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Richtfest auf der Raumstation

Raumfahrt. - In diesem Jahr sollen gleich zwei neue Labore die Grundfläche der Internationalen Raumstation ISS vergrößern, ein europäisches und ein japanisches. Das Feilschen um die Nutzung dieses zusätzlichen Platzes ist bereits in vollem Gang. Wer darf wie lange und wie oft Astronauten ins All schicken, das ist dabei die entscheidende Frage. Vor allem die Europäer drängen auf mehr Bleiberechte in der Umlaufbahn.

Von Guido Meyer |
    Die Internationale Raumstation wird in diesem Jahr Richtfest feiern. Im Februar soll das europäische Raumlabor Columbus angedockt werden, wenige Wochen später das doppelt so große Gegenstück aus Japan, Kibo. Damit wird sich die Fläche, die für die Astronauten und Kosmonauten auf der ISS zur Verfügung steht, mehr als verdoppeln. Alle Partnerländer haben damit ihren Anteil am Aufbau der Station geleistet. Und so wird sich im nächsten Jahr denn auch die Mannschaftsstärke verdoppeln, von jetzt drei auf dann sechs Crewmitglieder, wie Gerhard Thiele erläutert, der Chef des europäischen Astronautenkorps:

    "Ab 2009, wenn wir sechs Astronauten auf der Raumstation haben, ist Europa mit einem Astronauten für sechs Monate alle zwei Jahre beteiligt. Das heißt, wir können also alle zwei Jahre, jedes ungerade Jahr - 2009, 2011 und so weiter - mit einem langen Inkrement auf der Raumstation rechnen."

    Ein "langes Inkrement" meint einen halbjährigen Aufenthalt auf der Raumstation, so wie er 2006 von Thomas Reiter absolviert wurde, der damit der erste Deutsche an Bord und Europas erster Langzeitastronaut auf der ISS war.

    "Es ist so, dass Europa einen Anteil an diesem gesamten Projekt hat von etwas über acht Prozent, 8,3 Prozent. Und demzufolge wird sich natürlich auch die Aufenthaltsdauer von Europäern da oben auswirken. Ob das jetzt einmal alle zwei Jahre oder einmal alle anderthalb Jahre wird, das wird unter anderem auch davon abhängen, wie lang diese Missionen sein werden. Wenn das beispielsweise nur Dreimonatsmissionen werden in Zukunft, dann könnte das häufiger stattfinden, als wenn wir eine Halbjahresmission machen und sozusagen von diesem Kontingent schon eine ganze Menge nutzen."

    Ab dem zweiten Quartal kommenden Jahres sollen drei Russen, zwei Amerikaner und ein sechstes Crew-Mitglied permanent auf der ISS forschen, wobei letzteres entweder aus Kanada, Japan oder Europa kommt. Dies genügt der europäischen Weltraumagentur Esa jedoch nicht, da ihr diese Verteilung bis zum geplanten Lebensende der ISS Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch vier Langzeitaufenthalte zugestehen würde. Der Vorsitzende des Esa-Rates, Sigmar Wittig, sieht auch den sechsten Platz fest in europäischer Hand.

    "Sie können schon davon ausgehen, dass bei sechs Astronauten immer ein Europäer mit dabei ist. Wenn man das dann so umlegt, dürfte im Turnus von zwei Jahren oder so immer ein Langzeitdeutscher mit dabei sein."

    Bei dieser Rechnung könnten die Zulieferungen des Esa-Mitgliedslandes Italien der europäischen Weltraumagentur helfen. Die Asi, die Agenzia Spaziale Italiana, Italiens eigene Weltraumagentur also, liefert regelmäßig unbemannte Nutzlastkanister, in denen Nachschub für die ISS ins All transportiert wird. Als Gegenleistung bekommt die Asi weitere drei Langzeitaufenthalte ihrer Astronauten an Bord der Station. Da Italiens Raumfahrer aber - so wie die deutschen - eingebunden sind in das europäische Astronautenkorps, ist dies die Chance für mehr Zeit im All für die Esa. Noch ungeklärt ist, wo sechs Personen wohnen sollen. Mike Griffin, der Chef der US-Raumfahrtbehörde Nasa, sieht kein Raumproblem im Raum.

    " Die Raumstation wird bis dahin groß genug sein, so dass die Mannschaft an den verschiedensten Stellen wird schlafen können. So können die Labore oder die Verbindungsknoten zum Nachtlager umfunktioniert werden. Wir haben festgestellt, das wir das ursprünglich geplante Wohnmodul nicht brauchen, um eine sechsköpfige Mannschaft zu versorgen. "

    Europa jedoch hätte es gerne gemütlicher: Die britische interplanetare Gesellschaft hat jüngst einen möglichen Beitrag des Vereinigten Königreichs zur ISS präsentiert: zwei Wohnmodule mit der Abkürzung HEM - Habitation Extension Modules -, die links und rechts am Verbindungsknoten drei der Raumstation andocken könnten und einer größeren Crew mehr Spielraum und Wohnfläche in der Umlaufbahn böten.