bei den jüngsten Grabungen wurden die Reste von "tabernae" entdeckt, man würde heute sagen: von Kneipen. Kneipen und andere Vergnügungsstätten, die, so die Archäologen, die Vermutung zulassen, dass die gesamte Arena von Lokalen umgeben war. Vor allem aber die Südkurve. Dort, wo sich die Fans der einzelnen Pferderennfahrer trafen und ihre Siege feierten.

    An den Grabungen ist auch der Archäologe Claudio Siti beteiligt:

    "Wir fanden hier antike Münzen, wie man sie damals in Kneipen ausgab, Reste von Bodenbelägen mit Geschäften unter den einstmals hier errichteten Bogengängen, Reste der Kloake von Kaiser Vespasian. Hier muss es ziemlich hoch hergegangen sein! Hier gibt es noch viel zu erforschen."

    Und so will die Stadtverwaltung Finanzmittel für weitere Grabungen bereitstellen. Es ist sogar die Rede von einem zukünftigen Circus-Maximus-Museum. Ein Sprecher des fußballbegeisterten Bürgermeisters meinte: "Diese Pferderennen waren ja so beliebt wie heute der Fußball, und so wollen wir hier natürlich in weitere Grabungen investieren."

    Eigentlich sollten sich die Archäologen angesichts solcher Versprechungen freuen. Doch sie sind skeptisch. Zum einen angesichts der ganz generell chaotischen Situation im Denkmalschutz: Da brechen antike Gebäude in Pompeji zusammen, weil dringend notwendige Arbeiten aus Geldmangel nicht durchgeführt werden können. Und zum anderen weil nicht auszuschließen ist, dass wiederentdeckte archäologische Funde wieder mit Erdreich zugekippt werden!

    Wie vor wenigen Jahren in der Hadriansvilla bei Tivoli. Dort hatte man die Eingangstreppe dieses Prachtbaus wieder entdeckt. Ein Sensationsfund, der durch die internationalen Medien ging. Doch nach der fotografischen Erfassung der Grabungsstelle kippte man sie wieder mit Erdreich zu. Die Kulturpolitiker hatten kein Geld für weitere Forschungen. Ein Schicksal, das auch die Grabungen im Circus Maximus ereilen könnte - vor allem angesichts noch geheimer, aber durch die Tageszeitung "la Repubblica" bekannt gewordener Dokumente, die seit Tagen im Rathaus zirkulieren und denen zufolge die gesamten römischen Kulturausgaben um satte 50 Prozent gekürzt werden sollen.