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Rhetorik-Unterricht und internationales Recht

Eigentlich hat sich seit Goethe nichts mehr verändert. Bereits damals, als der deutsche Dichter "Juristerei" studierte, war die Ausbildung zum Rechtswissenschaftler hochtheoretisch, praxisfern und staatstragend. Bis heute ist das auch so geblieben. Doch nun naht Unglaubliches: Bund und Länder wollen ab Juli dieses Jahres das Jura-Studium reformieren. Neue Fächer und neue Prüfungen kommen auf die Studierenden zu.

    Ein Beitrag von Jens Rossbach

    Ja, die Juristen-Ausbildung dauert extrem lange und bereitet halt überhaupt nicht auf den späteren Beruf vor. Nach meiner Ansicht ist das Studium zur Zeit nur auf den Staatsdienst ausgerichtet und diese Ausrichtung stimmt eigentlich nicht mehr mit den Vorstellungen der Studenten überein. Weil ich denke nur noch ein geringer Anteil der Studenten, die Jura studieren, wirklich in den Staatsdienst wollen. Die meisten gehen sowieso in die Privatwirtschaft bzw. wollen im anwaltlichen Bereich arbeiten und da passt eigentlich die Zielsetzung des Studiums eigentlich nicht mehr zu den aktuellen Vorstellungen der Studenten. Was jetzt viel vor dem Examen gelernt wird, sind so Definitionen, die man so wirklich auswendig können muss und da sitzt man denn da und lernt Definitionen blind auswendig und die stehen aber alle in Büchern drin. (Umfrage unter Studierenden)

    Studierende können sich freuen: Ab Sommer wird alles anders. Die Juristen-Ausbildung wird umgekrempelt. Das beginnt damit, dass die zukünftigen Rechtsgelehrten im Studium fortan mehr über den Tellerrand, sprich: über die Landesgrenzen blicken werden - erklärt Alfred Hartenbach, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium.

    Wir wollen zunächst einmal dafür sorgen, dass unsere Jura-Studentinnen und Studenten mehr sich mit fremden Recht befassen, also etwa durch ein Semester im Ausland oder aber durch ein fremdsprachliches Fachseminar an einer deutschen Universität.

    Juristen sollen in Zukunft auch in sozialen Belangen fitter werden. Darum führen die Unis demnächst so genannte "Schwerpunktbereiche mit Wahlmöglichkeiten" ein.

    Wir wollen erreichen, dass Studentinnen und Studenten bereits sehr früh sich mit einem Verhandlungsmanagement befassen, mit der Gesprächsführung, mit Rhetorik, mit Streitschlichtung, was man ja gerade als Anwalt und als Richter braucht, mit der Mediation – im Familienrecht sehr wichtig, mit der Vernehmungslehre für angehende Richter und Staatsanwälte und überhaupt mit der Kommunikationsfähigkeit. 023 Gerade der Erwerb von sozialer Kompetenz wird künftig für den Richterberuf eines der Erfordernisse sein. Die Länder werden gehalten, bei Einstellungen von jungen Richtern besonderen Wert auf die soziale Kompetenz zu legen.

    Veränderungen gibt’s nicht nur in den Studien-Inhalten, sondern auch bei der Prüfung. Bislang war es so, dass nicht die Universität, sondern der Staat die Abschlussprüfungen der Studenten abgenommen hat, genauer: die Justizprüfungsämter der jeweiligen Bundesländer. Nun werden die Universitäten an den Examen beteiligt. Die Hochschulen dürfen zukünftig die neuen, sozialen Schwerpunktbereiche prüfen – die dann 30 Prozent des ersten Staatsexamens ausmachen.

    Wir erwarten, dass die Universitäten, die ihnen eingeräumten neuen Befugnisse, selbst Prüfungen abzunehmen, auch dazu nutzen, inhaltliche neue Schwerpunkte an den Universitäten zu bilden. Es muss nicht jeder alles machen und nicht jeder das Gleiche. Wir erwarten auch einen Wettstreit der Universitäten. Und wir wollen vor allen Dingen wieder auch damit erreichen, dass ausländische Studenten bei uns in Deutschland studieren, was bei uns in Deutschland nachgelassen hat.

    Bund und Ländern sind ebenfalls die Klagen der Studierenden zu Ohren gekommen, dass im vorgeschriebenen, 24monatigen Praktikum - im Referendariat – nur viel zu kurz in einer Anwaltskanzlei gearbeitet werden soll: der Pflichtteil beträgt – je nach Bundesland- in der Regel ganze drei Monate.

    Deswegen haben wir die bisher sehr stiefmütterliche Behandlung des Anwaltsberufes deutlich aufgewertet, indem wir festlegen, dass 9 Monate mindestens in der anwaltlichen Berufspraxis ausgebildet werden, dabei müssen 6 Monate auf jeden Fall im anwaltlichen Büro ausgebildet werden und weitere drei Monate können bei einem Verband oder bei einem Notar ausgebildet werden.

    Mehr internationales Recht, mehr Rhetorik und Prüfungen an der Uni – die Reform hat auch ihre Schattenseite: das Jura-Studium wird in Zukunft länger dauern. Die Regelstudienzeit – also die Zeit vor dem zweijährigen Referendariat - beträgt derzeit sieben Semester, ab Sommer werden es acht Semester sein.