Dienstag, 21. Mai 2024

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Riesenhafter Aufbau und gähnende Langeweile

William Forsythes Titel "Now this when not that" meint Sinn sei immer etwas, das wir den Geschehnissen nachträglich verleihen, um uns über die eigentlich gigantische Leere der menschlichen Existenz hinwegzutäuschen. Weniges aber könnte leerer sein als das Stück selbst.

Von Wiebke Hüster | 06.10.2011
    Die Bühne in der Jahrhunderthalle in Bochum hat William Forsythe in einen schwarzen Schlauch verwandelt, eine Art gigantischen Fluchttunnel, in den das Publikum hineinschaut von der hohen fernen Warte seiner breiten Tribüne. Am Ende des Schlauchs: Dunkel, das die Tänzer ausspuckt und wieder verschluckt. Vorne aber herrscht mal gleißende Helle, mal schießt grelles Zwielicht aus kleinen, schwarz umhüllten und in Gitter eingehängten Halogenlampen. Dann kommt der Teil, in dem man blinzelt, um im geheimnisvollen grauen Dämmerschein noch schemenhafte Bewegung zu erkennen.

    In den dramatischeren Momenten von William Forsythes neuem Stück "Now This When Not That" fahren graue Gazevorhänge wie starre Tore auf und ab und unterteilen die Bühne in drei Abschnitte. Es herrscht Überfluss an Platz in dieser von Thom Willems dumpfen Beats erfüllten Mehrzweckhalle, Überfluss an Raum, technischer Perfektion. Die minimalistische Ausstattung verströmt einen luxuriösen Purismus, - außer teuren Lampen und lautlosen Zügen findet sich nur ein einziger Stuhl und ein paar schwarze Perücken mit raschelnden Kunststofffransen sind alles an Requisiten.

    Auf diesem Stuhl nimmt Dana Caspersen Platz und beginnt zu reden, während zwei Männer auf Socken umeinander tanzen. "It’s an emergency" - es sei ein Notfall, so Caspersen, und so beginne es augenscheinlich. Man weiß nicht, was, das Stück, die Katastrophe, die Zeit danach? Mehr Tänzer in bunten Hosen kommen dazu, später auch zwei schwarz Verschleierte. Caspersen geht ab, David Kern hält Monologe in Fantasiesprache und klingelt mit einem kuhglockenähnlichen Kunstgegenstand. Warum nur ist es, dass dieser ganze riesenhafte Aufbau über 65 Minuten hinweg mehr und mehr gähnende Langeweile erzeugt?

    Die Monologe konstruieren einen Sinnzusammenhang, den sie in wellenartiger Bewegung immer gleich wieder zerstören. Forsythes Titel "Now this when not that" - Jetzt dies, wenn nicht das - meint Sinn sei immer etwas, das wir den Geschehnissen nachträglich verleihen, um uns über die eigentlich gigantische Leere der menschlichen Existenz hinwegzutäuschen. Weniges aber könnte leerer sein als dieser Abend es war.