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Rettungsanker EADS

Am Samstag trifft Bundeskanzlerin Merkel den französischen Präsidenten Hollande in Ludwigsburg. Ganz oben auf der Themenliste: Die geplante Fusion des EADS-Konzern mit der britischen BAE Systems. Doch das Fusionsprojekt findet in Großbritannien nicht nur Befürworter.

Von Jochen Spengler | 20.09.2012
    BAE Systems ist Großbritanniens größter produzierender Arbeitgeber und Europas mächtigster Rüstungskonzern. In seinen 50 britischen Niederlassungen beschäftigt er 35.000 Arbeitnehmer. Er ist Hauptauftragnehmer des Londoner Verteidigungsministeriums und liefert Tornados, Drohnen und Kriegsschiffe. Zwar hatte BAE erst im Mai einen 400-Milliarden-Euro Auftrag erhalten, um die nächste Generation der nuklear bestückten Trident-U-Boote zu entwickeln; dennoch gehen die Geschäfte schlecht, schrumpfen Umsatz und Gewinn seit Jahren wegen der Kürzungen in den Verteidigungsetats. Vor den Fusionsplänen mit EADS hatte sich BAE ebenso verzweifelt wie vergeblich um einen Zusammenschluss mit dem Triebwerkhersteller Rolls-Royce bemüht.

    "Die Wahrheit ist doch, das BAE schon Personal entlassen musste. Zehntausende sind arbeitslos geworden, weil es in einem Markt agiert, der schrumpft: im Verteidigungsmarkt. Wenn sich BAE jetzt mit EADS zusammentut, dann bekommt es ein Fundament im zivilen Flugzeugmarkt, nicht zuletzt durch Airbus."

    Ex-Verteidigungsminister Lord Reid glaubt deswegen, dass eine Fusion im nationalen Interesse Großbritannien liege; noch aber ist unklar, ob dies auch Premierminister David Cameron so sieht. Für die Zustimmung wird die Regierung ihrer Majestät Garantien verlangen: für die Standorte, die Arbeitsplätze und das atomare Abschreckungsprogramm. Was etwa wird aus der Goldenen Aktie, die besagt, dass der BAE-Chef immer ein Brite sein muss und die Regierung ein Veto gegen eine feindliche Übernahme besitzt?

    Der formell zuständige Wirtschaftsminister Vince Cable muss darauf achten, dass BAE auch künftig die britischen Rüstungsanforderungen bedient; außerdem wird er darauf dringen, die US-Interessen zu berücksichtigen - würde BAE durch die Fusion ein europäischeres Unternehmen, bestünde die Gefahr, dass die USA aus Angst vor Technologieverrat ihre Rüstungsaufträge zurückfahren, die derzeit rund 40 Prozent des BAE-Umsatzes von 24 Milliarden Euro ausmachen.
    Die special relationship zu den USA steht auf der Kippe, warnt der frühere Oberbefehlshaber der Royal Navy Admiral Lord West. Und vor allem konservative Abgeordnete machen Stimmung gegen den Deal, nicht nur weil Sie einen zu starken Einfluss Deutschlands und Frankreichs fürchten, sondern auch die monopolistische Marktmacht des dann zweitgrößten Rüstungs- und Luftfahrtkonzerns der Welt.

    "Eine der ständigen Klagen des Verteidigungsministeriums ist, dass wir nicht genügend Wettbewerb in der Beschaffung haben. Er würde weiter verringert und das kann nicht im Interesse des Steuerzahlers liegen,"

    … sagt der Tory-Parlamentarier Ben Wallace. Auch die City of London ist nicht überzeugt. Manche Finanzexperten vermuten, dass der Wunsch französischer Politiker, sich auch im neuen Konzern Mitsprache und Staatseinfluss zu sichern, das Geschäft am Ende zum Platzen bringt. Die "Times" zitiert einen Großinvestor mit den Worten: "Diese Fusion wird von den Politikern getötet werden, noch bevor sie in Gang kommt."