
Immer wieder eskaliert der Ton zu musikalischem Gemetzel – zu einer Schlachtmusik in keineswegs heroischem Sinn. Als Kontrast dazu finden sich ruhige lateinische Litaneien – Trauergesänge auf die Toten, die auf dem Weg des Herzogs von Gloster zum englischen Thron zu beklagen sind. In das Orchester-Espressivo, dem mitunter sogar Anklänge an Richard Wagners Machtmusik-Momente des "Rings" abzulauschen sein mögen, mischen sich Erinnerungen an das Anarchische der frühen Arbeiten Giorgio Battistellis. Er ist ein musikalischer Realist der Gegenwart, der nicht nur Rufe, Pfiffe und Salven in seinen Tonsatz integriert, sondern auch neben dem elektronischen Säuseln und Schrecken auch die verschiedensten "urigen Laute" (so, wie er es von Anfang an mit seinem "Experimentum mundi" tat). Der italienische Musiktheatermeister verleiht jeder seiner Arbeiten einen besonderen Zuschnitt und spezifisches Profil, indem er die verschiedenen Ingredienzien seiner Schreibweise unterschiedlich bemüht und abmischt. Luca Pfaff, seit langem ein Wegbegleiter Battistellis, sorgt mit dem engagiert in die Saiten greifenden Flämischen Opernorchester für eine eindringliche Aufführung.
Der rumänische Künstler Radu Boruzescu hat bereits 1998 Robert Carsens auf die spätstalinistischen Diktaturen Osteuropas anspielende "Macbeth"-Inszenierung ausgestattet, die im Rahmen der Kölner Shakespeare-Verdi-Trilogie aufgeboten wurde. Für de vlaamse opera ließ er nun eine Arena aus Metallgestänge und Wellblech bauen (wie aus dem Märklin-Baukasten der 60er Jahre); die ganze Installation erscheint leicht schräg gekippt: ansteigende Sitzreihen für das Murren und Klagen des Volkes, für die Ergebenheitsadressen und Zerknirschungen der Lords und Auftritte der ums Leben betrogenen drei Frauen.
Drei tunnelartige Zugänge zur Arena, die mit rötlichem Sand bedeckt ist – Löschsand und, wenn die feinen Körner durch die Hände rinnen, eine flüchtige Materie – wie bei der Sanduhr. Auf dieser Fläche triumphiert und ängstigt sich Gloster, der zu King Richard wird; auf ihr wird sein Bruder Clarence gemeuchelt, was – und dies war abzusehen – König Edward IV. herz-kreislaufmäßig nicht aushält; auf diesem Sand wird Kanzler Hastings geächtet und geköpft (mit dem Spaten), wird der Steigbügelhalter Lord Buckingham um seinen Lohn betrogen und verstoßen, wird die doppelt gedemütigte Anne vergiftet, werden die beiden im Tower liquidierten Neffen steif und bleich auf der Schubkarre präsentiert – ein Dutzend starker Männerstimmen in 18 Rollen sekundiert dem Aufstieg und Fall des Despoten. Bis der, in der höchsten Not einer vorzüglich choreographierten Schlacht, nach einem Pferd ruft, für das er sein Königreich geben will. Die Feinsymbolik stimmt bei dieser Produktion mit der Botschaft des Ganzen überein: Diese Erinnerung an die Rosenkriege geschieht um der Gegenwart und der Zukunft willen. Battistelli, Pfaff und Carsen haben Shakespeare auf die Höhe unserer Zeit gehoben. Und das auf sensationelle Weise.
Der rumänische Künstler Radu Boruzescu hat bereits 1998 Robert Carsens auf die spätstalinistischen Diktaturen Osteuropas anspielende "Macbeth"-Inszenierung ausgestattet, die im Rahmen der Kölner Shakespeare-Verdi-Trilogie aufgeboten wurde. Für de vlaamse opera ließ er nun eine Arena aus Metallgestänge und Wellblech bauen (wie aus dem Märklin-Baukasten der 60er Jahre); die ganze Installation erscheint leicht schräg gekippt: ansteigende Sitzreihen für das Murren und Klagen des Volkes, für die Ergebenheitsadressen und Zerknirschungen der Lords und Auftritte der ums Leben betrogenen drei Frauen.
Drei tunnelartige Zugänge zur Arena, die mit rötlichem Sand bedeckt ist – Löschsand und, wenn die feinen Körner durch die Hände rinnen, eine flüchtige Materie – wie bei der Sanduhr. Auf dieser Fläche triumphiert und ängstigt sich Gloster, der zu King Richard wird; auf ihr wird sein Bruder Clarence gemeuchelt, was – und dies war abzusehen – König Edward IV. herz-kreislaufmäßig nicht aushält; auf diesem Sand wird Kanzler Hastings geächtet und geköpft (mit dem Spaten), wird der Steigbügelhalter Lord Buckingham um seinen Lohn betrogen und verstoßen, wird die doppelt gedemütigte Anne vergiftet, werden die beiden im Tower liquidierten Neffen steif und bleich auf der Schubkarre präsentiert – ein Dutzend starker Männerstimmen in 18 Rollen sekundiert dem Aufstieg und Fall des Despoten. Bis der, in der höchsten Not einer vorzüglich choreographierten Schlacht, nach einem Pferd ruft, für das er sein Königreich geben will. Die Feinsymbolik stimmt bei dieser Produktion mit der Botschaft des Ganzen überein: Diese Erinnerung an die Rosenkriege geschieht um der Gegenwart und der Zukunft willen. Battistelli, Pfaff und Carsen haben Shakespeare auf die Höhe unserer Zeit gehoben. Und das auf sensationelle Weise.