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Riesenhüpfer aus der Kreidezeit

Flöhe stechen und übertragen Krankheiten. Schätzungen zufolge sind allein an der Beulenpest im Laufe der Geschichte 75 Millionen Menschen gestorben. Chinesische Wissenschaftler haben jetzt Fossilien von Insekten ausgegraben, die unseren heutigen Flöhen in vielen Punkten ähnlich sehen.

Von Joachim Budde | 14.05.2012
    "Diese Insekten sind etwa zehn Mal größer als heutige Flöhe, zweieinhalb bis drei Zentimeter, und ihre Hinterbeine sind nicht zum Springen geeignet. Darum nennen wir unsere Entdeckungen Pseudo-Flöhe, es sind keine direkten Vorfahren heutiger Flöhe."

    Das sind Details, in denen sich die beiden urzeitlichen Insekten von neuzeitlichen Flöhen unterscheiden, sagt Professor Chung Kun Shih von der Capital Normal University in Peking. Ausgegraben wurden sie in der Jiulongshan-Formation in der Inneren Mongolei.

    "Diese Insektenfossilien sind ausgezeichnet erhalten, fast als habe die Natur vor 125 bis 165 Millionen Jahren ein hoch aufgelöstes Foto gemacht und auf Stein gebannt. Wir können sogar Haare auf dem Körper erkennen und die Mundwerkzeuge mit ihren detaillierten Strukturen. Wir können uns glücklich schätzen, dass uns so gut erhaltene Funde für unsere Studien zur Verfügung stehen."

    Eine offensichtliche Gemeinsamkeit hatten die urzeitlichen Insekten allerdings mit den Flöhen, die heute Mensch und Tier piesacken, sagt Shih: Sie stachen und saugten Blut.

    "Das erstaunlichste Merkmal dieser beiden urzeitlichen Insekten sind ihre mit Sägezähnen bewehrten Saugrüssel, drei bis fünf Millimeter lang – das ist wirklich riesig. Das lässt vermuten, dass die Haut ihrer Wirtstiere sehr dick und unempfindlich gewesen ist, darum glauben wir, sie stachen damit gefiederte Dinosaurier oder gefiederte Flugsaurier."

    Dafür spricht auch, dass die Tiere aus dem Mesozoikum breit und platt waren. Sie hätten sich also schwerer durch Fell bewegen können als heutige Flöhe, die eher schmal sind.

    Professor George Poinar glaubt, dass diese Pseudo-Flöhe während der Kreidezeit weit verbreitet waren. Der Paläoentomologe von der Oregon State University im us-amerikanischen Corvallis hat die Funde unabhängig von den chinesischen Wissenschaftlern begutachtet. Poinar sagt, russische und australische Wissenschaftler hätten Fossilien von ganz ähnlichen Insekten ausgegraben. Doch das werfe die Frage auf, warum so weit verbreitete Tiere am Ende der Kreidezeit ausgestorben sind.

    "Hätten sie sich auch an Vögeln oder Säugetieren ernährt, müsste es auch Fossilien aus späteren Zeiten geben. Darum glaube ich, dass sie nur Saurier gestochen haben, denn die lebten lediglich im Mesozoikum."

    Poinar glaubt, dass die Pseudo-Flöhe zusammen mit den Sauriern ausgestorben sind, er geht sogar noch weiter:

    "Das ist für mich der spannende Teil: Wenn diese Insekten sich an Sauriern ernährt haben, können sie größeren Schaden angerichtet haben als das bisschen Blutverlust. Ich glaube, sie haben Krankheiten übertragen. Was immer Wirbeltiere beißt, überträgt früher oder später Krankheiten. Diese Pseudo-Flöhe haben die Saurier vermutlich nachts im Schlaf gestochen, und sie mit etwas infiziert, das zum Aussterben der Saurier beigetragen hat. Denn unserer Ansicht nach spielen Krankheiten eine bedeutende Rolle im Untergang der Saurier."

    Auch wenn das natürlich unmöglich ist, am liebsten würde Poinar die Pseudo-Flöhe sezieren, um Krankheitserreger aufzuspüren. Denn um deren Überreste in der Versteinerung der Flöhe zu finden – dafür reicht auch die hohe Auflösung der mongolischen Fossilien nicht aus.