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Rheumamedikamente

Kaum ein Krankheitsbild hat in den letzten Jahren bei der Behandlung mit Medikamenten soviel Erfolg und Niederlagen erlebt wie Rheuma. Ältere Rheumamedikamente können den Magen schwer schädigen. Mit der Entwicklung der COX-2-Hemmer schien dieses Problem gelöst zu sein. Doch vor einem Jahr wurde mit Vioxx der erste COX-2-Hemmer vom Markt genommen. Seitdem sind die Patienten verunsichert.

Von Carsten Schröder |
    Die Rheumatologen glauben, das Risiko der zwar hochwirksamen, aber nicht ungefährlichen COX-2-Hemmer kalkulieren zu können, und verschreiben die Medikamente weiterhin. Derzeit, so Dr. Rieke Alten von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie, machen COX-2-Hemmer in Deutschland 19 Prozent der Rheumamedikamente aus. Rieke Alten mahnt zwar zur Vorsicht, meint aber, die Risiken mit einer sorgfältigen Untersuchung des Patienten eingrenzen zu können:

    "Erstmal muss er sehr viel genauer kardiologisch untersucht werden, und gemonitort werden in Bezug auf Blutdruck, EKG usw, wir haben da völlig neue Guiedelise zu erarbeiten. Wir müssen wissen, dass der Patient bereits mit einem sehr großen Risiko in die Behandlung hineingeht, und wir müssen natürlich auch überprüfen, und unsere pharmakologische Kollegen sind derzeit auch dran, was von diesen Effekten möglicherweise auch bei den klassischen NSAR durchaus gilt. "

    Ausgeschlossen sei eine Behandlung immer dann, wenn bereits eine koronare Herzkrankheit vorliege oder ein Schlaganfall vorausgegangen sei.

    Ebenfalls große Probleme und große Fortschritte
    scheint es bei einer anderen, neuen Medikamentengruppe zu geben, den Biologica. Kongresspräsident Prof. Hubert Nüßlein, Chefarzt am Städtischen Klinikum Dresden:

    "Wir haben in den letzten Jahren einen Quantensprung gemacht durch die Einführung der Biologics, also der Medikamente, die dem Tumornekrosefaktor alpha hemmen, wir sind an der Stelle, wo wir nicht ganz aufgeregt sagen: wieder was neues, sondern wo wir sagen: na gut, was können wir jetzt damit machen, also eine sehr unazfgeregte Bestandsaufbnahme, und das machen wir im Moment auch."

    Durch den Einsatz dieser Medikamente könnte bei einem Großteil der Patienten das Fortschreiten der Krankheit aufgehalten werden, und zwei bis dreimal mehr Patienten als bisher würden von ihrem Leiden sogar dauerhaft erlöst. Nur: die neuen tnf-Blocker sind teuer, sehr teuer. Prof. Klaus Krüger vom Praxiszentrum St. Bonifatius in München:

    "Um Ihnen da eine Relation zu geben: Wenn wir die alten Baistherapeutika nehmen, da haben wir so ungefähr Jahrestherapiekosten, die im Bereich von einigen hundert Euro bis einigen tausend Euro liegen, der Sprung zu den tnf- alpha Hemstoffen liegt einfach darin, dass wir da in einem Bereich von 15.000 bis 25.000 Euro pro Patient sind, das ist ein ganz schöner Sprung."

    Würde man diese Pro-Kopf-Kosten auf die rund 600.000 Patienten hochrechnen, die an Rheumatoider Arthritis leiden, kämen jährlich Belastungen in astronomischen Höhen auf das Gesundheitswesen zu.

    Aus diesem Grund dürfen tnf-alpha-Blocker nur solchen schwerkranken Patienten verschrieben werden, bei denen bereits zwei andere Therapien erfolglos versucht wurden. Doch es scheint so, als würden selbst Patienten, die solche strengen Voraussetzungen erfüllen, die Medikamente in vielen Fällen vorenthalten.

    "Wir haben ausgerechnet dass etwa 15 Prozent dies erfüllen und mit tnf-alpha behandelt werden sollten. Die tastsächlichen Verschreibungszahlen allerdings sind nach wie vor niederschmetternd. Ich habe eine relativ neue Zahl, und da liegt die Verschreibung bei etwa 1,9 Prozent. Man kann sagen, vielleicht ein sechstel der Zahl, die wir erwartet haben."

    Damit liege Deutschland in Europa an vorletzter Stelle bei der Verschreibung von tnf-alpha-Blockern. In Skandinavien würden 10x soviel Patienten damit behandelt, und auch in Portugal und Griechenland sind Ärzte weniger zurückhaltend als hierzulande.