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Retter des Rock

Als Schlagzeuger von Nirvana und Chef der Foo Fighters hat Dave Grohl Rockgeschichte geschrieben und Millionen von Tonträgern verkauft. Jetzt hat er die Doku "Sound City" über ein Studio in Los Angeles gedreht und will mit dem gleichnamigen Projekt die Jugend zu Gründung neuer Bands mobilisieren.

Von Marcel Anders | 09.03.2013
    "Einer der Gründe, warum ich den Film gedreht habe, ist, weil Studios wie Sound City für mich wie Museen, Kirchen oder Kathedralen waren. Und sie einfach verschwinden zu sehen, ist traurig. Ich meine, ginge es darum, das Haus von George Washington in Mount Vernon abzureißen – oh mein Gott, dann gäbe es Proteststürme. Warum ist das bei Sound City nicht genauso? Schließlich wurde die Welt durch diesen Raum verändert. Und ohne ihn wäre ich wahrscheinlich gar nicht hier. Von daher war es meine persönliche Mission, diesen Film zu drehen."

    Als Andenken an ein Studio, in dem Grohl 1991 einst "Nevermind", das Grunge-Manifest von Nirvana, aufgenommen hat. Und in dem 40 Jahre lang ein Klassiker nach dem anderen entstand: "Rumors" von Fleetwood Mac, "After The Gold Rush" von Neil Young, "Damn The Torpedos" von Tom Petty, "Unchained" von Johnny Cash, und, und, und.

    Alles in einer alten Lagerhalle nördlich von Hollywood, die laut Grohl einen Wahnsinnsklang besaß. Und bis zu ihrem finanziellen Kollaps im Mai 2011 eine echte Rarität vorzuweisen hatte: Ein maßgefertigtes Neve-Mischpult – das Kronjuwel analoger Studiotechnik.

    "Es gibt mehrere Mischpulte im Großraum Los Angeles, die als legendär gelten. Aber das Pult von Sound City hatte eine eigene Persönlichkeit. Einfach, weil es in dieser dreckigen alten Halle stand, in der nie etwas verändert wurde - nicht mal die Teppiche an den Wänden. Und es klang umwerfend. Weshalb Sound City auch nie auf Digitaltechnik umgestiegen ist. Dort wurde mit Bandmaschine gearbeitet. Und es wäre niemand auf die Idee gekommen, da ein Daft-Punk-Album aufzunehmen. Man ist da hin, um es krachen zu lassen. Was meiner Persönlichkeit entspricht."

    Doch "Sound City - der Film" ist mehr als eine cineastische Liebeserklärung. Grohl nutzt das Ganze als Vehikel für einen missionarischen Ansatz. In dem er handgemachte Musik als etwas Aufregendes, mitunter Mystisches verkauft, will er eine Generation erreichen, die sich eher für Computerspiele interessiert als für ehrlichen, erdigen Rock.

    Der führt er vor Augen, was sie verpasst. Quasi um, sie anzufixen und eine Kettenreaktion auszulösen. Denn neue Bands würden auch die Industrie, die nur noch digitale Klänge vermarktet, zum Umdenken zwingen. Und die Zukunft von Studios, Fachgeschäften und Musikern sichern.

    "Die Foo Fighters sind nicht die größte Band der Welt. Und ich bin nicht der beste Songwriter. Aber ich habe das Gefühl, dass es wichtig ist, die Jugend wachzurütteln und zu sagen: Ich will, dass ihr dasselbe fühlt wie ich, als ich 16 war und die Bad Brains erlebt habe. Denn das war eine der besten Liveshows aller Zeiten. Eben, als ob ich Gott gesehen hätte. Die Energie in dem Raum war unglaublich. Und dieses Erlebnis würde ich gerne mit anderen teilen."

    In seinem Eifer ist Grohl kaum zu stoppen: Er tritt bei Filmfestspielen auf, bietet sein Regiedebüt zum günstigen Download auf seiner Homepage an und legt zudem einen ambitionierten Soundtrack vor. Mit elf Songs, die an besagtem Neve-Pult entstanden und auf spontanen Sessions mit einem regelrechten "Who is who" der Rockmusik basieren: Stevie Nicks, Trent Reznor, Joshua Homme, Sir Paul McCartney sowie Mitglieder von Nirvana, Rage Against The Machine, Fear, Cheap Trick und vielen anderen.

    "Die Idee mit den Songs zum Sound-City-Film ist die: Wir reden über die Geschichte des Studios und über die Platten, die da gemacht wurden - mit den Musikern, die dort gearbeitet haben. Es geht also um Gefühl und kreativen Austausch. Was wir auch am Ende des Films und auf dem Album demonstrieren - weil das mehr sagt als alle Worte. Ich meine, wenn du Paul McCartney mit den Jungs von Nirvana erlebst, wie sie in zwei Stunden einen Song aufnehmen, dann lässt sich das nicht erklären. Aber man kann es hören. Es war ein magischer Moment."

    Und magische Momente, davon will uns der 44-Jährige in den nächsten Monaten noch mehr bescheren. Sei es als Interimsschlagzeuger der Queens Of The Stone Age, mit einem neuen Tonträger der Foo Fighters oder einer Kollaboration, von der er schon ewig träumt.

    "Ich will ein Album mit meinen Kindern machen. Das wäre ein Riesenspaß. Denn sie stehen auf Vinyl! Ich habe ihnen einen Plattenspieler und das Boxset der Beatles besorgt. Weshalb sie den ganzen Tag Magical Mystery Tour und das White Album hören. Sie legen die Platten auf und tanzen dazu. Und wenn ich sie dabei beobachte, denke ich: Oh mein Gott - sie sind genau wie ich. Und das zeigt: Die Technik hat sich verändert. Die Art, wie Leute Musik hören, auch. Aber wir sind immer noch die gleichen Menschen. Also: Gebt einer Sechsjährigen einen Plattenspieler und die Beatlesalben, und binnen einer Stunde wird sie genau dasselbe tun, wie wir in dem Alter. Was einfach toll ist."