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Rettungshubschrauber
Einrichtung nach Maß

Rettungshubschrauber sollen künftig flexibler gestaltet werden, um noch individueller auf die Bedürfnisse von Schwerverletzten eingehen zu könne. Eine führende Rolle auf dem Gebiet spielt dabei die Bucher Leichtbau AG aus Fällanden bei Zürich. Sie ist Spezialist für Hubschrauber-Innenausstattungen. Und dabei begann alles mit einem Küchenschrank.

Von Mirko Smiljanic | 12.06.2015
    Ein Gelber Engel landet und startet in Liebertwolkwitz bei Leipzig
    Ob ADAC oder Rotes Kreuz: Patienten in Rettungshubschraubern kommen auf besonders leichte Tragen (picture alliance / dpa / Volkmar Heinz)
    "Christoph 5" im Anflug auf seine Basis in Ludwigshafen am Rhein. Langsam senkt sich der Rettungshubschrauber auf das große Kreuz am Landepunkt bis schließlich seine Kufen fest auf dem Boden stehen. Zwölf Meter lang ist der Helikopter des ADAC, dreieinhalb Meter hoch und 260 Kilometer pro Stunde schnell:
    "Wir haben die Vorgabe, in zwei Minuten sind wir in der Luft, und innerhalb der zwei Minuten bekommen wir alle Informationen, in welche Richtung es geht."
    Geschwindigkeit sei wichtig, sagt Norbert Spohn, Pilot von "Christoph 5". Ziel und Art des Einsatzes erfährt die Crew während des Fluges. Aus diesem Grund müssen sich Notarzt und Rettungsassistent auf alle Eventualitäten einstellen – vom Herzinfarkt bis zum schweren Verkehrsunfall, die Crew ist auf alles vorbereitet. Das klingt gut, bei Licht betrachtet ist es das allerdings nur bedingt.
    Effizienter wäre, Rettungshubschrauber den jeweiligen Einsätzen entsprechend auszustatten. Verkehrsunfälle erfordern ein anderes Equipment als der Transport eines Kleinkindes, das in eine andere Klinik verlegt wird.
    Kurz: Der Innenraum moderner Rettungshubschrauber wird künftig flexibel gestaltet. Eine Aufgabe, der sich die Bucher Leichtbau AG aus Fällanden bei Zürich widmet.
    "1953 hat mein Großvater dieses Unternehmen gegründet,"
    erzählt Beat Burlet, Vorstandsvorsitzender der Bucher Leichtbau AG.
    "Er war lange Zeit bei der Swissair angestellt als Spenglermeister, hat dann gesehen, dass er eigentlich selber ein Unternehmen gründen will und Fluggesellschaften, wie dazumal die Swissair, beliefern möchte."
    Vom Küchenschrank zum Hubschrauberinnenleben
    Burlets Großvater begann mit dem Bau von Küchen- und Stauschränken, Einrichtungen für Helikopter spielten zunächst keine Rolle. Dabei lag dieses Thema auf der Hand, nur wenige Firmen boten spezialisierten Leichtbau für Rettungshubschrauber an.
    Nach und nach entwickelte sich der Schweizer Mittelständler zu einer führenden Firma auf diesem Gebiet. Nicht zuletzt deshalb, weil sie von Anfang an eng mit ihren Kunden zusammengearbeitet hat.
    "Wir haben begonnen mit einem Mock-up, das haben wir aus Holz gebaut, haben eine originale Innenraumverkleidung genommen und haben uns zusammen mit dem ADAC und der DRF in den Hubschrauber des Mock-up reingesetzt und haben auf der grünen Wiese gespielt und uns eine Ausrüstung gewünscht."
    Rolf Kraus, bei der Bucher Leichtbau AG verantwortlich für Rettungshubschrauber, zeigt stolz seine Spielwiese, in und auf der sich alle möglichen Einsätze simulieren lassen. Eine wichtige Frage bei der Entwicklung flexibel einsetzbarer Rettungshubschrauber war: Wie kommt der Patient in den Helikopter? Verletzte Motorradfahrer brauchen andere Tragesysteme als Schlaganfallpatienten. Zumindest in diesem Punkt möchte man auf alles vorbereitet sein, weshalb die Wunschliste des ADAC und der DRF Luftrettung etwas länger wurde.
    "Hier bieten wir mehrere Möglichkeiten, wie man den Patienten einladen kann. Wir haben dafür extra ein modulares System, der Patient kann von hinten oder von der Seite eingeladen werden, und es gibt die Möglichkeit mit einer sogenannten Rollintrage den Patienten zu laden oder auch mit einer Beladehilfe für die Seiten- oder Heckbeladung."
    Strenge Regeln für den Umbau
    Dabei muss der Patient nicht wie bisher liegen, die neuen Tragen erlauben auch den sitzenden Transport. Das klingt einfach, ist es aber nicht: Jede Veränderung innerhalb des Hubschraubers bedarf einer speziellen Abnahme durch die Luftfahrtbehörden.
    "Wir wissen von den Operatoren heute, dass es eine medizinische Notwendigkeit ist, dass sie oft mit aufgestelltem Rücken fliegen müssen, aber in der speziellen Start- und Landephase musste der Patient bisher flachgelegt werden. Aus dem Grund haben wir ein System entwickelt, bei dem es möglich ist, mit aufgestelltem Rücken eben auch diese Start- und Landephase fliegen zu dürfen."
    Die Bucher Leichtbau AG ist trotz einer kräftigen Expansion ein Familienunternehmen geblieben. Produktionsstätten und Büros gibt es in der Schweiz, in Deutschland und in den USA. 1992 wechselt Bucher die Rechtsform und wurde Aktiengesellschaft, deren Anteile aber die Familie zu 100 Prozent hält, es gibt also keinen Streubesitz. 330 Mitarbeiter, die meisten in der Schweiz beschäftigt, erwirtschaften rund 80 Millionen Euro Jahresumsatz.
    Stabile Geschäfte dank US-Dollar
    Trotz der Entkopplung des Franken vom Euro und des damit eingehenden wirtschaftlichen Drucks auf Schweizer Firmen, sind die Umsätze stabil geblieben. Ein Grund sei auch, dass in der Luftfahrt Geschäfte traditionell in US-Dollar abgewickelt werden. Außerdem habe das Auslandsgeschäft eine immer größere Bedeutung, so Beat Burlet.
    "Da sind wir hauptsächlich in China tätig, dann gibt es noch ein paar andere Länder, wo wir denken, dass dort in naher Zukunft ein größeres Wachstum stattfindet wird, aber hauptsächlich eigentlich in China."
    Vieles wird sich in der Luftrettung ändern, eines aber nicht. Im Fall der Fälle fliegt der Hubschrauber mit Höchstgeschwindigkeit zum Einsatzort!