Es beginnt, wie es bei Stephen King immer beginnt - ganz harmlos und doch mit einer gewissen Dringlichkeit in der Stimme des Ich-Erzählers, einem Ton, der zwischen Beichte und Bekenntnis changiert, zwischen Privatem und Öffentlichem also, und aus der Spannung zwischen diesen beiden Polen einen voyeuristischen Thrill erzielt, einen Thrill, der in King-Lesern freilich längst kein Gruseln mehr auslöst, sondern eher wohlige Schauder, jene Mischung zwischen Entspannung und Erwartung, die "Lindenstraßen"-Fans etwa beim Hören des Djingles ihrer Lieblingsserie überkommt. Doch anders als die noch jede soziale Schicht, jede Klassen- und Lebensstilnuance durch billige Identifiktionsangebote besetzende Wochenshow nicht von, sondern über Hanns Geissendörfer und wie er die Welt sieht, verläßt sich Stephen King in "Riding the Bullet" ganz auf diesen einen Erzählton - und einige schon arg ramponierte Stücke aus dem Kostümfundus seiner früheren Romane.
Einen alten Ford Mustang etwa, wohlvertraut aus Stephen Kings frühem Meisterwerk "Christine" um den gleichnamigen Oldtimer, der die Lebenskraft seiner Besitzer vampirhaft aussaugt. Mit "Christine" hatte King eine düstere Metapher für das automobilbesessene Amerika geschaffen - und für den Blutzoll Zehntausender Verkehrstoter, den diese Obsession Jahr um Jahr fordert. Auch einem Freizeitpark begegnet der Leser in "Riding the Bullet" wieder, einem der Lieblings-Handlungsorte Kings, denn nirgendwo sonst liegen Lust und Grauen näher beinander. "The Bullet" ist eine Achterbahn, die Fahrt auf dem Vergnügungsvehikel dient King nun als Bild für die Lebensreise, und der Ford Mustang wandelt sich unter der Hand in den Nachen des Toten-Fährmanns Charon.
Der Student Alan Parker erhält eines Abends einen Anruf. Eine Nachbarin informiert ihn, daß seine Mutter Jean einen Schlaganfall erlitten hat und im Krankenhaus liegt. Hals über Kopf bricht Alan von seiner Collegestadt per Autostopp nach Maine auf, um seine Mutter zu besuchen. Natürlich warten auf den Tramper der alte Ford Mustang und ein Fahrer, der direktenwegs aus der Hölle zu kommen scheint.
Stephen King ist immer dann am stärksten, wenn er für den Horror seiner Erzählungen Kinderängste einsetzt. Dieses simple, gleichwohl nie langweilige Muster bewährte sich im voluminösen Roman "Es" mit dem clownesken Monster ebenso wie in dem Menstruationsdrama "Carrie" oder im leider schwächeren "Friedhof der Kuscheltiere", und es bewährt sich ein weiteres Mal auf den 66 Seiten von"Riding the Bullet". Der Mustangfahrer stellt Alan Parker vor jene grauenhafte Alternative, die noch auf jede Kinderstirn Angstschweiß getrieben hat: Wenn du die Wahl hast zwischen deinem Leben und dem Leben deiner Mutter - wie entscheidest du dich?
"Die schlimmsten Geschichten sind die, die man sein ganzes Leben lang hört", heißt es an einer Stelle dieser perfekt gebauten kleinen Novelle, und auch wenn "Riding the Bullet" für die langjährigen Enthusiasten dieses amerikanischen Cahrles Dickens nur ein genüßliches "Déjà-vu" bringen mag, schmälert das wenig am beträchtlichen Lesevergnügen.
Anders die Umstände der Veröffentlichung. Stephen King, mit einer weltweiten Auflage von weit über hundert Millionen einer der erfolgreichsten Autoren der Gegenwart, hat schon seit geraumer Zeit mit innovativen Distributionsformen seiner Texte experimentiert. Nachdem er mit "The Green Mile" tatsächlich auf den Spuren seines Vorbilds Dickens wandelte und den Roman in Fortsetzungen erscheinen ließ, hat er sich nun entschieden, seine Novelle lediglich als sogenannter "e-book-text" im lnternet zu veröffentlichen. Auf den Websites hunderter amerikanischer Internetbuchhändler ist der neue King zum Preis von zwei Dollar und fünfzig Cents als Download erhältlich. Amazon.com, Amerikas größter lnternetbuchhändier, bietet "Riding the Bullet" sogar als Werbegag kostenlos an. Doch der kopiergeschützte und nicht ausdruckbare Text ist auf keinem Computermonitor der Weit darstellbar. Dazu bedarf es eines sogenannten E-book-readers, einer Software also, die den elektronischen Text auf den Schirm zaubert. Amazon.com bietet durch eine Kooperation mit der Softwarefirma Glassbook auch ein solches Programm kostenlos an, allerdings erfordert der Download der auf den poetischen Namen "Glassbook Reader" getauften Lesehilfe etwas Geschick beim Installieren und nicht wenig Zeit - glatte 40 Minuten benötigt ein gut getuntes 56-k-Modem, um das heiß ersehnte Programm auf die Festplatte zu bannen. Bis dann auch noch der Text eingetroffen ist, hat der Leser für die vermeintlich kostenlose Lektüre gut und gern den Preis eines Taschenbuchs bei seinem Provider und der Telefongesellschaft gelassen. Darüber könnte hinwegtrösten, nun wenigstens zur technischen Avantgarde der Literaturliebhaber zu gehören, erwiese sich der Glassbook Reader nicht als Museumsstück der Programmierkunst: keine Veränderung der Grundeinstellungen läßt die Schrift auf einem durchschnittlichen Computermonitor anders als verschwommen erscheinen. Fazit: der neue King ist nicht gruselig, sondern grieselig.
Und das wird auch so bleiben, bis irgendwann in ferner Zukunft endlich richtige "e-books", also speziell für die Darstellung elektronischer Texte entwickelte Geräte, in Deutschland in den Handel kommen. Diese Hardware wurde von der Industrie zwar immer wieder angekündigt, bleibt bislang hierzulande aber ein vages Versprechen. Weltweit hat sich die Stephen-King-Gemeinde von solch erschwerten Lesebedingungen nicht abhalten lassen. Über 500.000 Downloads meldet Kings amerikanischer Verlag Simon & Schuster stolz. Das Internet hat seinen ersten Bestseller. Es wird nicht der letzte bleiben.
Einen alten Ford Mustang etwa, wohlvertraut aus Stephen Kings frühem Meisterwerk "Christine" um den gleichnamigen Oldtimer, der die Lebenskraft seiner Besitzer vampirhaft aussaugt. Mit "Christine" hatte King eine düstere Metapher für das automobilbesessene Amerika geschaffen - und für den Blutzoll Zehntausender Verkehrstoter, den diese Obsession Jahr um Jahr fordert. Auch einem Freizeitpark begegnet der Leser in "Riding the Bullet" wieder, einem der Lieblings-Handlungsorte Kings, denn nirgendwo sonst liegen Lust und Grauen näher beinander. "The Bullet" ist eine Achterbahn, die Fahrt auf dem Vergnügungsvehikel dient King nun als Bild für die Lebensreise, und der Ford Mustang wandelt sich unter der Hand in den Nachen des Toten-Fährmanns Charon.
Der Student Alan Parker erhält eines Abends einen Anruf. Eine Nachbarin informiert ihn, daß seine Mutter Jean einen Schlaganfall erlitten hat und im Krankenhaus liegt. Hals über Kopf bricht Alan von seiner Collegestadt per Autostopp nach Maine auf, um seine Mutter zu besuchen. Natürlich warten auf den Tramper der alte Ford Mustang und ein Fahrer, der direktenwegs aus der Hölle zu kommen scheint.
Stephen King ist immer dann am stärksten, wenn er für den Horror seiner Erzählungen Kinderängste einsetzt. Dieses simple, gleichwohl nie langweilige Muster bewährte sich im voluminösen Roman "Es" mit dem clownesken Monster ebenso wie in dem Menstruationsdrama "Carrie" oder im leider schwächeren "Friedhof der Kuscheltiere", und es bewährt sich ein weiteres Mal auf den 66 Seiten von"Riding the Bullet". Der Mustangfahrer stellt Alan Parker vor jene grauenhafte Alternative, die noch auf jede Kinderstirn Angstschweiß getrieben hat: Wenn du die Wahl hast zwischen deinem Leben und dem Leben deiner Mutter - wie entscheidest du dich?
"Die schlimmsten Geschichten sind die, die man sein ganzes Leben lang hört", heißt es an einer Stelle dieser perfekt gebauten kleinen Novelle, und auch wenn "Riding the Bullet" für die langjährigen Enthusiasten dieses amerikanischen Cahrles Dickens nur ein genüßliches "Déjà-vu" bringen mag, schmälert das wenig am beträchtlichen Lesevergnügen.
Anders die Umstände der Veröffentlichung. Stephen King, mit einer weltweiten Auflage von weit über hundert Millionen einer der erfolgreichsten Autoren der Gegenwart, hat schon seit geraumer Zeit mit innovativen Distributionsformen seiner Texte experimentiert. Nachdem er mit "The Green Mile" tatsächlich auf den Spuren seines Vorbilds Dickens wandelte und den Roman in Fortsetzungen erscheinen ließ, hat er sich nun entschieden, seine Novelle lediglich als sogenannter "e-book-text" im lnternet zu veröffentlichen. Auf den Websites hunderter amerikanischer Internetbuchhändler ist der neue King zum Preis von zwei Dollar und fünfzig Cents als Download erhältlich. Amazon.com, Amerikas größter lnternetbuchhändier, bietet "Riding the Bullet" sogar als Werbegag kostenlos an. Doch der kopiergeschützte und nicht ausdruckbare Text ist auf keinem Computermonitor der Weit darstellbar. Dazu bedarf es eines sogenannten E-book-readers, einer Software also, die den elektronischen Text auf den Schirm zaubert. Amazon.com bietet durch eine Kooperation mit der Softwarefirma Glassbook auch ein solches Programm kostenlos an, allerdings erfordert der Download der auf den poetischen Namen "Glassbook Reader" getauften Lesehilfe etwas Geschick beim Installieren und nicht wenig Zeit - glatte 40 Minuten benötigt ein gut getuntes 56-k-Modem, um das heiß ersehnte Programm auf die Festplatte zu bannen. Bis dann auch noch der Text eingetroffen ist, hat der Leser für die vermeintlich kostenlose Lektüre gut und gern den Preis eines Taschenbuchs bei seinem Provider und der Telefongesellschaft gelassen. Darüber könnte hinwegtrösten, nun wenigstens zur technischen Avantgarde der Literaturliebhaber zu gehören, erwiese sich der Glassbook Reader nicht als Museumsstück der Programmierkunst: keine Veränderung der Grundeinstellungen läßt die Schrift auf einem durchschnittlichen Computermonitor anders als verschwommen erscheinen. Fazit: der neue King ist nicht gruselig, sondern grieselig.
Und das wird auch so bleiben, bis irgendwann in ferner Zukunft endlich richtige "e-books", also speziell für die Darstellung elektronischer Texte entwickelte Geräte, in Deutschland in den Handel kommen. Diese Hardware wurde von der Industrie zwar immer wieder angekündigt, bleibt bislang hierzulande aber ein vages Versprechen. Weltweit hat sich die Stephen-King-Gemeinde von solch erschwerten Lesebedingungen nicht abhalten lassen. Über 500.000 Downloads meldet Kings amerikanischer Verlag Simon & Schuster stolz. Das Internet hat seinen ersten Bestseller. Es wird nicht der letzte bleiben.