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Riga
Leerstand in der Kulturhauptstadt

Lettlands Hauptstadt Riga strahlt im Glanz ihrer Rolle als Kulturhauptstadt 2014. Doch an vielen Plätzen ist davon nichts viel zu sehen: Häuser stehen leer und verrotten, weil die Stadt auf Investoren wartet. Ein Verein will die Räume nun für gemeinnützige Zwecke nutzbar machen.

Von Birgit Johannsmeier | 07.01.2014
    In einer hellen Halle sitzen zwei Personen auf dem Boden vor Tapetenbahnen und verteilen Kunsthaar darauf, im Hintergrund sind drei weiße Waschbecken an der Wand zu sehen.
    Vorbereitung einer Ausstellung in einer ehemaligen Tabakfabrik in Riga, die im Rahmen des Programms zur Kulturhauptstadt 2014 zum Kulturzentrum umgebaut wurde (dpa/picture alliance/Robert B. Fishman)
    Auf der Suche nach einer geeigneten Werkstatt ist Varis Auzins sogar im Winter mit dem Fahrrad in den Straßen von Riga unterwegs. Zwischen restauriertem Jugendstil lassen sich überall Häuser mit vernagelten Fenstern oder verwaiste Fabrikhallen entdecken. Varis Auzins hat es auf den Leerstand in der lettischen Hauptstadt abgesehen. Er möchte eine öffentliche Fahrradwerkstatt gründen, die jeder Rigenser kostenlos nutzen kann.
    "Wir gehören zum Verband "Free Riga" und fordern ein freies Riga. Wir kämpfen dafür, leer stehende Räume für die Gesellschaft zu öffnen. Ein Fahrrad zu besitzen ist sehr preiswert. In der Werkstatt können Leute ohne viel Geld lernen, wie sie ihr Rad selbst reparieren."
    Helle Ateliers hinter dunklen Schaufenstern
    Gründer der Bewegung Free Riga ist Marcis Rubenis. Der Mangel an günstigen Werkstätten hatte ihn schon früher zur Gründung offener Büro- und Ateliergemeinschaften inspiriert. Dann kam das Jahr 2009. Lettland geriet in die Krise, Firmen gingen pleite, Ladenlokale standen leer. Als erste Künstler mit Hauseigentümern verhandelten und hinter einst dunklen Schaufenstern helle Ateliers eröffneten, erschien Marcis Rubenis wieder auf dem Plan.
    "Ich habe die Leute aufgefordert, leer stehende Häuser mit Aufklebern zu markieren und auf einem interaktiven Stadtplan im Netz zu vermerken. Bis jetzt haben wir 120 Gebäude gefunden. Wir wollen nicht einfach Häuser besetzen, sondern mit dem Leerstand etwas Kreatives tun. Deshalb sind wir sowohl mit der Stadt als auch mit den Hausbesitzern im Gespräch. Wir wollen in Riga etwas verändern."
    Hemmende Bürokratie
    Die erste Erfolgsgeschichte spielt sich hinter der schmuddeligen Fassade einer ehemaligen Musikschule ab. Drei Jahre stand der Altbau leer, bevor Edgars Kanepe die Privateigentümer überreden konnte, ihm die drei Stockwerke für ein Kulturzentrum zu vermieten. Mehr als 200.000 Euro hat er in die Renovierung und den Ausbau der Räume investiert, die längst zur Attraktion in der Skolas Straße geworden sind: mit Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, Theater, Musik und Kinoabenden. Ein Engagement, das Edgars Kanepe manchmal bereut:
    "Allein die Bürokratie treibt mich in den Wahnsinn. Mein Nachname bedeutet Kannabis. Also hatten wir in den ersten Wochen jeden zweiten Tag Besuch von der Polizei. Sie vermuteten hier Drogenabhängige, die Hasch rauchen. Dann tauchte die Frage auf, ob unsere Arthouse Kultur den Richtlinien der Stadt entspricht. Ohne diesen Ärger wäre ich bereit, noch ein weiteres Zentrum zu gründen."
    Steuerermäßigungen für Sanierung
    Tatsächlich macht die kulturelle Nutzung von Leerstand in Riga gerade Schule und einst eher finstere Stadtteile wie Miera, Kalnciema oder die Tallinnas Straße werden aufgewertet. Deshalb werde jetzt die Stadtverwaltung reagieren, erklärt Olegs Burovs, der den Leerstand der Stadt betreut. Er begrüßt die Initiative "Free Riga" und kündigt umfangreiche Steuerermäßigungen für eine Altbausanierung an.
    "Jedes zugemauerte Fenster schreckt unsere Touristen ab. Deshalb werden wir nicht nur belohnen, sondern auch alle Privateigentümer bestrafen, die ihre Häuser verrotten lassen. Wir als Stadt würden unseren Grundbesitz lieber verkaufen, aber leider gibt es zurzeit keine Nachfrage. Hätten wir ein leer stehendes Gebäude in technisch gutem Zustand, könnten wir es kurzfristig gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung stellen."
    Deshalb will Varis Auzins die Idee seiner öffentlichen Fahrradwerkstatt jetzt ausbauen. Der Fahrradenthusiast versucht die Stadt Riga dafür zu gewinnen, in einem stillgelegten Fuhrpark eine "Fahrradbibliothek" aufzubauen. Dort könnten die Einwohner Rigas unterschiedliche Räder ausleihen und im Umweltschutz geschult werden: Um dann später ganz vom Auto auf das Mountain- oder Elektrobike umzusteigen.