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Rinderseuche in Neuseeland
150.000 Tiere sollen gekeult werden

Lange ist Neuseeland als größter Kuhmilch-Exporteur der Welt vom Krankheitserreger Mycoplasma bovis verschont geblieben - bis letztes Jahr erstmals eine Rinderherde positiv getestet wurde. Nun ergreift die Regierung extreme Maßnahmen.

Von Sophia Wagner | 13.06.2018
    Kühe stehen und liegen in der Nähe von Invercargill in Neuseeland auf einer Wiese.
    12.000 Milchfarmen mit um die 6,5 Millionen Milchkühen gibt es in Neuseeland - das nur 4,7 Millionen Einwohner zählt (Mark Baker/AP/dpa)
    Als Mycoplasma bovis im Sommer vergangen Jahres in Neuseeland entdeckt wurde, glaubte die Regierung, dass man den Ausbruch schnell unter Kontrolle bekommen würde, erzählt Richard Laven:
    "Am Anfang sah es so aus, als hätten wir sehr viel Glück gehabt und mit der ersten positiv getesteten Herde auch direkt die Eintragsquelle des Erregers gefunden. Aber im Dezember 2017 stießen wir dann auf eine Farm, die schon viel länger infiziert war. Wahrscheinlich schon seit Anfang 2016 oder sogar Ende 2015."
    Rindersperma wahrscheinlichste Ursache
    Mycoplasma bovis ist ein Bakterium, das weltweit verbreitet ist, auch in Deutschland. Die einzige Ausnahme ist Norwegen und - bis vor einem Jahr - Neuseeland. Die Infektion verläuft am Anfang meistens symptomlos und konnte sich deshalb über ein Jahr unbemerkt in Neuseeland ausbreiten. Wie genau Mycoplasma bovis es durch die strengen Grenzkontrollen ins Land geschafft hat, ist nicht klar. Das wahrscheinlichste Szenario ist gleichzeitig auch einer der seltensten Übertragungswege: infiziertes Rindersperma, das tiefgefroren aus dem Ausland importiert wurde.
    "Es ist ein bisschen so wie Lottospielen, nur dass wir eben Pech hatten und einen wirklich schlechten Preis gewonnen haben. Aber ich glaube nicht, dass eine bestimmte Person etwas falsch gemacht hat."
    Bakterium für Menschen ungefährlich
    Prof. Richard Laven lehrt an der Massey University, an der einzigen tiermedizinischen Fakultät in Neuseeland. Seit Beginn des Ausbruchs ist er als unabhängiger Berater für die Regierung tätig. Zumindest sei Mycoplasma bovis für den Menschen ungefährlich:
    "Es ist wahrscheinlicher, dass man sich an einem infizierten Stück Fleisch verschluckt und dann erstickt, als dass man sich mit dem Bakterium infiziert."
    Auch für die Kühe verläuft die Infektion mit Mycoplasma bovis in vielen Fällen relativ harmlos. Nach einer Latenzzeit können Gelenkprobleme, Euterentzündungen und bei Kälbchen oft auch Lungenentzündungen auftreten.
    Hoch ansteckend und schwer zu diagnostizieren
    Allerdings ist die Infektion sehr ansteckend, es gibt keine gute Behandlungsmöglichkeit, und auch die Diagnose funktioniert nicht zuverlässig.
    "In einer Herde werden viele der infizierten Rinder keine Symptome zeigen. Daran kann man eine Infektion also nicht festmachen. Und auch die Antikörpertests sind nicht sehr aussagekräftig, weil nicht alle Rinder Antikörper produzieren."
    Die Krankheit wird nur durch direkten Kontakt oder durch Körperflüssigkeiten übertragen, zum Beispiel durch Sperma oder über Milch. Auch Tiere, die keine Symptome zeigen, können Überträger sein.
    "Wir haben momentan 90 Farmen, die definitiv infiziert sind. Dazu kommen noch einmal 40 oder 50, die wahrscheinlich infiziert sind. Insgesamt also um die 130 Farmen. In ganz Neuseeland gibt es aber schon alleine 12.000 Milchhöfe. Bisher sind also nur sehr wenige Farmen betroffen."
    Regierung beschließt Keulung
    Trotzdem will die neuseeländische Regierung eine weitere Ausbreitung dringend aufhalten und hat deshalb Ende Mai entschieden, dass auf positiv getesteten Höfen jeweils der gesamte Rinderbestand gekeult wird. Anschließend sollen die Höfe für sechs Monate brachliegen, bevor neue Tiere gekauft werden dürfen. Eine extreme Maßnahme im Umgang mit einem Erreger, der in Deutschland nicht einmal anzeigepflichtig ist.
    Lockere Sicherheitsbestimmungen in Neuseeland
    Richard Laven hält die Keulungen trotzdem für sinnvoll, denn im Gegensatz zu den strengen Importkontrollen sind die Biosicherheitsbestimmungen im Land sehr locker.
    "Auf neuseeländischen Farmen passieren Dinge, die kein europäischer Bauer auch nur in Erwägung ziehen würde."
    So sind zum Beispiel nicht alle Weiden klar abgezäunt. Die Herde des einen Bauern mischt sich mit der Herde eines anderen. Auch wer wann und von wem Tiere gekauft hat, ist in Neuseeland nur lückenhaft registriert. Ein weiterer Übertragungsweg ist der Einkauf von sogenannter Abfallmilch.
    "Bauern, die Kälberaufzucht betreiben, kaufen anderen Farmern Milch ab, die nicht für den menschlichen Konsum geeignet ist. Zum Beispiel, weil die Kuh eine Euterentzündung hatte oder Antibiotika bekommen hat. In Europa werden Kälbchen dagegen mit Milchersatz aufgezogen."
    Chance eines Bewusstseinswandels
    Für die Ausrottung sollen in den nächsten zwei Jahren über 150.000 Rinder gekeult werden. Richard Laven denkt, dass es um die zehn Jahre dauern wird, bis man sicher sagen kann, ob die Ausrottung tatsächlich funktioniert hat. Bis dahin sieht er die Krankheit auch als Chance für einen Bewusstseinswandel bei den neuseeländischen Farmern:
    "Das könnte eine positive Folge dieser Seuche sein, dass man den neuseeländischen Farmern sagt: Schaut mal, wenn ihr euch mehr Gedanken darüber machen würdet, von wem ihr eure Tiere kauft und wie ihr eure Grundstücksgrenzen dichthaltet, dann hättet ihr euch die Krankheit überhaupt nicht auf den Hof geholt."