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Rheintal
Flüsterbremsen reichen nicht

Im Mittelrheintal donnern alte rumpelnde Güterzüge auch nachts durch die Orte. Damit soll 2020 Schluss sein. Züge müssen dann mit Flüsterbremsen und Lärmschutztechnik nachgerüstet sein. Das sieht zumindest ein Gesetzentwurf von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vor. Doch Bürgerinitiativen zeigen sich skeptisch.

Von Anke Petermann | 03.03.2015
    Ein Güterzug fährt an Häusern in Assmanshausen (Rüdesheim) vorbei
    Im Rheintal fahren die Züge mitunter dicht an Häusern vorbei. (picture alliance / dpa - Marius Becker)
    Endlich hat die Politik das lange verlangte Signal geliefert, meint Willi Pusch, Vorsitzender der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm und einer Bürgerinitiative im Mittelrheintal.
    "Ab 2020 kommt kein Zug mehr auf die Schiene, der nicht umgerüstet ist, das ist eine klare Aussage, und da kann sich die Wirtschaft danach richten."
    Frank Gross, Sprecher des Bürgernetzwerks Pro Rheintal, reagiert deutlich weniger optimistisch: Er hätte lieber ein klares Bekenntnis zum Koalitions-Fahrplan gehabt, nämlich dass schon bis zum kommenden Jahr die Hälfte der Waggons mit Flüstertechnik umgerüstet sein müssen, weil sonst Tempolimits und Nachtfahrverbote verhängt werden. Die Flüsterbremsen sind ja auch nur ein kleiner Teil im geforderten Anti-Lärmpaket. Schließlich leiden die Anwohner der Bahntrasse besonders unter den Erschütterungen, aber das Gleisbett zu "polstern" wird erst in punktuellen Modellprojekten erprobt.
    "Wir haben Schienenstegdämpfer, die getestet werden", sagt Willi Pusch, daraufhin nämlich, ob die Vibration des Gleisbetts abnimmt und damit auch die Schwingung von angrenzende Häuser samt Mobiliar.
    In Weißenthurm bei Koblenz sind Anwohner begeistert über ruhigere Nächte, die Bahn ist angesichts von Millionenkosten allerdings nicht gerade euphorisch. Willi Pusch hält eine Hand hüfthoch.
    "Wir haben viele Geländer in den Gemeinden in dieser Höhe, teilweise noch alte Holzteile, Jägerzäune, die werden ersetzt in gleicher Höhe gegen Schallschutzwände, da braucht man kein großes Planfeststellungsverfahren, die braucht man nur zu erneuern. Dann kommen Schienenschmieranlagen hinzu, weil wir viele Kurvenbereiche haben, und wenn man dieses Maßnahmenpaket zusammenbringt, also Umrüsten der Bremsen bis 2020 und viele technische Maßnahmen in den Gemeinden selber, dann kriegen wir den Lärm um circa 20 Dezibel runter, das ist viel."
    Alternativtrasse und Tunnellösung
    Aber was übrig bleibt, ist mit 80, 90 Dezibel in den Spitzen ebenfalls noch viel. Und deshalb beharren die Bürgerinitiativen darauf, dass trotz vereinzelter Lärmminderung das mittel- und langfristige Gesamtpaket nicht aus dem Blick gerät. Dazu gehören eine Alternativtrasse zur überlasteten Mittelrhein-Strecke und langfristig auch eine milliardenschwere Tunnellösung. Wie die aussehen soll, schildert Franz Breitenbach, stellvertretender Sprecher der Allianz der Initiativen für ein lebenswertes Rheintal zwischen Koblenz und Bonn.
    "Das ist letztendlich ein Tunnel, der in Troisdorf anfängt und kurz vor Mainz aufhört, der ist unterirdisch, circa 108 Kilometer lang und soll den Güterzug-Transitverkehr aufnehmen. Das heißt, dass der Tunnel 600 bis 700 Züge pro Tag aufnehmen könnte, alles andere könnte ja durch das Rheintal weiterfahren, dann wären das Rheintal wieder lebenswert und dann würde sich die Wirtschaft im Rheintal wieder erholen."
    Denn da sind sich die Bürgerinitiativen zwischen Mainz und Bonn einig: Den Zuwachs an Güterverkehr zwischen Rotterdam und Genua, den die für Sommer 2016 geplante Eröffnung des St. Gotthard-Basistunnels bringen wird, kann das enge Rheintal nicht verkraften. Die Bahnstrecke dort ist 160 Jahre alt und jetzt schon überlastet.
    Sorgen machen sich Anwohner vor allem über die Gefahrgutzüge, die teilweise mit 100 Stundenkilometern durch die Ortschaften rauschen. Hochexplosiv unterwegs auf überalterter Strecke - das kann nicht so bleiben, warnt Willi Pusch. Der Vorruheständler kämpft mittlerweile im dritten Jahrzehnt für ein leiseres Rheintal. Ob es ihm und seinen Mitstreitern gelingt, Milliarden für den ersehnten Entlastungs-Tunnel locker zu machen - fraglich.