Ensminger: 50/50, was bedeutet das denn jetzt?
Elze: Ich bin gestern Abend offiziell darüber informiert worden, auch von Seiten des Konzernbetriebsrates und des Managements, dass es sozusagen mehr oder weniger aus ist. Zwei Gläubigerbanken, die Commerzbank und die BHF-Bank, sind also nicht bereit, ihren Beitrag zu leisten. Dazu muss man wissen, dass die Commerzbank, lange bevor das Gespräch mit Clement überhaupt losging, signalisiert hatte: Wir geben unter keinen Umständen mehr etwas, und wir wollen uns nicht beteiligen.
Ensminger: Sie haben gesagt: Es ist mehr oder weniger aus. So sind Sie informiert worden. Mehr oder weniger?
Elze: Also eher mehr. Es gibt heute Mittag noch ein Spitzengespräch in der Staatskanzlei, so viel ich weiß. Da wird die West LB nochmals beteiligt sein. Das würde aber dann in der Konsequenz heißen, dass die West LB nochmals den Anteil von den eben genannten beiden Banken übernehmen würde oder müsste, und das ist wahrscheinlich dann zuviel verlangt. Wir gehen davon aus, dass der Konzern wahrscheinlich in die Insolvenz gehen wird.
Ensminger: Wann haben Sie die ersten Anzeichen für diese drohende Insolvenz wahrgenommen?
Elze: Das ist eine gute Frage. Die Informationspolitik des Vorstandes, insbesondere von Herrn Lederer, des starken Mannes im Vorstand - das muss man einfach so sagen - war mehr als mangelhaft. Im März hat er uns in einer Aufsichtsratsitzung noch gesagt, dass die Liquiditätssituation in jedem Fall beherrschbar sei. Dann hat er uns gesagt, dass die Kernbanken die HDW-Transaktionen begrüßt hätten, und versichert hätten, dass sie ihr finanzielles Engagement bei Babcock einbehalten werden, wenn der Aufsichtsrat einem von einem Unternehmensberater erstellten Konzept zustimmt. Jetzt muss man sich fragen: Hat er uns angelogen? Oder haben ihn die Kernbanken angelogen? Was ist da eigentlich passiert? Also erst im Mai wurde uns dann mitgeteilt, dass die Liquidität angespannt sei, und letztendlich erst Ende Mai/Anfang Juni wurde insbesondere den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat die dramatische Situation erstmals realistisch geschildert.
Ensminger: Das heißt da ist verschleppt worden?
Elze: Gut, das ist jetzt ein schwerer Vorwurf. Wissen Sie, das hat dann immer juristische Konsequenzen. Ich werde auf jeden Fall heute morgen mich mit einem maßgeblichen Unternehmensjuristen in Verbindung setzen und werde ihn fragen, wie sich die Sache verhält, also wie man auch juristisch vorgehen kann. Denn Sie können sich sicherlich vorstellen, in der Belegschaft ist einfach ein tiefes Gefühl von Ungerechtigkeit. Im März/April hat sich Lederer dort noch auf einer Betriebsversammlung selbst gelobt, wie groß seine Verdienste für den Konzern seien. Da muss man sich natürlich fragen, ob er irgendwie unter Realitätsverlust leidet. Er lässt einen Scherbenhaufen zurück und legt sich in das warme Bett der HDW, und da sagt natürlich die Belegschaft: Das kann einfach nicht wahr sein. Man muss den Mann irgendwie belangen. Es kann nicht sein, dass wir hier diejenigen sind, die unsere Arbeit verlieren, und er behält sein Millionenengagement bei der HDW. Ich denke auch, bei der HDW muss der neue Mehrheitsanteilseigner, die OEP, darüber nachdenken, ob er noch zu halten ist.
Ensminger: Sagen wir es nochmals kurz: HDW ist die Kieler Werft.
Elze: Genau, das ist die Humboldt Deutsche Werft AG in Kiel, die insbesondere U-Boote baut.
Ensminger: Und einen großen Teil des Ertrags brachte. Nun gibt es auch Wirtschaftsprüfer. Haben die denn irgendwann mal vielleicht eine Warnung ausgesprochen?
Elze: Was den Jahresabschlussbericht des Wirtschaftsprüfers angeht, muss ich sagen, dass die Informationspolitik des Vorstandes in Ordnung war. Jedes Aufsichtsratsmitglied hat den Jahresabschlussbericht des Wirtschaftsprüfers bekommen. Wir haben als IG-Metall immer diesen Bericht von eigenen Fachleuten nochmals prüfen lassen. Und das war immer riskant, wissen Sie. Da waren immer warnende Teile bei, zum Beispiel ein Punkt, den ich hier herausstellen möchte, ist das mangelnde Controlling. Sie müssen sich vorstellen, Babcock besteht aus 154 konsolidierten Unternehmen, wie es so schön heißt, also wo die Mehrheitsbeteiligung bei Babcock ist, und 132 Beteiligungen, also letztendlich ein Riesenbereich. Und da ist immer kritisiert worden, dass der Controlling-Bereich des Konzerns nicht ausreichend sei. Das heißt ja letztendlich, dass da die einzelnen Geschäftsleitungen vor sich hin wurschtelten und es im Grunde genommen niemand gab, der wirklich das ganze Ausmaß des Handelns auch richtig hat einschätzen können.
Ensminger: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio