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Rezension
"Der perfekte Wurf"

Er ist der erfolgreichste Deutsche Basketballspieler aller Zeiten: Dirk Nowitzki, das "German Wunderkind". Jetzt gibt es einen Film über ihn, seine Geschichte und seine einzigartige Wurftechnik

Victoria Reith | 13.09.2014
    "One of the most incredible Comebacks in the NBA Finals History". "Nowitzki. Der perfekte Wurf." ist nicht nur ein Dokumentarfilm über die Karriere des derzeit einzigen deutschen Basketball-Superstars Dirk Nowitzki. Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen dem German Wunderkind und dessen Trainer Holger Geschwindner.
    "Their relationship is a very unique one. It's like the mad scientist and Frankenstein I guess." Mit Frankensteins Monster und dem verrückten Wissenschaftler vergleicht der ehemalige Teamkollege Michael Finley die Beziehung Nowitzki - Geschwindner. Der Trainer, selbst ehemaliger deutscher Nationalspieler und Physiker, entwickelt am PC den perfekten Wurf. "Jetzt ist der Krümmungsradius der Ellipse gleich dem Krümmungsradius des Balls. Diese Wurfbewegung, die dann die Winkel ausrechnet, wo alle sagen, der spinnt."
    Regisseur Sebastian Dehnhardt hat Nowitzki in Dallas begleitet, beim Bowling, im Auto, beim Arzt. Mehr als zwei Jahre lang waren er und sein Filmteam immer wieder im Alltag des Superstars zugegen, sprachen mit ihm, seiner Ehefrau, seinen Eltern in Deutschland. "Das hat schon eine Weile gedauert. Also wir haben uns natürlich getroffen und darüber gesprochen. Ich bin eigentlich ein privater Mensch. Muss nicht alles in der Öffentlichkeit sehen."
    Nicht nur das Material, das in zwei Jahren gedreht wurde, gibt Hinweis darauf, wer Nowitzki eigentlich ist. Mit am spannendesten sind Szenen von früher, Archivmaterial aus Nowitzkis Teenagerzeit, als junger Erwachsener beim DJK Würzburg. Diese Bilder erzählen auch immer Geschichten von gemeinsamen Eskapaden mit Coach Holger Geschwindner. Der entführte Nowitzki 1998 kurz vor dem Aufstiegsspiel seines Würzburger Basketballteams nach Texas zum Nike Hoop Summit, einem Spiel der Jugend-Weltauswahl gegen den US-Nachwuchs. Nowitzki machte 33 Punkte, 14 Rebounds. Der Beginn seiner Karriere in den USA.
    Auch Verantwortliche der Dallas Mavericks sprechen im Film über Nowitzkis Rolle im Team, seine Entwicklung, seine Beziehung zum Trainer. Ebenso NBA-Stars wie der Shooting Guard Kobe Bryant, ewiger Gegenspieler Nowitzkis von den LA Lakers. "His ball handling, his passing, separated him from everybody else."
    Der Film spielt mit Pathos und Pomp, bildet den amerikanischen Profisport ab mit seinen schreienden Farben, übergewichtigen männlichen Cheerleadern und zwei Köpfe kleineren Fans, die im Spielertunnel für Nowitzki Spalier stehen. Eine andere Welt, die die Filmemacher immer wieder gekonnt mit Nowitzkis Aussagen kontrastieren. "Ich kann halt nen Ball ganz gut in ein Körbchen reinschmeißen." Nowitzki ist so bodenständig, dass man es fast nicht mehr hören kann. Ein Typ, der sich auch heute noch Taschengeld von seiner Mutter geben lässt, wenn er zu Hause ist. Dazu passt, dass Nowitzki immer noch jedes Jahr im Sommer in der gleichen Turnhalle seiner alten Schule in Rattelsdorf Körbe wirft. Ein Junge von nebenan, aus Franken eben. Der früher eine seltsame Frisur trug und trotzdem früh alle überragte. Der sich anfangs schwer tat mit der Entfernung von zu Hause und dem härteren Spiel in den USA. Er verstand schnell, wie es läuft im Profisport. "Das ist harte Arbeit. Du kriegst nix in die Wiege gelegt."
    Der Film lässt erahnen, wie Nowitzki tickt. Nicht eindimensional. Dass Nowitzki unkonventionell tickt, "out of the box", wie es im Film heißt, ist Teil seines Erfolgs.
    "Basketball ist Jazz. It's the same thing" Geschwindners eigener Mentor, Ernie Butler, war als einer der ersten Basketballer aus der US-amerikanischen NBA nach Deutschland gekommen. Er saß am Spielfeldrand und spielte Saxofon, während Geschwindner Nowitzki dribbeln ließ. Jazz, das ist Improvisation, Körpergefühl, Harmonieempfinden. Fähigkeiten, die beim Basketballspiel Talent und harte Arbeit noch komplettieren.
    So weit, so schön. Doch Regisseur Dehnhardt geht auch auf Tiefschläge in Nowitzkis Leben ein: Die Verhaftung von Holger Geschwindner wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung zum Beispiel. Oder wie Nowitzki im Jahr 2009 fast auf eine Heiratsschwindlerin reinfiel. Auf solchen Szenen reitet der Regisseur aber nicht lange herum. Er stellt sie dar. Fremdschämen muss sich der Zuschauer aber nicht. Der schlimmste Tiefpunkt für den Deutschen war wohl ohnehin ein sportlicher. Im Jahr 2006, als die Dallas Mavericks im NBA Finale gegen Miami Heat verloren. Nowitzki war nicht nur selbst am Boden, er spürte in der Folge auch den Druck durch Fans und Medien.
    Im Film reicht ein Bild aus, um diese Schmach auszudrücken. Nowitzki im Vordergrund auf dem Spielfeld, im Hintergrund ein Schild im Publikum: "Dirk who?", "Dirk wer?" "Einen Tag bist du der Größte und am nächsten Tag bist du halt der Trottel." Zum Größten wurde Nowitzki endgültig 2011. Erst versenkte er 24 Freiwürfe ohne Fehlwurf im Conference Finale gegen Oklahoma, dann holte er mit den Mavericks den NBA-Titel und wurde wertvollster Spieler der Saison.
    "Der perfekte Wurf" ist ein Dokumentarfilm mit einem Happy End wie ein Hollywood-Blockbuster. Abgesehen vielleicht von der Gesangseinlage, die sogar der US-Präsident würdigte. "We are the champions."
    "Dirk is a tough guy. Although the most painful thing may have been his rendition of "We are the Champions". Ein harter Kerl, sei Dirk, sagte Obama in Anwesenheit der Mavericks im Weißen Haus. Aber das schmerzhafteste überhaupt, so der Präsident, könnte seine Gesangseinlage gewesen sein. Das Leben des German Wunderkinds, mit vielen Höhen und ein paar Tiefen, in 105 Minuten gepackt. Spannend nicht nur für Kenner des US-Basketballs.