Die Pászthorys fügten der realen Historie die Figur einer Maria hinzu. Sie ist das Mündel des Meisters, bietet sich ihm als Modell an, als dieser den Auftrag erhielt, ein Kirchenportal mit Adam und Eva zu rahmen. Weil die Statue der hübschen Jungfer allzu genau glich, zerrissen sich die Würzburger(innen) wohl die Mäuler und nahm die Rivalität zwischen Til und dem geilen Dompfaffen Konrad, nachmals Bischof, ihren Ausgang.
Casimir von Pászthory stattete das recht holzschnittartige Historien-Stück mit einer Melange aus Pfitzner-Nachfolge und Wagner-Zitaten aus, lehnte sich an Richard Strauss und Franz Schreker an.
Solches musikalisches Mittelgut begleitet halbwegs plausibel die Marien-Geschichte. Mit dem Näherrücken des Bauernaufstandes und dem wachsenden Engagement des Künstlers für die Nöte des Volkes erweisen sie sich als allzu einfach gestrickt: Das Florian-Geyer-Lied und andere kernige Gesänge aus jenen historischen Zonen bestreiten die Szene der dramatischen Kulmination, als wäre noch Singspielzeit des Vormärz.
Der junge Kapellmeister Evan Christ animiert nun zum eintausenddreihundertsten Geburtstag Würzburgs am Mainfrankentheater eine musikalisch ansprechende Produktion; allerdings kann sie die Schwachstellen der Komposition (und die Unsäglichkeiten des Librettos) nicht überspielen. Die Inszenierung erscheint der Sache angemessen: In einem durch Projektionen modifizierten Guckkasten erhält die Folge von acht Szenen historisches und Lokalkolorit; auch die Kostüme und Mützen spielen auf das frühe 16. Jahrhundert an.
Das Würzburger Theater, periodisch von der Abwicklung bedroht, sucht feste Bodenhaftung beim Publikum, das auf Avancierteres in der Regel nicht allzu freudig anspricht. Da mag die Besinnlichkeit der Riemenschneider-Rückschau sich angeboten haben – diese Oper, die erst zehn Jahre nach ihrer Entstehung in Salzburg konzertant gegeben, 1957 in Basel ein einziges Mal auf die Bühne gebracht und dann eingemottet wurde. Freilich dürfte sie, trotz des neuerlichen Achtungserfolgs, bald wieder in der tiefen Truhe verschwinden: aus ästhetischen Gründen.
Irritierend sind weder das Werk noch sein Aufführung oder gar der seit vier Jahrzehnten auf einem Salzburger Friedhof frierende Komponist. Beunruhigend ist die im Namen eines offensichtlich einträglichen "Antifaschismus" betriebene Verdächtigung im Vorfeld der Würzburger Premiere, deren Betreiber sich nicht sachkundig machten. Aber so ist das eben im neoliberalen Feuilleton: da kommt es nicht mehr auf Tatsachen und ästhetische Differenz an, sondern auf Event und Radau.