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Rheinland-Pfalz
Mindestlohn auf dem Wochenmarkt

Erster Werktag mit Mindestlohn: Was Händler, Erzeuger und Kunden auf dem Mainzer Wochenmarkt dazu sagen – und der Deutsche Gewerkschaftsbund bemängelt.

Von Anke Petermann |
    Im Nieselregen kommen nur wenige Kunden an den Obststand auf dem Mainzer Wochenmarkt. Ja, den Mindestlohn findet sie gut, nickt die Aushilfsverkäuferin mit der bunten Mütze. Und schüttelt dann den Kopf: Nein, sie selbst bekommt keinen und will ihn auch nicht einklagen, ins Mikrofon möchte sie das aber nicht sagen. Den Job habe sie sich ja selbst ausgesucht, sie wolle ihn behalten und habe sich damit abgefunden, weniger zu bekommen. Dietmar Muscheid, Landeschef des DGB Rheinland-Pfalz, zuckt die Schultern:
    "Das muss Frau oder Mann für sich selbst entscheiden. Für uns war und bleibt wichtig, dass mit dem Mindestlohn endlich mal eine Grenze nach unten gesetzt worden ist, weil nach unterem Verständnis für unter 8,50Euro in der Stunde niemand gezwungen werden darf zu arbeiten. Der Mindestlohn kommt zehn Jahre zu spät, weil die Hartz-Gesetzgebung ja diese Auswüchse im Grunde erst möglich gemacht haben. Von daher wäre eine der Voraussetzungen für die Umsetzung der Hartz-Reformen von Anfang an gewesen, mit einem Mindestlohn dafür zu sogen, dass nach unten nicht das passiert, was wir die letzten zehn Jahre erleben mussten".
    Obstbauer baut auf Genügsamkeit
    Der Obstbauer, für den die Frau mit der bunten Mütze arbeitet, beschäftigt im Verkauf auf dem Mainzer Wochenmarkt viele Schüler und Studierende als Aushilfen und kann vermutlich auf deren Genügsamkeit bauen. Minderjährige ohne Berufsabschluss sind vom Mindestlohn ohnehin ausgenommen. Der Gemüsebauer Harald Reinheimer am Stand neben dem Mainzer Dom hält es so.
    "Im landwirtschaftlichen Betrieb habe ich zwei Saison-Arbeitskräfte beschäftigt, die sind fest angemeldet, und die sind aber sowieso die ganze Zeit schon über Mindestlohn bezahlt worden. Und hier auf dem Markt habe ich eine Aushilfe, da ist es im Prinzip genauso. Also, es ist für mich natürlich ein Thema, aber ich war nie unter der Grenze gewesen. Ich habe mit dem Mindestlohn keine Probleme, dass mich das irgendwie ins Unwirtschaftliche stürzen würde. Ich hab nicht so ne große Produktion, dass ich jetzt zwanzig Saison-Arbeiter hätte, wo das dann vielleicht eher durchschlägt, wenn man so Erdbeeren oder so Massenprodukte oder so produzieren muss. Also, bei mir ist es kein Thema."
    In Landwirtschaft und Gartenbau darf der gesetzliche Mindestlohn allerdings wie in einigen anderen Bereichen auf der Grundlage von allgemein verbindlichen Branchen-Mindestlöhnen bis Ende 2016 unterschritten werden. Für die Landwirtschaft sieht ein Stufen-Tarifvertrag vor, dass zunächst nur 7,70 Euro gezahlt werden müssen, die 8,50 Euro sind 2017 dran. Auch in der Fleischindustrie ist weniger vorübergehend möglich. Am Mainzer Stand der Landmetzgerei Hamm hängt ein Schild: "Teilzeit-Verkäuferin oder 450-Euro-Kraft gesucht". Der Metzger aus dem rheinhessischen Stadecken-Elsheim zahlt Mindestlohn. Junior-Chef Andreas Hamm hat andere Probleme:
    "Wir finden sowieso kein Personal. Wie's auch hier noch hängt: Wir suchen händeringend nach Personal, aber es arbeitet keiner mehr in dieser Branche. Es möchte keiner mehr in dieser Branche arbeiten, noch net mal für mehr als 8,50 Euro, also auch net für zehn oder zwölf Euro!"
    Furcht vor steigenden Preisen?
    Und wie verbreitet ist unter den Kunden aus dem Rhein-Main-Gebiet die Furcht, dass die Lohnuntergrenze Preise nach oben treibt? Wenig, wenn man einer kleinen Zufallsumfrage trauen darf. Besucher des Mainzer Wochenmarkts meinen zum Mindestlohn,
    "dass es gerechtfertigt wird, wobei die Höhe – weiß ich nicht, ob die 8, 50 Euro von der Größenordnung her passt, weil 8, 50 Euro liegt ja ziemlich weit unten."
    "Wenn ich an meinen Vater denke, der hat früher mit seinem Lohn – der war Zugführer – der konnte damit immerhin noch ne dreiköpfige Familie ernähren und noch nebenbei ein Haus bauen. Und das kann ja heut' keiner mehr. Und deswegen finde ich, ist das schon in Ordnung mit dem Mindestlohn."
    "Es ist schön, dass es einen Mindestlohn gibt, aber man macht sich halt Gedanken darüber, wie er eingehalten wird. Und so die alten Sprüche: Dann arbeiten die Leute halt zwölf Stunden und werden für acht bezahlt – da hat man den Mindestlohn wieder wunderbar umgangen. Also, es ist toll, dass unserer Regierung solche Sachen einführt, aber wenn's nicht nachgeprüft oder nachgehalten wird, dann verpufft es. Und – ehrlich gesagt – mir fehlt da ein bisschen das Vertrauen in unsere Legislative."