Archiv


Rien ne va plus

Vor 18 Jahren begann das Autohaus FIAT im Palazzo Grassi mit Kunstausstellungen. Schauen, die auf mehreren tausend Quadratmetern den Futurismus und die Phönizier, die Renaissance und Picasso, die Pharaonen und Balthus behandelten. Immer wieder gelang es den Kuratoren die bedeutendsten Werke eines Künstlers oder einer Epoche zusammenzuleihen. Ein voller Erfolg: rund 7,5 Millionen Menschen besuchten in 18 Jahren 26 Ausstellungen. Das waren mehr als 288.000 Besucher pro Kunstschau. Die kulturelle Initiative von FIAT, die auf Wunsch des inzwischen verstorbenen italienischen Autokönigs Gianni Agnelli zustande kam, kostete dem Unternehmen schließlich zuviel.

Von Thomas Migge |
    Mit dem dramatischen Fortschreiten der Krise bei FIAT, die zu immensen Schulden führte, wurde das Projekt Palazzo Grassi zu teuer. Gianni Agnelli starb. Sein Bruder Umberto hatte zunächst versucht, die Ausstellungshalle in Venedig zu halten. Nun ziehen die neuen Manager in Turin einen Schlussstrich: acht Millionen Euro Verluste jährlich sind zuviel. Sie wollen den Palast abstoßen und seine 15 Mitarbeiter entlassen. Die Nachricht von einer bevorstehenden Schließung des Palazzo Grassi machte international ihre Runde. "Venedigs Gondeln tragen Trauer", schrieb die "New York Times". Jetzt aber ist Rettung in Sicht. Die Stadt Venedig hat sich bereit erklärt, den Palazzo für 25 Millionen Euro aufzukaufen. Geplant ist die Zusammenarbeit mit den Musei Civici, den städtischen Museen, die in punkto Ausstellungspolitik in den letzten Jahren ebenfalls große Erfolge verbunden konnten.

    Um die neuen Kunstschauen der Post-FIAT-Ära zu finanzieren ist es Venedigs Bürgermeister Paolo Costa gelungen eine Art Konsortium auf die Beine zu stellen. An diesem Konsortium sind das städtische Kasino, eine der lukrativsten Einrichtungen der Kommune, sowie die Stiftung für Venedig beteiligt. Diese Stiftung, die sich aus verschiedenen Banken zusammensetzt, sowie das Casino haben zusammen 90 Prozent der Aktien der Palazzo-Grassi-Gesellschaft erworben. Zehn Prozent verbleiben bei FIAT. Als neuer künstlerischer Direktor des Palazzo Grassi ist Jean-Jacques Aillagon ausgeschaut worden. Der ehemalige französische Kulturminister war sechs Jahre lang Direktor des Centre Pompidou in Paris und hat sich damit international einen Namen als Ausstellungsmacher erworben. Aillagon könnte für den Palazzo Grassi unter neuer Führung der richtige Mann sein - auch dank seiner weltweiten Kontakte zu Museen und Sammlern.


    Die Stadtverwaltung von Venedig will dafür Sorge tragen, dass der Palazzo Grassi auch weiterhin für Aufsehen sorgen wird. Fraglich ist nur, wie das Konsortium der neuen Eigentümer aus dem Verlust- ein Gewinnunternehmen machen will. Schon jetzt kosten die Eintrittskarten zu den Ausstellungen zwölf Euro und das Geschäft mit Kalendern und Postern wird sich nicht weiter ausreizen lassen. Hinzu kommt, dass die Versicherungskosten für entliehene Kunstwerke in Zeiten des Terrors immer weiter ansteigen. Bürgermeister Paolo Costa zeigt sich diesbezüglich aber gelassen. Er hofft, dass sich mit zwei Ausstellungen pro Jahr - anstatt nur mit einer - die Kasse des Palazzo Grassi langsam aber sicher füllen wird.