Archiv


Revision der Kunst der 80er Jahre

Bücher wie "Generation Golf" werden hunderttausendfach verkauft, 80er-Nostalgie-Shows erzielen hohe Einschaltquoten. Warum nicht auch die Kunst jener Dekade einer Revision unterziehen, hat man sich in Basel gedacht und aus Depots geholt, was in der Zeit der Fönfrisuren an den Wänden hing: Die Jungen Wilden aus Deutschland zum Beispiel oder den pop-bunten Jeff Koons. "Flashback" heißt die Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst.

von Christian Gampert |
    Die 1980er Jahre, sie wirken so fern. Diese seltsamen Frisuren! Diese Friedensmarschierer und Disco-Kids, diese Öko-Bewegten und Michael-Jackson-Fans! Eine Rückblende auf die Kunst der 1980er Jahre fördert allerdings Erstaunliches zutage: in diesem Jahrzehnt zwischen Nachrüstungsdebatte und Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten hat sich vieles etabliert, das heute noch Bestand hat.

    Eine Ausstellung kann das natürlich nur auszugsweise zeigen. Der von Philip Kaiser kuratierte Parcours im Basler Museum für Gegenwartskunst schafft es durch schiere Vielfalt, den ungeheuren Clash vorzuführen, der damals stattfand. Zunächst: seit den 80er Jahren gibt es einen veritablen Kunstmarkt auch für Gegenwartskunst mit Preislisten und Rankings und neuen Stars. Minimal Art, Konzeptkunst und Pop Art werden transformiert in subtile Strategien, die Kunst in einer zunehmend von Massenmedien dominierten Gesellschaft neu zu orten versuchen. Schließlich: es gibt ein neues Selbstbewusstsein europäischer Künstler gegenüber Amerika. Auf einmal wird auch Joseph Beuys in den USA wahrgenommen, und die verpönte Figuration findet über die neuen Wilden auf einmal neue Beachtung - Berliner Szene-Künstler wie Rainer Fetting sind über Nacht in New York gefragt.

    Schließlich: die Ironie hält wieder Einzug in den Kunstbetrieb. Die Basler Ausstellung zeigt das sehr schön - etwa mit Albert Oehlens Gemälde "Morgenlicht fällt in den Führerbunker", mit Georg Herolds aus Dachlatten zusammengebauten "Dürerhasen" oder mit Werner Büttners Bild "Badende Russen", das 1982 den Zusammenbruch der Sowjetunion sarkastisch vorwegnahm.

    Die neuen Wilden bilden eines der Zentren dieser Schau, die uns unmissverständlich zeigt, welches die langfristig wirksamen Figuren sind. Der wild provozierende Martin Kippenberger mit seiner selbstironischen "Nieder mit der Bourgeoisie-Attitüde ist ungleich einflussreicher gewesen als der zwar erfolgreiche, aber oft eben nur platte Jeff Koons, der den Kitsch zur Strategie machte. In Basel wird er fairer Weise mit einer sehr schönen frühen Arbeit gezeigt: Hoover-Staubsauger unter Plexiglas, sprich: das Kunstobjekt als Warenfetisch, inszeniert mit Neon-Röhren, die von Dan Flavin, und Plastik-Kuben, die von Donald Judd stammen könnten.

    Das Problem ist natürlich, dass in dieser Schau so viele Trends, Stile und Protagonisten vorgeführt werden, dass man leicht den Überblick verliert. Die Archaismen und rituellen Installationen des Joseph Beuys, von dem das hier reich bestückte Basel die "Feuerstätte" vorzeigen kann, haben rein gar nichts zu tun mit den gender-bewegten Arbeiten der Rosemarie Trockel oder den Bildverweigerungsstrategien der Shellie Levine, die historische Südstaaten-Fotos von Walker Evans einfach noch einmal abfotografiert.

    Andererseits hat vieles von dem, was hier so offensiv auseinanderstrebt, sich inzwischen als eigenständige Disziplin etabliert: die Tendenz zum Beispiel, als Künstler den städtischen Raum zu bespielen - hier vorgeführt an Diaprojektionen, mit denen Krzysztof Wodiczko (übrigens der einzige vertretene Ostblock-Künstler) öffentliche Gebäude uminterpretierte. Oder die Neigung, eine kollektive Autorschaft anzugeben - hier gezeigt von Tim Rollins und "Group Material", die mit einer Aids-Zeitleiste der Aids-Toten gedenken oder mit schwarzen Kindern (auf Workshops) Bilder zum amerikanischen Rassismus fertigen.

    Wie kann man noch Bilder machen in einer von Massenmedien präformierten Gesellschaft? Das ist die Hauptfrage der Ausstellung. Sie wird beantwortet einerseits durch Bild-Negation (der gesamte Hauptsaal wird bespielt durch eine Vielzahl gerahmter schwarzer Rechtecke - nicht schwarzer Quadrate! - von Allan McCullum: das Bild als Bild-Surrogat, als Nichts). Andererseits gibt es die Gesten und Posen des Robert Longo und, noch konsequenter, Cindy Shermans fotografische Selbstinszenierungen, die nur noch Nachstellungen filmischer Stereotypen sind. Daneben dann die großformatigen Portraits des Thomas Ruff, in denen man jeden Pickel sieht, und die Leuchtkästen des Jeff Wall, der Menschen ins Schaufenster stellt.

    Das sind Künstler, die auch heute noch wortführend sind. Man könnte nun mäkelnd aufführen, was alles fehlt - allein: diese Ausstellung hat ein großes Anregungspotential auch für heutige Künstler. Die nahende Implosion des Ostblocks hatte ihren Vorschein in der westlichen Kunst: als Explosion neuer Bildstrategien.