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Riesiger Beschleuniger für schwere Teilchen

Physik. - Im GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt steht eine Anlage, mit der Ionen bis fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden können. Nun ist ein Milliardenprojekt geplant: Die Beschleunigeranlage soll ab 2012 in riesigem Umfang erweitert werden.

Von Julia Beißwenger | 29.08.2011
    "Das ist ein Milliardenprojekt. Das wird ein Mekka, für Physiker von der ganzen Welt sein",

    freut sich Boris Sharkov vom GSI Helmholtzzentrum. Hier, im Norden von Darmstadt soll ein neuer Teilchenbeschleuniger entstehen. Rund 1100 Meter lang wird er in Form eines Ringes unter der Erde liegen, ergänzt durch neue überirdische Bauten – unter anderem mehrere bis zu 500 Meter lange Speicherringe, mit denen beschleunigte Partikel genauer untersucht werden. Die Anlage soll bald ähnliche Bedeutung erlangen wie der Beschleuniger des Cern in Genf. Dort lassen Wissenschaftler sehr leichte Teilchen zusammenstoßen, wodurch Temperaturen entstehen, die beim Urknall geherrscht haben. In Darmstadt dagegen wollen die Forscher schwere Atome kollidieren lassen, Blei- oder Goldionen zum Beispiel. Fair nennen sie die geplante Anlage, der Name steht für Facility for Antiproton and Ion Research, erklärt Pressesprecher Ingo Peter.

    "An der zukünftigen Anlage Fair ist es nicht das Ziel unbedingt höhere Energien oder Geschwindigkeiten zu erzeugen, sondern schwere Teilchen, schwere Ionen mit höchster Intensität, also viele Teilchen pro Sekunde und wenn Sie diese zusammenstoßen lassen, dann sind die Temperaturen nicht ganz so hoch wie am Cern, aber sie schließen sozusagen dort an",

    und ermöglichen zum Beispiel Aussagen darüber, wie sich aus der Teilchensuppe kurz nach dem Urknall die heute bekannten Elemente entwickelten.

    "Das können wir in allen Einzelheiten Schritt für Schritt nachvollziehen und das geht nur an der Anlage Fair."

    Zehn Staaten sind derzeit am Bau beteiligt. Die Wahl fiel auf Darmstadt, da hier bereits ein Teilchenbeschleuniger für schwere Ionen im Einsatz ist. Er soll die künftige Anlage ergänzen, die viel intensivere Ionenstrahlen liefern wird. Gegenwärtig allerdings steht auf dem geplanten Bauland noch Wald für die Forstwirtschaft.

    "Durch den Bau der Anlage sind natürlich umfangreiche Waldrodungsmaßnahmen erforderlich, in der Größenordnung von circa 20 Hektar, wobei ein großer Teil wieder auf dem Gelände nach Herstellung der Anlage aufgeforstet wird und das verbleibende Walddefizit, das wird zum Teil unmittelbar angrenzend durch Wiederaufforstungsmaßnahmen kompensiert oder im gleichen Naturraum durch Ersatzaufforstung",

    erklärt der Umweltberater Helmut Schneble. Die Abstimmungen mit der Land- und Forstwirtschaft waren komplex und langwierig, sagt er, doch noch größer sind die Herausforderungen, die der Bau stellt. Damit keine hochenergetischen Teilchen entweichen können, werden die Messstationen dicke Betonwände bekommen. Gleiches gilt für den ringförmigen Beschleuniger, der in einem 40 Meter breiten Graben zehn Meter tief in der Erde liegen wird. Die dicken Abschirmungen bedeuten ein großes Gewicht. 1600 Betonpfähle mit einer Länge von bis zu 60 Metern bilden daher das Fundament.

    "Wir haben hier Schluffe, Sande im Untergrund und kein anstehenden Fels und deswegen ist es erforderlich, durch tiefe Betonsäulen die Lasten einfach abzutragen im Untergrund."

    Die in Deutschland verfügbaren Großbohrgeräte werden sich für einige Jahre am GSI Helmholtzzentrum konzentrieren, sagt Helmut Schneble. Spaziergängern ist das Gelände dann nicht zugänglich, aber nach der Fertigstellung soll die Fläche über dem Beschleuniger den Bürgern als Erholungsgebiet dienen. Die meisten Darmstädter stehen dem Projekt positiv gegenüber, das zeigen regelmäßige Informationsveranstaltungen, auf denen sich viele Anwohner äußern.

    "Das ist ja ein enormer Pluspunkt für die ganze Region und da bin ich überzeugt, dass da keine Probleme kommen werden."

    "Ich mein, überall, wo etwas erneuert ist, verliert man Wald. Das versteh ich schon."

    "Ich hab auch selten gehört, dass die Leute viel dagegen gehabt hätten."

    "Und mit der Strahlung, ich glaub net, da das so tief in der Erde ist, dass da irgendwann mal was rauskommt. Das ist das einzige Bedenken, wo mir vielleicht haben."

    Zum Strahlenschutz wünscht sich mancher Anwohner mehr Information, auch wenn die Wissenschaftler versichern, dass alle vorgeschriebenen Grenzwerte deutlich unterschritten werden. Zurzeit, so erzählen sie, beginnen praktische Vorbereitungen. Dazu gehört unter anderem der Bau einer gut ein Kilometer langen Straße für die Lkw, die bald rollen werden. Im Herbst 2012 soll der erste Spatenstich erfolgen. Wenn alles glatt läuft, könnte das neue Beschleunigerzentrum 2018 fertig sein.