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Reue ja, Rücktritt nein

Fehlinvestitionen, Korruptionsvorwürfe und Kartellskandale: Genau diese Nachrichten beherrschen seit Monaten die Diskussion über den Technologiekonzern und Deutschlands größtes Stahlunternehmen ThyssenKrupp. Aufsichtsratschef Cromme kündigte an, auf die Hälfte seines Gehalts zu verzichten.

Von Andreas Kolbe | 18.01.2013
    "Die ersten Köpfe sind ja schon gerollt - mal sehen ob heute noch mehr rollen."

    Kampfeslustig sind Kleinaktionäre des Stahlkonzerns ThyssenKrupp nach Bochum gekommen. Nach den Querelen der vergangenen Monate sind sie stinksauer:

    "Dass zu lange zu viele inkompetente Menschen das Sagen hatten. Als Kleinaktionär möchte ich mir doch mal diesen - in Anführungsstriche - Showdown anhören. Und ich würde mich freuen, wenn auch mal die Fetzen fliegen."

    Die Hoffnungen der Aktionäre dürften nicht enttäuscht worden sein. Tumulte und Zwischenrufe während der Rede des Aufsichtsratschefs, Buhrufe und Pfiffe etwas später, als Cromme den Antrag eines Aktionärs abweist, ihn als Versammlungsleiter abzulösen.

    Die Milliardenverluste in Amerika aber auch Affären um Kartellverstöße und Luxusreisen sorgen für harsche Kritik an der Führungsriege des größten deutschen Stahlkonzerns. In Bochum räumt Chefkontrolleur Cromme nun offen Fehler ein:

    "Wenn sich mich fragen, ob wir als Aufsichtsrat in der Vergangenheit etwas hätten besser machen können, dann will ich ehrlich sagen: Ja! Wir haben zulange vertraut. Wir hätten früher handeln können oder müssen. Aber als wir erkannt haben was passiert, haben wir gehandelt - immer dann, wenn entsprechende Fakten dies ermöglicht haben. Und wir haben konsequent gehandelt."

    Die Verantwortung für das Milliardendebakel beim Bau zweier Stahlwerke in Brasilien und den USA sieht Cromme vor allem beim früheren Vorstand. Dessen Annahmen und Planungen hätten sich im Nachhinein als deutlich zu optimistisch und zum Teil auch als falsch erwiesen. Ein neues Gutachten kommt allerdings zum Schluss, dass den damals Verantwortlichen rechtlich nichts vorzuwerfen sei.

    "Rechtlich korrekte Entscheidungen bedeuten nicht zwangsläufig auch gute unternehmerische Entscheidungen. Deshalb haben wir als Aufsichtsrat gehandelt. Gemeinsam mit dem Vorstandsteam um Herrn Dr. Hiesinger und Herrn Kerkhoff haben wir einen Neuanfang eingeleitet, den wir mit aller Kraft begleiten und unterstützen."

    Zum Jahreswechsel hatten drei Vorstandsmitglieder das Unternehmen verlassen müssen. Einigen Aktionären geht das nicht weit genug, sie fordern auch den Rücktritt von Chefaufseher Gerhard Cromme. Ingo Speich, Fondsmanager bei Union Investment, will so weit nicht gehen:

    "Herr Cromme sollte weiter im Amt bleiben. Im Vorstand sehen wir derzeit auch sehr große Verschiebungen. Das heißt, wenn wir jetzt auch noch ein Machtvakuum im Aufsichtsrat hätten, würde das zu wesentlich größeren Komplikationen und Problemen führen. Nichtsdestotrotz sollte er vorausschauend auch den Aufsichtsrat umbauen und sicherlich auch dann mittelfristig über seine Nachfolgeplanung nachdenken."

    Auch Vorstandschef Heinrich Hiesinger stellte sich hinter Cromme. Vor den Aktionären warb er dafür, das Wühlen in der Vergangenheit einzustellen und den Blick nach vorn zu werfen:

    "Es bringt uns nichts, ausschließlich in der Vergangenheit zu bohren. Wir geben ja offen zu. Wenn Sie weiter bohren, werden Sie noch tausend Dinge finden, die nicht angemessen waren. Sie werden sicher noch eine Reise finden. Rechtlich wird das alles in Ordnung sein. Aber wir geben offen zu: Vieles ist falsch gelaufen. Vieles war nicht verhältnismäßig oder nicht mehr zeitgemäß. Es wird uns also keine neue Erkenntnis bringen."

    Mit der Krupp-Stiftung als Großaktionär im Rücken dürfte Gerhard Cromme auch weiterhin unangefochten Aufsichtsratschef bei ThyssenKrupp bleiben. Auf die Frage eines Aktionärs, ob Cromme Nachfolger des inzwischen 99-jährigen Stiftungschefs Berthold Beitz werden möchte sagte dieser lapidar: Beitz erfreue sich allerbester Gesundheit. Daher stelle sich diese Frage nicht.