Archiv


Richard Wagner unterm Hammer

Frage an Peter Hanser-Strecker, den Urenkel Ludwig Streckers und vorsitzenden Geschäftsführer des Verlagshauses, das heute "Schott Musik International" heißt: Sie kennen die Bedenken, die es gegen den Verkauf solch für das deutsche Kulturerbe wichtige Dokumente gibt. Der Leiter des Richard-Wagner-Archivs in Bayreuth, Sven Friedrich, bezeichnete es in dieser Sendung als "zumindest ungewöhnlich", von der Sache vorher überhaupt nichts gewusst zu haben. Warum haben Sie zum Beispiel ihm die Stücke denn nicht angeboten?

Peter Hanser-Strecker im Gespräch |
    Hanser-Strecker: Nein, man hat mir leider diese Autographe nicht zum Kauf angeboten. Ich hatte also auch bis heute Mittag von dieser Sache keinerlei Kenntnis.

    Noltze: Hätten Sie denn die Manuskripte gern?

    Hanser-Strecker: Natürlich, ich habe immer alles gerne, was mit Wagner zu tun hat. Erst recht, wenn es von Wagner stammt. Denn wir haben hier das Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, und hier gehören die Sachen her.

    Noltze: Nun sind 1,5 Millionen Euro ein stolzer Preis. Ist das denn für eine Einrichtung wie die Ihre überhaupt möglich, in dieser Liga mitzuspielen?

    Hanser-Strecker: Ja, das Geld haben wir natürlich in der Porto-Kasse. Nein, Scherz beiseite. Also das ist eben der zweite traurige Punkt, dass sich natürlich Summen in diesen Bereichen im Grunde genommen außerhalb jeder Diskussion bewegen. Zumindest, wenn ich jetzt für mein Haus und die Richard-Wagner-Stiftung spreche, das ist etwas, das wir mit Hausmitteln sowieso nicht leisten können. Da müsste eine konstatierte Aktion von verschiedensten Geldgebern her. Das müsste bis in die aller höchsten Ebenen laufen. Und ob das in dieser Kurzfristigkeit herzustellen ist, das ist auch noch die große Frage.

    Noltze: Es gibt ja Vermutungen, dass diese Manuskripte aus dem Besitz entweder des Schott-Verlages oder der Schott-Eigentümer kommen, mit denen Richard Wagner ja ursprünglich mal eng befreundet gewesen ist. Wäre es denn üblich gewesen, dass die sich denn vorher bei Ihnen gemeldet hätten und gesagt hätten, 'wir haben das was und möchten es gerne loswerden. Seht ihr eine Möglichkeit das als Wagner-Archiv zu erwerben?'

    Hanser-Strecker: Na ja, eine Rechtsvorschrift gibt es da natürlich nicht. Also jeder Eigentümer kann natürlich mit seinem Eigentum tun und lassen, was er will. Er kann es verschenken, er kann es verbrennen, er kann es versteigern lassen, und er kann es verkaufen. Das ist völlig klar. Ich muss aber auch sagen, dass ich dieses Vorgehen schon etwas ungewöhnlich finde. Ungewöhnlich war, dass offenbar niemand so recht gewusst hat, dass dieser Verkauf, ich möchte fast sagen Ausverkauf, bevorsteht. Meines Wissens hat die Firma Schott ja auch schon Beethoven-Autographe in diesem Jahr auf den Markt geworfen. Es wäre dann doch zumindest eine freundliche Geste, das einmal anzukündigen, wenn schon nicht uns, dann vielleicht der Gesamtausgabe, die ja immerhin im Hause Schott angesiedelt ist. Mir ist auch nicht bekannt, dass die Gesamtausgabe davon Kenntnis erhalten hätte.

    Noltze: Werden Sie denn jetzt in irgendeiner Weise tätig werden? Versuchen Sie, macht es überhaupt noch Sinn, es zu versuchen, Gelder zusammen zu bekommen?

    Hanser-Strecker: Ich glaube nicht. Wenn sich das in diesen Dimensionen bewegt, dann ist das erfahrungsgemäß wirklich sehr schwierig, zumal man ja auch sagen muss, dass mir diese Preis erstens als sehr hoch angesetzt erscheinen. Auf deutsch, es ist ein wenig zu teuer. Und zum zweiten, ist zumindest was die Tristan-Dichtung angeht, die wissenschaftlich-philologische Wichtigkeit auch nicht so gegeben. Denn sowohl die Urschrift als auch eine Abschrift des Librettos befinden sich bei uns im Hause. Hier handelt es sich um die Reinschrift, die nach der Erstschrift von Wagner gemacht worden ist. Und es ist nicht zu erwarten, dass da im Text nun allzu große Differenzen sind, die philologisch interessant sein könnten. Bei den Wesendonk-Liedern verhält es sich etwas anders. Da gibt es ja verschiedene Fassungen. Die Handschriften der Erstfassung sind bei uns. Aber hier handelt es sich um die Zweit- bzw. Drittfassung, das sind auch die, die üblicherweise aufgeführt werden. Da ist es natürlich schon ein philologischer Verlust, der hier ins Haus steht. Das muss man hier einfach so sagen.

    Noltze: Die Auktion wird am 6. Dezember stattfinden, am Nikolausabend. Was glauben Sie denn, wer sich die Wagner-Schriften in die Stiefel stecken wird? Wer kauft so etwas?

    Hanser-Strecker: Das ist natürlich immer eine sehr spannende und interessante Frage. Im Regelfalle erfährt man das ja auch nicht, weil es ja das Berufsgeheimnis der Auktionatoren gibt. Das ist ganz schwer zu sagen, wer willens und in der Lage ist, diese doch nicht ganz unbeträchtlichen Summen aufzubringen. Ich sage Ihnen auch ganz offen und ehrlich. Meine stille Hoffnung ist, dass die Sachen liegen bleiben und dann vielleicht irgendwann zu einem etwas marktgemäßeren Preis angeboten werden.

    Link: mehr ...

    334.html