Michael Praetorius: "Dieses vielstimmige liebliche Werk begreift alles das in sich, was etwa in der Musik erdacht und komponiert werden kann und gibt so einen rechten natürlichen Klang, Laut und Ton von sich, nicht anders als ein ganzer Chor voller Musikanten."
Als am 4. Februar 1811 Aristide Cavaillé-Coll in Montpellier geboren wird, gehört dieses von dem Barockkomponisten Michael Praetorius beschriebene Klangideal bereits der Vergangenheit an. Die Pracht der barocken Orgel und die Demut, die es von dem unten in der Kirche sitzenden Gläubigen erforderte, war mehr und mehr in Widerspruch zu dem im 18. Jahrhundert aufkommenden Ideal eines emanzipierten, durch den Gebrauch der eigenen Vernunft geleiteten Menschen geraten. Musik sollte jetzt vor allem menschliche Gefühle ausdrücken. Dafür schienen zu Beginn des 19. Jahrhunderts Kammermusik und Kunstlied, groß besetzte Symphonie oder Oper die richtigen Formen zu bieten. Die Kirchenorgel dagegen war für Komponisten uninteressant geworden.
Der einer Familie von Orgelbauern entstammende Aristide Cavaillé-Coll erkennt früh das allgemeine Bedürfnis nach einem gefühlvolleren, einem expressiveren Klang. Zusammen mit seinem Vater erfindet der 20-Jährige ein neuartiges Instrument, das dem verbreiteten Wunsch nach häuslichem Musizieren entgegenkommt. Er lässt sich die Erfindung, die offenbar eine Marktlücke füllt, patentieren.
Rossini ist von der "Poikilorgue", einer Art Harmonium, begeistert und empfiehlt den Erfindern eine Reise nach Paris, wo sich die Familie 1833 niederlässt. Cavaillé-Coll ist schnell erfolgreich. Er erhält den Zuschlag für den Neubau der Orgel in der Basilika St. Denis, der Grabstätte der französischen Könige. Dank guter Geschäftsbeziehungen, vor allem aber wegen entscheidender technischer Innovationen wird die expandierende Werkstatt schnell zum Zentrum des französischen Orgelbaus. Cavaillé-Colls vielleicht wichtigste Neuerung ist der Einsatz des sogenannten Barkerhebels. Der Organist und Experte für französische Orgeln, Kurt Lüders:
"Eine Art Servomechanismus, das nahm den Orgelwind um die Schwergängigkeit des Spiels zu überwinden."
Wie bei den Bremsen eines Lastwagens wird die Kraft der Maschine genutzt, um das Spiel leichter zu machen. Dadurch, und durch den generell höheren Winddruck wird es möglich, eine weit größere Zahl von Pfeifenventilen gleichzeitig zu öffnen – eine Voraussetzung für den nun immer voller werdenden Sound. Die Instrumente werden mächtiger – und sie erhalten eine weitere Neuerung, die den barocken Orgeln etwa deutscher Bauart weitgehend fremd war: das Schwellwerk.
Instrumente werden nicht mehr nur in Kirchen, sondern auch in weltlichen Sälen aufgestellt, ja sogar auf der Pariser Weltausstellung 1878 ist eine riesige Cavaillé-Coll Orgel zu hören.
Kurt Lüders: "Es war auch möglich, großes Orchester aufzustellen. Mit anderen Worten, das Publikum konnte endlich mal die Orgel außerhalb des kirchlichen Raumes hören."
Cavaillé-Coll achtet dabei weniger auf wirtschaftliche als auf Qualitätskriterien. Das bringt ihn mehrfach an den Rand des Ruins. Doch die Komponisten wissen seine Radikalität zu schätzen: Charles Marie Widor, Franz Liszt, Cesar Franck oder Camille Saint-Saens schreiben für das Instrument. Es entsteht die Form der Orgelsymphonie, ja sogar Musik der leichten Muse erklingt auf den riesigen Musikmaschinen. Albert Schweitzer, Arzt, Philosoph und Experte für deutsche und französische Orgeln, über den 1899 verstorbene Aristide Cavaillé-Coll:
"Bis einst Paris wie Babel ein Trümmerhaufen ist, werden diejenigen, die für die zauberhafte Schönheit seiner Orgeln empfänglich sind, beim Verlassen von Notre-Dame und St. Sulpice mit Ergriffenheit desjenigen gedenken, der es wagte, der Zeit trotzend, rein Künstler zu bleiben."
Als am 4. Februar 1811 Aristide Cavaillé-Coll in Montpellier geboren wird, gehört dieses von dem Barockkomponisten Michael Praetorius beschriebene Klangideal bereits der Vergangenheit an. Die Pracht der barocken Orgel und die Demut, die es von dem unten in der Kirche sitzenden Gläubigen erforderte, war mehr und mehr in Widerspruch zu dem im 18. Jahrhundert aufkommenden Ideal eines emanzipierten, durch den Gebrauch der eigenen Vernunft geleiteten Menschen geraten. Musik sollte jetzt vor allem menschliche Gefühle ausdrücken. Dafür schienen zu Beginn des 19. Jahrhunderts Kammermusik und Kunstlied, groß besetzte Symphonie oder Oper die richtigen Formen zu bieten. Die Kirchenorgel dagegen war für Komponisten uninteressant geworden.
Der einer Familie von Orgelbauern entstammende Aristide Cavaillé-Coll erkennt früh das allgemeine Bedürfnis nach einem gefühlvolleren, einem expressiveren Klang. Zusammen mit seinem Vater erfindet der 20-Jährige ein neuartiges Instrument, das dem verbreiteten Wunsch nach häuslichem Musizieren entgegenkommt. Er lässt sich die Erfindung, die offenbar eine Marktlücke füllt, patentieren.
Rossini ist von der "Poikilorgue", einer Art Harmonium, begeistert und empfiehlt den Erfindern eine Reise nach Paris, wo sich die Familie 1833 niederlässt. Cavaillé-Coll ist schnell erfolgreich. Er erhält den Zuschlag für den Neubau der Orgel in der Basilika St. Denis, der Grabstätte der französischen Könige. Dank guter Geschäftsbeziehungen, vor allem aber wegen entscheidender technischer Innovationen wird die expandierende Werkstatt schnell zum Zentrum des französischen Orgelbaus. Cavaillé-Colls vielleicht wichtigste Neuerung ist der Einsatz des sogenannten Barkerhebels. Der Organist und Experte für französische Orgeln, Kurt Lüders:
"Eine Art Servomechanismus, das nahm den Orgelwind um die Schwergängigkeit des Spiels zu überwinden."
Wie bei den Bremsen eines Lastwagens wird die Kraft der Maschine genutzt, um das Spiel leichter zu machen. Dadurch, und durch den generell höheren Winddruck wird es möglich, eine weit größere Zahl von Pfeifenventilen gleichzeitig zu öffnen – eine Voraussetzung für den nun immer voller werdenden Sound. Die Instrumente werden mächtiger – und sie erhalten eine weitere Neuerung, die den barocken Orgeln etwa deutscher Bauart weitgehend fremd war: das Schwellwerk.
Instrumente werden nicht mehr nur in Kirchen, sondern auch in weltlichen Sälen aufgestellt, ja sogar auf der Pariser Weltausstellung 1878 ist eine riesige Cavaillé-Coll Orgel zu hören.
Kurt Lüders: "Es war auch möglich, großes Orchester aufzustellen. Mit anderen Worten, das Publikum konnte endlich mal die Orgel außerhalb des kirchlichen Raumes hören."
Cavaillé-Coll achtet dabei weniger auf wirtschaftliche als auf Qualitätskriterien. Das bringt ihn mehrfach an den Rand des Ruins. Doch die Komponisten wissen seine Radikalität zu schätzen: Charles Marie Widor, Franz Liszt, Cesar Franck oder Camille Saint-Saens schreiben für das Instrument. Es entsteht die Form der Orgelsymphonie, ja sogar Musik der leichten Muse erklingt auf den riesigen Musikmaschinen. Albert Schweitzer, Arzt, Philosoph und Experte für deutsche und französische Orgeln, über den 1899 verstorbene Aristide Cavaillé-Coll:
"Bis einst Paris wie Babel ein Trümmerhaufen ist, werden diejenigen, die für die zauberhafte Schönheit seiner Orgeln empfänglich sind, beim Verlassen von Notre-Dame und St. Sulpice mit Ergriffenheit desjenigen gedenken, der es wagte, der Zeit trotzend, rein Künstler zu bleiben."