Donnerstag, 18. April 2024

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Retrospektive im Grand Palais
Frantisek Kupkas kosmischer Frühling in Paris

"Ich habe eine vollkommen neue Malerei geschaffen", sagte Frantisek Kupka über seine Kunst. Der tschechische Künstler, 1871 in Böhmen geboren, war ein "Pionier der Abstraktion". So heißt jetzt auch eine große Kupka-Retrospektive im Pariser Grand Palais.

Von Kathrin Hondl | 20.03.2018
    Eine Frau betrachtet das Gemälde "Amorpha, Fuge in zwei Farben" von Frantisek Kupka in einer Ausstellung 2012 in Prag.
    Gemälde von Frantisek Kupka in einer Ausstellung der Nationalgalerie in Prag 2012. (imago stock&people)
    "Ich glaube, dass ich etwas finden werde, das zwischen Sichtbarem und Hörbarem liegt", schrieb Frantisek Kupka einmal, "eine Figur aus Farben, wie Bach sie aus Tönen geschaffen hat." Dass ihm das auch gelang, demonstriert das berühmte Bild "Amorpha. Fuge in zwei Farben". Kupka präsentierte es beim Pariser Herbstsalon 1912.
    Pionier der Abstraktion
    Vielen gilt es als das erste nicht gegenständliche Bild der Kunstgeschichte: eine Komposition blauer und roter Farbflächen, ornamental kreisförmig ineinander verschlungen. Pure Abstraktion, musikalische Malerei.
    "Bach war für ihn sehr, sehr wichtig. Aber er hat immer gesagt: Musik ist nichts anderes für uns, also für die bildenden Künstler, als eine Metapher. Wir können uns inspirieren in einem gewissen Sinne, aber wir haben unsere Mittel. Die Musik hat ihre Mittel, der Tanz hat seine Mittel. Das ist für uns nur eine Metapher, und genau dasselbe hat er von den Wissenschaften gesagt. Man kann sich inspirieren am Mikroskop, am Teleskop, aber das muss durch den Kopf des Künstlers gehen. Und der Künstler muss es bearbeiten und dann ein Kunstwerk schaffen."
    Markéta Theinhardt ist eine der drei Kuratorinnen der Pariser Ausstellung. Gegenüber von "Amorpha. Fuge in zwei Farben" hat sie eines der zahlreichen Vorbilder gehängt - "Die Scheiben des Newton. Studie für die Fuge in zwei Farben". Die optischen Farbstudien von Isaac Newton inspirierten Kupka sichtbar zu seinen Bildkompositionen. Es gab aber noch ein anderes, ganz und gar nicht abstraktes Vorbild der berühmten "Fuge".
    Kunst kann nur konkret sein
    Im Grand Palais hängt es einige Säle weiter vorne im Ausstellungsparcours: Ein Mädchen, Kupkas Stieftochter, nackt im Sonnenlicht auf einer Wiese, mit einem rot-blauen Ball in der rechten Hand. Genau diesen Ball versuchte er später in Bewegung darzustellen – das Ergebnis war "Amorpha. Fuge in zwei Farben."
    "Abstrakt heißt nicht das, was wir gesehen haben. Er selber hat das nicht gewollt. Er meinte eher, die Kunst kann nie abstrakt sein. Sie kann nur konkret sein. Konkrete Kunst. Er mochte auch den Begriff des Konstruktivismus, weil es etwas aus erfundenen Elementen konstruiertes ist."
    Kupka erfand sich und seine Kunst immer wieder neu. Die klug chronologisch gehängte Retrospektive im Grand Palais zeigt das mit mehr als 300 Werken.
    Arbeit mit Licht und Bewegung
    Schon der Prolog nimmt die Vielgesichtigkeit des Künstlers sehr schön vorweg: Nebeneinander hängen da zwei Porträts von Madame Kupka. Links aus einer Pariser Privatsammlung ein impressionistisch wirkendes Gemälde, figurativ, in gedämpften Blau- und Grüntönen. Rechts ein Farbenmeer aus dem New Yorker MoMA: "Madame Kupka zwischen Vertikalen", nur noch ein kleiner Gesichtsausschnitt ist zu erkennen inmitten von senkrechten Balken in kräftigem Rot, Blau, Orange und Grün.
    Umfassende Werkschau
    Von frühen Illustrationen und Karikaturen für Zeitschriften bis zur konkreten Kunst der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bietet die Pariser Ausstellung eine umfassende Werkschau und macht deutlich: Kupka war ein Solitär und gleichzeitig im regen Austausch mit den Ismen der Avantgarden: Symbolismus, Impressionismus, Fauvismus, Futurismus, Kubismus, Orphismus sind sichtbar in seinen Bildkompositionen. Dazu immer wieder spirituelle, esoterische Gedanken und Ideen, die den Theosophen Kupka sein Leben lang begleiteten. Zum Beispiel in den großartigen Gemälden eines "Kosmischen Frühlings", die unseren real existierenden winterlichen Frühlingsanfang hinreißend erhellen und erwärmen.