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Riecht gut, schmeckt gut

Biologie. - In südlichen Ländern ist es normal, auf vielen deutschen Wochenmärkten wird es nicht so gern gesehen, wenn ein Kunde mit der Nase so richtig tief in die Obst- und Gemüsekisten hinabtaucht. Der Schnüffeltest hat durchaus seinen Sinn. Denn der natürliche Geruch einer Pflanze hängt direkt mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen zusammen, wie amerikanische Forscher in der Zeitschrift "Science" berichten.

Von Michael Gessat |
    Ob würzig-intensiv wie bei Sellerie und Knoblauch, ob spritzig-frisch wie bei Orange und Zitrone, ob üppig-betörend wie bei reifer Ananas oder Mango: Was uns erst an Duftstoffen in die Nase steigt und dann beim genussvollen Mahl oder Trunk für Aromasensationen sorgt, das nennt der Biologe oder Chemiker ganz nüchtern: "flüchtige organische Verbindungen". Und ursprünglich ist damit gemeint, dass solche Substanzen leicht verdunsten.

    Schon seit längerer Zeit absolut flüchtig oder anders gesagt nicht mehr vorhanden ist Aroma und Geschmack bei manchen Zuchtpflanzen. Harry Klee von der Universität Florida hat einmal nachgemessen, was die Wildtomate Lycopersicum esculentum und die Zuchtsorte "Flora-Dade" in dieser Hinsicht unterscheidet:

    " Bei der Tomate gibt es ungefähr 15 bis 20 flüchtige Verbindungen, die alle sehr wichtig sind, die zusammenwirken und den einzigartigen Geschmack ergeben, den wir als "Tomate" erkennen. Was wir feststellen, wenn wir die Wildtomate mit einer über die letzten hundert Jahre herangezüchteten Sorte vergleichen: Praktisch alle Aromen kommen in der Kulturtomate in signifikant geringerer Menge vor."

    Das ist nicht nur ein Problem von Duft oder Geschmack. Denn, so fand Klee heraus, nahezu alle der für das Tomatenaroma typischen "flüchtigen Verbindungen" entstehen chemisch aus genau solchen Stoffen, die essentiell für die menschliche Ernährung sind.

    " Als wir das zuerst beobachtet haben, waren wir wirklich erstaunt darüber, wie groß da die Übereinstimmung ist. Und ich sollte noch hinzufügen, dass der Zusammenhang auch in Bezug auf die Mengen gilt: Je mehr von der "flüchtigen Verbindung" abgegeben wird, umso mehr ist auch der entsprechende wichtige Nährstoff in der Pflanze vorhanden."

    Tomaten, aber auch andere Pflanzen teilen also per Aroma der Umwelt mit, was Gutes in ihnen steckt. Das können Nährstoffe sein, aber auch antimikrobiell oder antioxidant wirkende Substanzen; Naturmedizin sozusagen.

    " Die wirklich interessante Frage ist doch: Warum produziert die Pflanze diese chemischen Substanzen? Und einer der für mich überzeugendsten Gründe ist, das die Pflanze Tieren, und in unserem Fall dem Menschen ein Signal sendet: Die Frucht ist gut für dich, du solltest sie essen. Und du solltest dadurch den Samen verbreiten."

    Eine Art von Kommunikation also, sagt Harry Klee; ein Arrangement zu beiderseitigem Vorteil, das sich im Laufe der Evolution herausgebildet hat. Seit geraumer Zeit funktioniert die Sache mit den Duft-Signalen nicht mehr so recht. Auf der einen Seite täuschen künstliche Aromen in industriell erzeugten Lebensmitteln wertvolle Inhalte vor, die gar nicht vorhanden sind. Auf der anderen Seite haben uns viele Zuchtpflanzen nicht mehr viel zu sagen, wie die aromaarme Tomate. Stephen Goff, Grundlagenforscher beim Agrobusiness-Konzern Syngenta:

    " Das Hauptaugenmerk beim Züchten lag auf der Farbe, auf der Größe, auf dem Ertrag, der Transportfähigkeit, der Lagerfähigkeit; auf allen möglichen Dingen, die nicht unbedingt etwas mit dem Aroma zu tun haben."

    Um eine Pflanzensorte zu verbessern oder verloren gegangene Charakteristika zu rekonstruieren, braucht man sehr viel Probiererei und Zeit. Schneller ginge es mit dem Wissen, wo im vorhandenen Zuchtmaterial die Erbeigenschaften stecken, die man verstärken möchte. Genau daran arbeiten Stephen Goff und Harry Klee: Sie lokalisieren die entsprechenden Gene im Erbgut der Pflanzen und geben die Informationen darüber an die Züchter weiter. "Marker-unterstütztes Züchten" nennt sich das dann:

    " Das ist lediglich beschleunigtes herkömmliches Züchten zusammen mit einer Analyse der DNA. Mit dieser Technologie kann man eine größere genetische Vielfalt erzeugen als mit dem traditionellen Verfahren. Im Blickfeld liegen dabei vor allem Sorten, die den Nährstoffgehalt und gleichzeitig die Aromafülle ansteigen lassen; Aroma, das die Nährstoffe signalisiert."

    Noch schnellere und zielgenauere Resultate würde nur der direkte Eingriff in das Pflanzenerbgut ermöglichen. Doch, das ist Stephen Goff und Harry Klee klar, beim Thema "Genmanipulation" wendet sich gerade der europäische Verbraucher mit Grausen - auch wenn die Sache noch so verführerisch duften sollte.