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Richard Strauss' Oper "Daphne" am Theater Basel
Bukolische Tragödie

Von Jörn Florian Fuchs | 15.02.2015
    Man merkt es rasch, die Sache wird böse enden. Eine Wirtshausbedienung oder Bauernhofbewohnerin irgendwo im Alpenland, die sich mit Zimmerpflanzen beschäftigt statt die gestandenen Mannsbilder, in welcher Hinsicht auch immer, zu unterstützen. Also laufen diese mit ziemlich grimmigen Mienen herum, manchmal raufen sie auch. Oft und reichlich fließt der goldgelbe Gerstensaft. Alles tumbe Bierdimpfl. Die Eltern der schüchternen jungen Dame halten sich eher dezent im Hintergrund. Immerhin sucht die Mama - mit warmer Tiefe Hanna Schwarz als Gaea - ihrer Tochter mit Hochprozentigem und netten Worten etwas Mut zu machen. Aber Mut wozu? Wen soll sie sich bei dieser Männerauswahl denn schon schnappen?
    In der "Daphne" von Richard Strauss und Joseph Gregor geht es weit zurück in mythische Zeit. Die Titelheldin will weder mit dem sie begehrenden Jugendfreund Leukippos noch mit Sonnengott Apoll anbandeln, sie sehnt sich vielmehr nach Natur und Frieden und verwandelt sich schlussendlich in einen Lorbeerbaum.
    Uraufgeführt wurde das Stück 1938 in Dresden und allein das Datum macht klar, worum es sich hier handeln muss: Um einen der späten Sträusse, die allesamt eskapistische Tendenzen haben und sich musikalisch stark aus früheren Hits speisen. Süffig und großbögig geht es im Orchester zu, effektvoll und kräftig sind die Gesangslinien, da braucht es Ausdauer und kluge Kräfteverteilung sowohl im Graben wie auf der Bühne. Hans Drewanz animiert das Sinfonieorchester Basel zu konturreichem und exaktem, dabei sehr körperlichem Spiel. Eine Wucht der von Henryk Polus einstudierte Herrenchor. Agneta Eichenholz klingt als Baumbegeisterte frisch und trifft zielsicher alle Töne. Ihre Stimme ist manchmal allerdings fast zu mächtig für den Strauss-Sound – und das will was heißen.
    Bei Christof Loy steckt sich Daphne vor der Baumwerdung ein paar Zimmerpflanzenzweige ins Haar und verfällt dem Wahnsinn. Aus dem Off hört man schönste Irrsinns-Vokalisen. Vorher verwandelte sich Leukippos in einem besonders einfallsreichen Anmachversuch in ein Daphne-Double, was selbige arg verwirrte. Bei Loy bekommt das einen leichten Lesbo-Touch. Im Affekt tötete Apoll später seinen Widersacher und hoffte auf Liebesglück, allein auch diese übermenschlich-übermännliche Macht taugte der Dame nicht.
    Eigentlich gelingt Loy und seinem Dramaturgen Thomas Jonigk – die beiden sind verheiratet, siezen sich jedoch absurderweise im Programmheft – eine recht mühelose Übersetzung des Stoffs in jene Alpengegenwart. Doch bleiben Fragen offen.
    Etwa die, warum die Titelheldin so ist, wie sie eben ist. Nur kurzzeitig scheint sie sich dem verkleideten Leukippos und dem ebenso schmeichelnd wie aggressiv auftretenden Apoll anzunähern. Was ist da genau los? Was zudem stört, ist die doch ziemlich schwüle Männerwelt. Loys Markenzeichen, öfter mal halbnackte, gut gebaute Jungs durch die Szenerie zu jagen, wird hier zur Manie. Man(n) könnte sich die im Stück beschriebenen und auch komponierten Dionysien szenisch durchaus etwas heterosexueller vorstellen.
    Gespielt wird vor einer groben Bretterwand, die sich später hebt und den Blick auf eindrucksvolle Scheinwerferbatterien freigibt, sie kündigen Apoll an und illuminieren Unwetter.
    Marco Jentzsch gibt den – Entschuldigung – geilen Gott prächtig bis fast zum Schluss, während Rolf Romei Leukippos von A bis Z mit weichem, fließendem Timbre versorgt.
    Ein überwiegend überzeugender Abend, das Stück selbst jedoch ist und bleibt ein Problem.