Richard Strauss gilt die heutige Tonträgerempfehlung, und ich stelle Ihnen heute einige Szenen aus dessen vielleicht erfolgreichstem Bühnenwerk vor: * Musikbeispiel: Richard Strauss - aus: Salomé Der Wunsch der judäischen Prinzessin bringt das Drama ins Rasen: erfüllt ihn Herodes, der Tetrach von Judea, so gewinnt er womöglich eher die Strafe des HERRN als die Liebe der Stieftochter. Wird Jochanaan geköpft, jubeln Laster und Dekadenz, - triumphiert auch Herodias, des Herodes übelbeleumdete Frau. Stirbt der Prophet, verstummt die Kunde vom Aufrührer Jesus, der bald der Messias sein soll. - Doch Salomé hat getanzt und Herodes seinerseits hat ihr Honorar blind pauschal garantiert... Salomé, das musikalische Drama um Rausch und Askese, Macht und Tod, Ideologie und Geschlecht hat in der Tat nicht nur die Gemüter der anderen Bühnenfiguren, sondern der ganzen Theaterwelt kräftig bewegt. Die erste Aufführung in Wien benötigte fast 15 Jahre, in New York war das Werk sofort nach der Premiere für ein Vierteljahrhundert verschwunden. Auch anderswo rieben sich Kirche und Öffentlichkeit an der moralischen Drastik und selbst die Berliner Darbietung (ein Jahr nach der Uraufführung 1905 in Dresden) gestattete Kaiser Wilhelm II. höchstselbst nur mit eindeutig prochristlicher Symbolik am Schluß. Ideologisch gesehen jedoch, entsprach der skandalträchtige Stoff seinerzeit dem Zeitgeist. Oskar Wilde, dessen Drama den Komponisten faszinierte und zu radikalen kompositionstechnischen Innovationen verführte, war nicht der erste, der sich des Salomé-Sujets bedient hat. Doch bei Wilde und damit letztlich bei Strauss gewann der biblische Mythos von Salomé und Jochanaan als Widerstreit von exzentrischer Sinnlichkeit und religiöser Askese psychologische Zuspitzung und Brisanz. Die Geschlechterentwürfe polarisieren: Die Titelfigur und ihre Mutter, Herodias, entsprechen dem faszinierenden Typus der gefährlichen, männerverschleißenden ‘femme fatale’, deren Selbstbestimmtheit die Gebote aushebelt - Narraboth und noch vielmehr sein Idol Jochanaan vertreten die reichlich körperfeindliche Reinheit im Glauben, strenge Selbst-Disziplin, politisch-moralischen Fanatismus. In Szene Drei - während das strauss’sche Riesenorchester höchst farbreich explodiert - prallen in Salomé und Jochanaan zwei Welten, zwei Kulturen, zwei Sprachen radikal aufeinander. * Musikbeispiel: Richard Strauss - aus: Salomé Richard Strauss Einakter ‘Salomé’. Namhafte Solisten versammelt die neueste, im Frühjahr ’99 bei Chandos Records erschienene Einspielung, die in Koproduktion mit dem Dänischen Rundfunk entstand. Die großen Namen zwar, doch nicht die stimmlich entscheidenden Partien gehören Reiner Goldberg als Herodes sowie (als Salomé lang erfahren) Anja Silja, die hier die Herodias singt. Bestimmend ist in erster Instanz Inga Nielsen als in der Titelpartie, die ihrer Figur weniger Dämonie als vielmehr Sensibilität und Gegenwärtigkeit verleiht. Robert Hale als Jochanaan ist ihr ein vergleichsweise lyrischer Partner. Der zweite und vielleicht wichtigere Partner ist Michael Schoenwandt, bis letztes Jahr Chef der Berliner Sinfoniker, der hier als Erster Gastdirigent am Pult des Staatlichen Dänischen Radio-Sinfonie-Orchesters wirkt. Schoenwandt realisiert ein musikalische Hördrama, das subtile Intensität und zugleich erstaunliche Transparenz miteinander verbindet. ‘Der Tod einer schönen Frau sei das poetischste Thema auf Erden’, so verhieß Oscar Wilde seinerzeit in der Ära des Jugendstils programmatisch in seiner ‘Philosophie der Komposition’. Erlösungs- und Mordlust-Vision allerdings gehen hier bei Strauss in einer einzigen Protagonistin zusammen. Nur Sekunden dauert die musikalische Spanne zwischen dem erlösenden Kuß und dem eigenen Tod. Das sollte Fragen aufwerfen. Wenn diese Frauenfigur stirbt, das heißt, wenn sie ermordet wird, ist keiner, der ihre Leiche kunstvoll besingt. * Musikbeispiel: Richard Strauss - aus: Salomé
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Richard Strauss - "Salomé"
Am Mikrofon Frank Kämpfer.