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Richtiges Benehmen im internationalen Business

Birgit Becker: Bis wohin sollte die Krawattenspitze reichen? Wie nah darf ich meinem asiatischen Geschäftspartner auf die Pelle rücken? Wer geht bei einer Drehtür voraus? Bei manchen solcher Benimmfragen bin ich ziemlich unsicher. Dass es offenbar vielen so geht, beweisen die zahlreichen Benimmratgeber, die seit einigen Jahren als Bestseller über die Ladentheken gehen. Expertin auf dem Gebiet Benehmen ist Gabriele Schlegel. Sie hat langjährige Erfahrung im diplomatischen Dienst in den USA und Asien, ist Dozentin für Business Behavior an der Fachhochschule Bonn/Rhein-Sieg, und sie beantwortet Leserfragen zum Thema Benimm in ihrer Handelsblattkolumne. Frau Schlegel, was bringen Sie Ihren Studierenden an der FH Bonn/Rhein-Sieg bei?

Moderation: Birgit Becker |
    Gabriele Schlegel: Ich habe die Vorlesungsinhalte zweigeteilt. Es gibt einen Themenblock Umgangsformen im Geschäftsleben, und der zweite Block ist interkulturelle Sensibilisierung für die USA und Asien. Bei den Umgangsformen sprechen wir über die Bedeutung des äußeren Erscheinungsbildes, Thema Corporate Identity, wie stelle ich mich vor, wie mache ich Menschen miteinander bekannt, wie gehe ich mit Hierarchieebenen um, alle Themen rund um den Small Talk, wie wichtig sind Distanzzonen, wenn ich an internationale Kontakte denke. Das Thema Tischmanieren, Gastgeberpflichten, das könnte man weiterführen. In der interkulturellen Kompetenz Thema USA sprechen wir über die Open Door Policy, dass "you" nicht vergleichbar ist mit unserem "du". Wie gehe ich mit der Kundenorientiertheit der Amerikaner um, wo wir mehr produktorientiert arbeiten? Das wichtige Thema Rechtsanwälte. Bei Asien sprechen wir über den Gesichtsverlust, ein wichtiges Thema, da der Verursacher, also derjenige, der einen anderen beleidigt, auch sein Gesicht verliert und damit den Respekt vor den Mitarbeitern verlieren würde. Ein anderer Aspekt ist die Wichtigkeit des persönlichen Netzwerks. In Asien kann man keine Geschäfte machen, wenn man nicht einen guten Bekanntenkreis hat, der sich auf einen verlässt, der einem vertraut hat. Das "Ja", das "Nein" ist Asien ein unmögliches Wort. Es gibt also Formulierungen, die für uns Europäer wie ein "Ja" klingen mögen, die man aber mit ein bisschen interkultureller Sensibilität als "Nein" verstehen kann. Am Ende des Semester - und das hat bisher immer wunderbar geklappt - merken wir, dass diese ganzen Regeln nur ein Regelwerk sind, um zu einer sicheren, souveränen Persönlichkeit zu werden, die dann auch entscheiden kann, im Zweifelsfall eine Regel mal wegzulassen, wenn die äußeren Rahmenbedingungen vielleicht so sind, dass man besser darauf verzichtet.

    Becker: Wenn wir noch mal im Inland bleiben, Sie haben eine Umfrage bei allen 30 DAX-Unternehmen gestartet, bei der es um Benehmen, um sicheres Auftreten von Hochschulabsolventen und eben auch Bewerbern ging. Was ist dabei rausgekommen?

    Schlegel: Ich wollte wissen, was ist einstellungsrelevant, um mich wirklich noch ein bisschen besser auf meine Vorlesung vorbereiten zu können. Hundertprozentig mit "wichtig" beantwortet wurden die Fragen der Freundlichkeit, Höflichkeit und Authentizität. Das sind natürlich sehr weiche Begriffe, die sich aber dann füllen lassen, wenn man das Regelwerk kennt und wirklich authentisch und souverän auftritt. Damit wurde bestätigt, wie wichtig das ist und wie wichtig das allen Unternehmen ist. Bei der Small-Talk-Kompetenz war es, wie zu erwarten, dass nur zwei Drittel der Firmen sie wirklich für wichtig ansahen, was - wenn man an den internationalen Kontext denk - wirklich ein eklatanter Fehler ist. Small Talk ist in fast allen Kulturen von ganz großer Wichtigkeit. Wir unterscheiden das. Wir teilen sehr schnell den privaten und den geschäftlichen Bereich, und das ist in den meisten anderen Kulturen nicht der Fall. In einem internationalen Team zu arbeiten, haben fast 70 Prozent der Firmen für sehr wichtig erachtet. Dagegen die Bereitschaft, ins Ausland zu gehen, fanden nur 22 Prozent der Firmen wirklich wichtig. Das Thema Tischmanieren wurde mit circa 50 Prozent beantwortet, dass die Firmen darauf Wert legen, dass es ihnen wichtig ist. Auch das ist international ein ganz großer Fehler, weil das Thema Geschäftsessen, vom Frühstück bis zum Abendessen, im Ausland sehr wichtig ist, und Unsicherheiten in diesem Bereich führen sehr schnell dazu, dass man seine Souveränität verliert und damit auch weniger kompetent wirkt.

    Becker: Was das Thema Small Talk angeht, würde ich gerne noch wissen - das scheint eben auch US-Amerikanern und Asiaten sehr wichtig zu sein, wir haben häufig Schwierigkeiten damit -, was raten Sie denn Ihren Studierenden, was Small Talk angeht?

    Schlegel: Ich sage auf alle Fälle allen, dass sie sich darauf einlassen müssen. Wir üben die Small-Talk-Kompetenz richtig in kleinen Rollenspielen. Wichtig dabei ist, dass wir heikle Themen umschiffen, und dazu gehört die Politik und die Religion. Alles, was sehr emotional besetzt sein kann, entweder auf meiner Seite oder auf der Seite des Gesprächspartners, sollte ich umgehen. Es gibt wunderbare Bereiche, die den ganzen kulturellen Bereich abdecken, das Theater, die Ausstellungen, Kino. Sport ist ein wunderbarer Aufhänger in den USA. Also bitte nicht in die USA reisen, ohne zu wissen, wie die wichtigen Mannschaften gerade gespielt haben. Das Thema Reisen, rund ums Essen. Aktives Zuhören ist eine wunderbare Hilfe für Leute, die unsicher sind. Lernen Sie zuzuhören, und authentisch zuhören, greifen Sie Inhalte des Gehörten auf, und dann entwickelt sich sehr schnell ein sehr schönes Gespräch.

    Becker: Bis wohin sollte denn die Krawattenspitze reichen?

    Schlegel: Bis auf die Gürtelschnalle.

    Becker: Und wer geht bei einer Drehtür voraus?

    Schlegel: Der Herr geht voraus in einer Drehtür.

    Becker: Vielen Dank für das Gespräch.