An Stelle der Vielzahl von Vorschriften soll künftig ein systematisches Lebensmittelrecht treten - mit einer dann vom Hof bis zum Ladentisch gültigen Hygienepolitik. Vier EU-weit direkt anwendbare Verordnungen sollen bestehendes Recht zusammenfassen und vereinfachen. Das von EU-Kommissar David Byrne vorgelegte Reformwerk wird zur Zeit im Europäischen Parlament diskutiert. Danach sollen Landwirte und die Nahrungsmittelindustrie stärker in die Pflicht genommen werden, um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Verbindlich wird eine Produkthaftung für die Hersteller von verarbeiteten Lebensmitteln. Unternehmen und Schlachthöfe sollen Kontrollsysteme einrichten, um über die gesamte Produktionskette die Verarbeitungsschritte zu ermitteln, die für die Hygiene besonders kritisch sind.
Seit diesem Herbst muss europaweit sogenanntes Risiko-Material von über 12 Monate alten Rindern, aber auch von Ziegen und Schafen verbrannt werden. Zu diesem Risiko-Material gehören Augen, Hirn, Milz, Mandeln und Rückgrat. Ferner gilt seit September, dass jedes in der EU verkaufte Stück Rindfleisch und jede Portion Hackfleisch ein Etikett mit Herkunftsangaben, wo das Tier geschlachtet und verarbeitet wurde, tragen muss. Ab 2002 müssen dann die Verbraucher zusätzlich darüber informiert werden, wo das Tier geboren und aufgezogen wurde.
Die wichtigste Rolle bei der Reform der Lebensmittelproduktion soll eine unabhängige Agentur für Lebensmittelsicherheit spielen, sagt die Sprecherin für Gesundheitsfragen in der EU-Kommission, Beate Gmindler:
"Während der ganzen BSE-Krise hat es sich gezeigt, dass es sehr wichtig ist, unabhängigen wissenschaftlichen Ratschlag zu bekommen. Wir wünschen uns, dass das mehr in der Öffentlichkeit geschieht. Deswegen haben wir vorgeschlagen, eine Agentur zu errichten, die hauptsächlich gute, prominente Wissenschaftler beschäftigt, die sich zu dem Thema auskennen. Die aber auch zusätzlich Personal hat, was fest angestellt ist und nicht nur ad hoc herangezogen wird wie die Wissenschaftler, das auch wissenschaftlich ausgebildet ist, das sehr viel mehr vorausschauend antizipieren kann, was sind aufkommende Risiken, was für Forschung wird gemacht."
Seit geraumer Zeit schon fordert die EU-Kommission ein umfassendes BSE-Testprogramm für Rinder, doch damit stößt sie bislang auf den Widerstand aus einzelnen EU-Staaten. Noch einmal Beate Gmindler:
"Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, Tests an Rindern verstärkt durchzuführen. Das bedeutet, dass wir ab 1. Januar sowieso schon beschlossen hatten, ein Testprogramm zu machen. Das wäre aber beschränkt gewesen auf Tiere, die krank sind oder die unter ungeklärten Umständen verenden. Jetzt haben wir vorgeschlagen, dass wir alle älteren Rinder testen. Weil die älteren Rinder sind diejenigen, die BSE-Symptome zeigen. Die Krankheit kommt fast nicht unter jungen Rindern vor."
Die Europa-Parlamentarierin Dagmar Roth-Behrendt beklagt, dass es noch immer keine verlässlichen Zahlen über tatsächlich an BSE erkrankte Rinder gebe. Ein Grund: Die betroffenen Bauern hätten wenig Anreiz, BSE-Fälle zu melden:
"Das beste, was ihnen passiert, ist, dass sie ein Schlachtverbot bekommen. Das schlimmste, was ihnen passieren kann, ist, dass die ganze Herde getötet wird und dann verbrannt wird. Das ist natürlich eine existentielle Katastrophe für Landwirte. Ich hoffe nicht, dass das zu Verschleierungen geführt hat. Aber um das wegzunehmen, haben wir immer gefordert im Europäischen Parlament, dass Bauern eher einen Anreiz bekommen, BSE-Fälle zu melden, dass sie im Grunde eine Erstattung bekommen für den Schaden."
Aus der BSE-Krise gelernt hat die EU vor allem, dass die Sicherheit von Lebensmitteln mit sicherem Tierfutter beginnt. EU-Sprecherin Beate Gmindler:
"Den weitestgehenden Vorschlag zur Qualität von Futter haben wir vor ungefähr einem Monat vorgestellt. Und dort heißt es: Nur noch Bestandteile, die freigegeben wurden für den menschlichen Verzehr, die also der Mensch essen kann, dürfen im Futter vorhanden sein. wenn dies umgesetzt wird, glaube ich, dass wir einen sehr großen Schritt gemacht haben, um die Qualität des Futters zu verbessern."
Als erste Konsequenz aus dem BSE-Fall in Schleswig-Holstein hat der Krisenstab am Wochenende bundesweit ein Tiermehlfutter-Verbot ausgesprochen. Ob dieses Verbot der Tiermehlverfütterung in Deutschland sinnvoll ist, darüber streiten die Fachleute. Aber viele Landwirte, auch ökologisch orientierte Bauern, wie Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der grüne EU-Parlamentarier, halten ein generelles Verbot für überzogen. Natürlich nicht bei Rindern und anderen Wiederkäuern. Aber bei Schweinen, Hühnern oder Fischen sehen viele Landwirte im Tiermehl eine vernünftige Nutzung der Schlachtabfälle. Dietrich Sondermann hat mit Graefe zu Baringdorf gesprochen:
Die Verbraucher sind verunsichert. Zu Recht, aber die derzeitige Tiermehlproblematik ist aus biologischer Sicht kaum nachvollziehbar. Biologisch-ökologisch orientierte Landwirte verzichten komplett auf dieses Futtermittel und ersetzen die fehlenden tierischen Proteine durch pflanzliche Stoffe. Die meisten Landwirte wollen aber auf diese Eiweißquelle nicht verzichten. Sie sind sich sicher, dass Tiermehl ungefährlich ist. Die Richtlinien der EU schreiben klar vor, dass Tiermehl bei 133 Grad Celsius und 3 bar Druck über 20 Minuten sterilisiert werden muss. Außerdem dürfen keine kranken oder gefallenen, also verstorbene Tiere verwendet werden. Und da liegt die Gefahrenquelle, meint Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Er ist Europaabgeordneter der Grünen und selber Landwirt:
Graefe zu Baringdorf: "Die Norm bei der Sterilisierung wird nicht eingehalten. Und es wird keine Trennung vorgenommen in vielen Ländern zwischen den gestorbenen und kranken Tieren und den Tieren, die für die menschliche Ernährung freigegeben sind, wo aber Reste entstehen; das ist der größte Teil, das sind etwa 80%. Wenn sichergestellt wird, dass es sich nur um Tiermehl aus diesen, für die menschliche Ernährung freigegebenen Tieren handelt, dann kann das an nichtvegetarische Tiere, also Schweine und Hühner zum Beispiel, verfüttert werden."
Dass solche Reste an Schweine oder Hühner verfüttert werden, widerspricht keineswegs der Natur dieser Tiere. Schweine oder Hühner sind Allesfresser. Wer einmal beobachtet hat, wie Wildschweine Wühlmäuse aus Wiesen ausgraben und verspeisen oder ihre domestizierten Kollegen im Stall jeder Ratte nachstellen und sie mit Genuss verzehren, der wird schwerlich behaupten, dass Schweine Vegetarier sind. Dass sie und auch Hühner sogar Aas fressen, soll hier nicht weiter vertieft werden. In der Tiermast geht es aber darum, was und wie verarbeitet und dann verfüttert wird. Frankreich und England haben sich mit ihren illegalen technischen Methoden der Tiermehlproduktion ein Armutszeugnis ausgestellt. Deutschland, mit seiner technischen Perfektion, hat an anderer Stelle geschlampt. Hier wurden auch hygienisch bedenkliche Tiere in die Verarbeitung gegeben und das war sogar nicht einmal verboten:
Graefe zu Baringdorf: "Bei den Deutschen liegt das Problem, dass sie nicht getrennt haben. Dies war bis jetzt nicht Gesetz. Man kann nicht sagen, sie haben gegen ein Gesetz verstoßen; die haben aber gegen die praktische Vernunft verstoßen, in einem Land, wo man auch damit rechnen konnte, dass bei den gefallenen Tieren doch ein BSE-Tier war, das nun wieder in die Mühle zu schicken."
Neben diesen gefallenen Tieren konnten auch Kadaver von Haustieren verarbeitet werden und sogar Schweine, die wegen der Schweinepest gekeult werden mussten, gelangten über diese Produktion wieder in den Trog ihrer Artgenossen. Futtermittelproduzenten, die gegenteiliges behaupten widerspricht Graefe zu Baringdorf:
Graefe zu Baringdorf: "Alles Unsinn. Es ist alles verwurstet worden!"
Sondermann: Dass es jetzt auch in Deutschland zu einem Verbot gekommen ist, hält Graefe zu Baringdorf für richtig. Es müssen aus Brüssel verbindliche Richtlinien für ganz Europa erlassen werden:
Graefe zu Baringdorf: "Im Moment ist diese Maßnahme zur Schadensbegrenzung eine richtige Maßnahme. Der Kanzler verbietet die Verfütterung von Tiermehl, das nach den Normen der europäischen Union ohnehin nicht verfüttert werden darf. Also tut er was richtiges, weil keine Trennung stattgefunden hat und auch bei den gefallenen Tieren bisher in Deutschland keine umfassenden Test vorgenommen wird, ob sie nicht doch an BSE gefallen sind."
Denn ob der BSE-Erreger, ein relativ kleines Eiweißmolekül, bei den gleichen Bedingungen wie Viren oder Bakterien zerstört werden kann, das ist nach wie vor umstritten. Nur einwandfreie Schlachtabfälle dürfen in die Produktion gelangen. Das sind Teile, die bei uns in Mitteleuropa nicht gegessen werden, wie verschiedene Innereien oder eben hochwertige Fleischreste und Sehnen an den Knochen der Tiere. Wenn diese dann nach den vorgegebenen Richtlinien verarbeitet werden, kann die Verfütterung an Schweine und Hühner kein gesundheitliches Problem darstellen:
Graefe zu Baringdorf: "Nehmen wir aber mal Dänemark, die sauber trennen und sauber erzeugen: Dieses Tiermehl ist ein hochwertiges Eiweiß für die Tiere, die es brauchen."
Der BSE-Skandal schlägt jedoch nicht nur auf den Magen oder auf die Rinderzüchter, sondern mittlerweile auch auf andere Bereiche der Landwirtschaft voll durch. Mit dem Tiermehlverfütterungsverbot aus Berlin hat der Rinderwahnsinn nun auch die Schweine- und Geflügelmäster erreicht. Anders als die Rinderzüchter durften sie bislang noch Tiermehl verfüttern. Jörn Pietschke berichtet aus einem Schweinestall im Landkreis Cuxhaven:
Bauer Böye aus dem niedersächsischen Land Hadeln füttert seine Schweine heute genauso wie in der vergangenen Woche. Die Eilverordnung der Bundesgesundheitsministerin zu einem generellen Tiermehlverfütterungsverbot soll nun doch nicht ab Mittwoch gelten, stattdessen will der Bundeslandwirtschaftsminister noch diese Woche einen Gesetzentwurf vorlegen, der allerdings erst später in Kraft treten kann. Hektisches Krisenmanagement in Berlin und den Bundesländern, und auf den Bauernhöfen, da bleibt alles beim alten. Das Kraftfutter kommt aus den beiden großen Silos hinter der Scheune und die sind noch randvoll von der letzten Lieferung aus dem Futtermittelwerk:
"Wir haben hier zur Zeit 50 Tonnen Kraftfutter in den Silos liegen. Das reicht ungefähr noch zehn bis vierzehn Tage. So, wenn man jetzt nach der ersten Blitzmeldung, die man hörte, dieses Futter abholen lassen soll, ist es die Frage: Was passiert mit dem Futter? Es müsste vernichtet werden. Das wäre tödlich. Das wäre der Ruin."
So wie Carsten Releff Böye geht es den meisten seiner Kollegen. Die Futtermittellager sind voll - und das geplante Verbot der Bundesregierung zur Tiermehlverfütterung hängt - ob als Verordnung oder Gesetz - wie ein Damoklesschwert über den Höfen, noch mehr aber über den Landhändlern, die letztlich für ihre Produkte haften müssen, deren Zusammensetzung sie auf dem Lieferschein erklärt haben:
"Wir können ja nur dem vertrauen, was uns der Lieferant sagt, was in dem Futter zum Beispiel drin ist. Also, in diesem Schweinefutter - ich habe hier gerade eine Zusammensetzung, Proklamation; auf dem Lieferschein steht immer drauf, was drin ist: hier ist Roggen, Gerste, Weizen, Soja, Exertionsschrot, dampferhitzt, Weizenkleie, Exertionsschrot, Kalziumcarbonat, Zuckerrohrmelasse, Pflanzenöle, Zusatzstoffe, Natriumchlorid. Also, in diesem ist z. Beispiel kein Tiermehl oder Fleischknochenmehl drin. Hier holt man sich die Aminosäuren hauptsächlich aus Rapsexertionsschrot und ihr Eiweiß."
Die mögliche Mischung des Kraftfutters ist vielfältig und immer auf die jeweilige Mast abgestimmt. Für Rinder gilt in Deutschland schon seit der ersten BSE-Krise 1994 ein völliges Verbot für Tiermehl im Trog. Nach der Entdeckung BSE-verseuchten Rindfleischs bei einer rot-bunten Kuh in Schleswig-Holstein ist der Markt in Deutschland nahezu zusammengebrochen, die Bauern bleiben auf ihren Rindern sitzen:
"-Ja, wir sind immer die Dummen dabei."
"Gegen den vorbeugenden Verbraucherschutz haben wir deutschen Rinderhalter nichts einzuwenden. Wo wir etwas Sorge haben, das ist, da entstehen Kosten. Und wie wir das aus der Erfahrung der letzten Jahre kennen, bleiben die an uns hängen. Das können wir einfach nicht so hinnehmen."
"Ich hoffe, dass mit dieser Regelung vielleicht die Talfahrt der Fleischpreise erreicht ist. Durch die erneute Diskussion mit der BSE-Geschichte haben wir Landwirte in den letzten vierzehn Tagen eine Einbuße erlitten, die pro abgeliefertem Tier zwischen drei- und vierhundert Mark im Augenblick tendiert."
Ob die Schweinemäster davon profitieren oder der Bann der Verbraucher generell Fleischprodukte trifft, ist noch offen, zumal die weitere Verfütterung der Lagerbestände an Schweine und Geflügel von Bundesgesundheitsministerin Fischer ausdrücklich als Ausnahme gestattet ist. Damit Schweine, aber auch Hühner in der Hähnchenmast nicht verhungern müssen, sollen zumindest die Reste auf den Höfen noch aufgebraucht werden. Danach aber müssen über kurz oder lang Alternativen her, das ist offenbar inzwischen mühsam abgestimmt zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesgesundheitsministerium und somit der erklärte politische Wille der Bundesregierung. Das tierische Eiweiß muss also durch pflanzliches Eiweiß - etwa aus Soja - ersetzt werden:
"Weil diese Mischungen teurer werden. Weil die Aminosäuren aus dem Tiermehl oder teilweise, bei einigen Futtersorten wird auch noch Fischmehl eingesetzt - es geht einmal um den Proteingehalt und auch um die Aminosäuren, die sehr wichtig sind, um das Futter hochverdaulich zu machen und damit eine gewisse Leistungsgestalt zu erzielen."
1.200 Schweine mästet Böye jedes Jahr auf seinem Bauernhof in Otterndorf. Ob sich seine finanzielle Vorleistung im Schweinestall am Markt später auch auszahlt, das weiß heute noch kein Bauer, der seinen Schweinen künftig teureres Kraftfutter in den Trog wirft ...
Tiermehlverfütterung war überall üblich. Auch in Deutschland. Manchmal war der Anteil im Rinderfutter höher, als man es eigentlich wollte. In den 80er Jahren war die Hochzeit in Europa. BSE-Verdachtsfälle gab es immer wieder. Auch in Deutschland tauchten sie auf, und zwar in Schleswig-Holstein. Annette Eversberg:
Für mindestens eine Fachfrau in Schleswig-Holstein ist der Fall des an BSE-erkrankten Rindes aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde kein Einzelfall. Denn bereits Anfang der 90er Jahre tauchten in Schleswig-Holstein Rinder auf, bei denen der Verdacht auf BSE bestand. Dr. Kari Köster-Lösche Buchautorin und als Tierärztin lange Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin des renommierten Battell-Instituts in Frankfurt hat sich damit beschäftigt:
"Im Grunde bestätigt sich durch einen echten Nachweis, was wir die ganze Zeit schon vermutet haben. Damals bestand ein sehr intensiver klinischer Verdacht, der nicht ausgeräumt wurden durch den Pathologen. Es blieb immer der klinische Verdacht bestehen."
Und diese Tiere, kamen, so Kari Köster Lösche, die schon 1995 das erste Buch über BSE veröffentlichte hatte, alle aus demselben Einzugsgebiet wie das Rind aus Hörsten. Und die Geschichte von damals liest sich wie ein Krimi. Die Tierärztin Dr. Margrit Herbst, damals zuständige Tierärztin am Schlachthof Bad Bramstedt äußerte bereits 1990 den Verdacht, dass es sich bei Tieren, die sie lebend zu begutachten hatte, um unübliche Krankheitserscheinungen handelte, die sie auf BSE zurückführte. Aber sie stieß bei ihren Vorgesetzten, dem Landrat des Kreises Segeberg sowie dem Leiter des Fleischhygieneamtes auf Unverständnis. Sie überprüften, statt BSE kamen sie zu dem Verdacht, es handle sich bei den taumelnden Tieren um andere Krankheiten. Dazu zählten sie Blindheit, Brünstigkeit, Ermüdung, Ohrspeicheldrüsenentzündungen. Bei diesen Krankheiten sind keine weitergehenden Untersuchungen erforderlich. Das Fleisch kann weiterverarbeitet und für den menschlichen Verzehr tauglich gestempelt werden. Außerdem gab es bei der Abwicklung Verfahrensmängel. Die Rinder wurden so getötet, dass das Gehirn zerstört wurde. Zerstörte Gehirne können nicht histologisch auf BSE untersucht werden. Tierexperimente, die die Tierärztin verlangte, wurden nicht durchgeführt. Außerdem war das Gewebe auch deshalb unbrauchbar geworden, weil es zu spät im Untersuchungslabor auftauchte. Doch man griff ein. Zu Lasten von Dr. Margrit Herbst, sie wurde wegen der öffentlichen Bekanntgabe ihres Verdachts in einer Fernsehsendung fristlos entlassen. Im Mai 1997 jedoch bestätigte das Oberlandesgericht in Schleswig das rechtmäßige Handeln der Tierärztin. Ihr Rechtsanwalt Thorsten Laging sagte damals zu den Untersuchungen des Instituts, das sich um den BSE-Verdacht kümmern sollte.
"In drei dieser Fälle hat das Institut festgestellt, dass keine eindeutigen Hinweise auf BSE vorlagen. Was bedeutet, dass diese Untersuchungen zu keinem klaren Ergebnis geführt haben. Es war weiterhin dadurch der Verdacht gewesen, dass BSE vorliegen könnte, was erforderlich gemacht hätte, dass weitergehende Untersuchungen durchgeführt worden wären, die aber unterblieben sind. Man hat sich in Bad Bramstedt zufrieden gegeben mit diesem Ergebnis und hat spätestens zu diesem Zeitpunkt die Tiere, die Tierkörper auch freigegeben für den Verbrauch."
Dr. Kari Köster-Lösche weist noch einmal aus ihrer Sicht auf die Bedeutung des klinischen Verdachtes hin.
"In der Schweiz reicht ein klinischer Verdacht bereits aus, um diese Tiere als BSE-Tiere abzustempeln. Die machen keine weiteren Untersuchungen mehr."
Kari Köster-Lösche hat inzwischen weitergeforscht, und hält es für möglich, dass eine Infektion von Tieren auch über andere Wege als den Verzehr von BSE-infiziertem Fleisch erfolgen kann. Das gilt auch für das jetzt an BSE-erkrankte Tier:
"Hier z.B. über die Weiden. Also indem Weiden infiziert worden sind, und die Rinder wieder Gras aufnehmen von der infizierten Weide und sich dann selber infizieren."
Dem liegen wissenschaftliche Untersuchungen aus Island zugrunde, die sich mit der Ausbreitung der Schafskrankheit Scrapie beschäftigt haben, der man eine enge Verbindung zu BSE nachsagt.
"Die Isländer haben herausgefunden, dass es wahrscheinlich an Grasmilben liegt, die überwintern, die dann aufgenommen werden beim Grasen der Tiere. Und ganz selbstverständlich ist es so, dass die analoge Erkrankung beim Rind auch so übertragen werden könnte. Das würde man in wissenschaftlicher Betrachtungsweise sagen, dass man damit rechnen muss."
Seit diesem Herbst muss europaweit sogenanntes Risiko-Material von über 12 Monate alten Rindern, aber auch von Ziegen und Schafen verbrannt werden. Zu diesem Risiko-Material gehören Augen, Hirn, Milz, Mandeln und Rückgrat. Ferner gilt seit September, dass jedes in der EU verkaufte Stück Rindfleisch und jede Portion Hackfleisch ein Etikett mit Herkunftsangaben, wo das Tier geschlachtet und verarbeitet wurde, tragen muss. Ab 2002 müssen dann die Verbraucher zusätzlich darüber informiert werden, wo das Tier geboren und aufgezogen wurde.
Die wichtigste Rolle bei der Reform der Lebensmittelproduktion soll eine unabhängige Agentur für Lebensmittelsicherheit spielen, sagt die Sprecherin für Gesundheitsfragen in der EU-Kommission, Beate Gmindler:
"Während der ganzen BSE-Krise hat es sich gezeigt, dass es sehr wichtig ist, unabhängigen wissenschaftlichen Ratschlag zu bekommen. Wir wünschen uns, dass das mehr in der Öffentlichkeit geschieht. Deswegen haben wir vorgeschlagen, eine Agentur zu errichten, die hauptsächlich gute, prominente Wissenschaftler beschäftigt, die sich zu dem Thema auskennen. Die aber auch zusätzlich Personal hat, was fest angestellt ist und nicht nur ad hoc herangezogen wird wie die Wissenschaftler, das auch wissenschaftlich ausgebildet ist, das sehr viel mehr vorausschauend antizipieren kann, was sind aufkommende Risiken, was für Forschung wird gemacht."
Seit geraumer Zeit schon fordert die EU-Kommission ein umfassendes BSE-Testprogramm für Rinder, doch damit stößt sie bislang auf den Widerstand aus einzelnen EU-Staaten. Noch einmal Beate Gmindler:
"Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, Tests an Rindern verstärkt durchzuführen. Das bedeutet, dass wir ab 1. Januar sowieso schon beschlossen hatten, ein Testprogramm zu machen. Das wäre aber beschränkt gewesen auf Tiere, die krank sind oder die unter ungeklärten Umständen verenden. Jetzt haben wir vorgeschlagen, dass wir alle älteren Rinder testen. Weil die älteren Rinder sind diejenigen, die BSE-Symptome zeigen. Die Krankheit kommt fast nicht unter jungen Rindern vor."
Die Europa-Parlamentarierin Dagmar Roth-Behrendt beklagt, dass es noch immer keine verlässlichen Zahlen über tatsächlich an BSE erkrankte Rinder gebe. Ein Grund: Die betroffenen Bauern hätten wenig Anreiz, BSE-Fälle zu melden:
"Das beste, was ihnen passiert, ist, dass sie ein Schlachtverbot bekommen. Das schlimmste, was ihnen passieren kann, ist, dass die ganze Herde getötet wird und dann verbrannt wird. Das ist natürlich eine existentielle Katastrophe für Landwirte. Ich hoffe nicht, dass das zu Verschleierungen geführt hat. Aber um das wegzunehmen, haben wir immer gefordert im Europäischen Parlament, dass Bauern eher einen Anreiz bekommen, BSE-Fälle zu melden, dass sie im Grunde eine Erstattung bekommen für den Schaden."
Aus der BSE-Krise gelernt hat die EU vor allem, dass die Sicherheit von Lebensmitteln mit sicherem Tierfutter beginnt. EU-Sprecherin Beate Gmindler:
"Den weitestgehenden Vorschlag zur Qualität von Futter haben wir vor ungefähr einem Monat vorgestellt. Und dort heißt es: Nur noch Bestandteile, die freigegeben wurden für den menschlichen Verzehr, die also der Mensch essen kann, dürfen im Futter vorhanden sein. wenn dies umgesetzt wird, glaube ich, dass wir einen sehr großen Schritt gemacht haben, um die Qualität des Futters zu verbessern."
Als erste Konsequenz aus dem BSE-Fall in Schleswig-Holstein hat der Krisenstab am Wochenende bundesweit ein Tiermehlfutter-Verbot ausgesprochen. Ob dieses Verbot der Tiermehlverfütterung in Deutschland sinnvoll ist, darüber streiten die Fachleute. Aber viele Landwirte, auch ökologisch orientierte Bauern, wie Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der grüne EU-Parlamentarier, halten ein generelles Verbot für überzogen. Natürlich nicht bei Rindern und anderen Wiederkäuern. Aber bei Schweinen, Hühnern oder Fischen sehen viele Landwirte im Tiermehl eine vernünftige Nutzung der Schlachtabfälle. Dietrich Sondermann hat mit Graefe zu Baringdorf gesprochen:
Die Verbraucher sind verunsichert. Zu Recht, aber die derzeitige Tiermehlproblematik ist aus biologischer Sicht kaum nachvollziehbar. Biologisch-ökologisch orientierte Landwirte verzichten komplett auf dieses Futtermittel und ersetzen die fehlenden tierischen Proteine durch pflanzliche Stoffe. Die meisten Landwirte wollen aber auf diese Eiweißquelle nicht verzichten. Sie sind sich sicher, dass Tiermehl ungefährlich ist. Die Richtlinien der EU schreiben klar vor, dass Tiermehl bei 133 Grad Celsius und 3 bar Druck über 20 Minuten sterilisiert werden muss. Außerdem dürfen keine kranken oder gefallenen, also verstorbene Tiere verwendet werden. Und da liegt die Gefahrenquelle, meint Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf. Er ist Europaabgeordneter der Grünen und selber Landwirt:
Graefe zu Baringdorf: "Die Norm bei der Sterilisierung wird nicht eingehalten. Und es wird keine Trennung vorgenommen in vielen Ländern zwischen den gestorbenen und kranken Tieren und den Tieren, die für die menschliche Ernährung freigegeben sind, wo aber Reste entstehen; das ist der größte Teil, das sind etwa 80%. Wenn sichergestellt wird, dass es sich nur um Tiermehl aus diesen, für die menschliche Ernährung freigegebenen Tieren handelt, dann kann das an nichtvegetarische Tiere, also Schweine und Hühner zum Beispiel, verfüttert werden."
Dass solche Reste an Schweine oder Hühner verfüttert werden, widerspricht keineswegs der Natur dieser Tiere. Schweine oder Hühner sind Allesfresser. Wer einmal beobachtet hat, wie Wildschweine Wühlmäuse aus Wiesen ausgraben und verspeisen oder ihre domestizierten Kollegen im Stall jeder Ratte nachstellen und sie mit Genuss verzehren, der wird schwerlich behaupten, dass Schweine Vegetarier sind. Dass sie und auch Hühner sogar Aas fressen, soll hier nicht weiter vertieft werden. In der Tiermast geht es aber darum, was und wie verarbeitet und dann verfüttert wird. Frankreich und England haben sich mit ihren illegalen technischen Methoden der Tiermehlproduktion ein Armutszeugnis ausgestellt. Deutschland, mit seiner technischen Perfektion, hat an anderer Stelle geschlampt. Hier wurden auch hygienisch bedenkliche Tiere in die Verarbeitung gegeben und das war sogar nicht einmal verboten:
Graefe zu Baringdorf: "Bei den Deutschen liegt das Problem, dass sie nicht getrennt haben. Dies war bis jetzt nicht Gesetz. Man kann nicht sagen, sie haben gegen ein Gesetz verstoßen; die haben aber gegen die praktische Vernunft verstoßen, in einem Land, wo man auch damit rechnen konnte, dass bei den gefallenen Tieren doch ein BSE-Tier war, das nun wieder in die Mühle zu schicken."
Neben diesen gefallenen Tieren konnten auch Kadaver von Haustieren verarbeitet werden und sogar Schweine, die wegen der Schweinepest gekeult werden mussten, gelangten über diese Produktion wieder in den Trog ihrer Artgenossen. Futtermittelproduzenten, die gegenteiliges behaupten widerspricht Graefe zu Baringdorf:
Graefe zu Baringdorf: "Alles Unsinn. Es ist alles verwurstet worden!"
Sondermann: Dass es jetzt auch in Deutschland zu einem Verbot gekommen ist, hält Graefe zu Baringdorf für richtig. Es müssen aus Brüssel verbindliche Richtlinien für ganz Europa erlassen werden:
Graefe zu Baringdorf: "Im Moment ist diese Maßnahme zur Schadensbegrenzung eine richtige Maßnahme. Der Kanzler verbietet die Verfütterung von Tiermehl, das nach den Normen der europäischen Union ohnehin nicht verfüttert werden darf. Also tut er was richtiges, weil keine Trennung stattgefunden hat und auch bei den gefallenen Tieren bisher in Deutschland keine umfassenden Test vorgenommen wird, ob sie nicht doch an BSE gefallen sind."
Denn ob der BSE-Erreger, ein relativ kleines Eiweißmolekül, bei den gleichen Bedingungen wie Viren oder Bakterien zerstört werden kann, das ist nach wie vor umstritten. Nur einwandfreie Schlachtabfälle dürfen in die Produktion gelangen. Das sind Teile, die bei uns in Mitteleuropa nicht gegessen werden, wie verschiedene Innereien oder eben hochwertige Fleischreste und Sehnen an den Knochen der Tiere. Wenn diese dann nach den vorgegebenen Richtlinien verarbeitet werden, kann die Verfütterung an Schweine und Hühner kein gesundheitliches Problem darstellen:
Graefe zu Baringdorf: "Nehmen wir aber mal Dänemark, die sauber trennen und sauber erzeugen: Dieses Tiermehl ist ein hochwertiges Eiweiß für die Tiere, die es brauchen."
Der BSE-Skandal schlägt jedoch nicht nur auf den Magen oder auf die Rinderzüchter, sondern mittlerweile auch auf andere Bereiche der Landwirtschaft voll durch. Mit dem Tiermehlverfütterungsverbot aus Berlin hat der Rinderwahnsinn nun auch die Schweine- und Geflügelmäster erreicht. Anders als die Rinderzüchter durften sie bislang noch Tiermehl verfüttern. Jörn Pietschke berichtet aus einem Schweinestall im Landkreis Cuxhaven:
Bauer Böye aus dem niedersächsischen Land Hadeln füttert seine Schweine heute genauso wie in der vergangenen Woche. Die Eilverordnung der Bundesgesundheitsministerin zu einem generellen Tiermehlverfütterungsverbot soll nun doch nicht ab Mittwoch gelten, stattdessen will der Bundeslandwirtschaftsminister noch diese Woche einen Gesetzentwurf vorlegen, der allerdings erst später in Kraft treten kann. Hektisches Krisenmanagement in Berlin und den Bundesländern, und auf den Bauernhöfen, da bleibt alles beim alten. Das Kraftfutter kommt aus den beiden großen Silos hinter der Scheune und die sind noch randvoll von der letzten Lieferung aus dem Futtermittelwerk:
"Wir haben hier zur Zeit 50 Tonnen Kraftfutter in den Silos liegen. Das reicht ungefähr noch zehn bis vierzehn Tage. So, wenn man jetzt nach der ersten Blitzmeldung, die man hörte, dieses Futter abholen lassen soll, ist es die Frage: Was passiert mit dem Futter? Es müsste vernichtet werden. Das wäre tödlich. Das wäre der Ruin."
So wie Carsten Releff Böye geht es den meisten seiner Kollegen. Die Futtermittellager sind voll - und das geplante Verbot der Bundesregierung zur Tiermehlverfütterung hängt - ob als Verordnung oder Gesetz - wie ein Damoklesschwert über den Höfen, noch mehr aber über den Landhändlern, die letztlich für ihre Produkte haften müssen, deren Zusammensetzung sie auf dem Lieferschein erklärt haben:
"Wir können ja nur dem vertrauen, was uns der Lieferant sagt, was in dem Futter zum Beispiel drin ist. Also, in diesem Schweinefutter - ich habe hier gerade eine Zusammensetzung, Proklamation; auf dem Lieferschein steht immer drauf, was drin ist: hier ist Roggen, Gerste, Weizen, Soja, Exertionsschrot, dampferhitzt, Weizenkleie, Exertionsschrot, Kalziumcarbonat, Zuckerrohrmelasse, Pflanzenöle, Zusatzstoffe, Natriumchlorid. Also, in diesem ist z. Beispiel kein Tiermehl oder Fleischknochenmehl drin. Hier holt man sich die Aminosäuren hauptsächlich aus Rapsexertionsschrot und ihr Eiweiß."
Die mögliche Mischung des Kraftfutters ist vielfältig und immer auf die jeweilige Mast abgestimmt. Für Rinder gilt in Deutschland schon seit der ersten BSE-Krise 1994 ein völliges Verbot für Tiermehl im Trog. Nach der Entdeckung BSE-verseuchten Rindfleischs bei einer rot-bunten Kuh in Schleswig-Holstein ist der Markt in Deutschland nahezu zusammengebrochen, die Bauern bleiben auf ihren Rindern sitzen:
"-Ja, wir sind immer die Dummen dabei."
"Gegen den vorbeugenden Verbraucherschutz haben wir deutschen Rinderhalter nichts einzuwenden. Wo wir etwas Sorge haben, das ist, da entstehen Kosten. Und wie wir das aus der Erfahrung der letzten Jahre kennen, bleiben die an uns hängen. Das können wir einfach nicht so hinnehmen."
"Ich hoffe, dass mit dieser Regelung vielleicht die Talfahrt der Fleischpreise erreicht ist. Durch die erneute Diskussion mit der BSE-Geschichte haben wir Landwirte in den letzten vierzehn Tagen eine Einbuße erlitten, die pro abgeliefertem Tier zwischen drei- und vierhundert Mark im Augenblick tendiert."
Ob die Schweinemäster davon profitieren oder der Bann der Verbraucher generell Fleischprodukte trifft, ist noch offen, zumal die weitere Verfütterung der Lagerbestände an Schweine und Geflügel von Bundesgesundheitsministerin Fischer ausdrücklich als Ausnahme gestattet ist. Damit Schweine, aber auch Hühner in der Hähnchenmast nicht verhungern müssen, sollen zumindest die Reste auf den Höfen noch aufgebraucht werden. Danach aber müssen über kurz oder lang Alternativen her, das ist offenbar inzwischen mühsam abgestimmt zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesgesundheitsministerium und somit der erklärte politische Wille der Bundesregierung. Das tierische Eiweiß muss also durch pflanzliches Eiweiß - etwa aus Soja - ersetzt werden:
"Weil diese Mischungen teurer werden. Weil die Aminosäuren aus dem Tiermehl oder teilweise, bei einigen Futtersorten wird auch noch Fischmehl eingesetzt - es geht einmal um den Proteingehalt und auch um die Aminosäuren, die sehr wichtig sind, um das Futter hochverdaulich zu machen und damit eine gewisse Leistungsgestalt zu erzielen."
1.200 Schweine mästet Böye jedes Jahr auf seinem Bauernhof in Otterndorf. Ob sich seine finanzielle Vorleistung im Schweinestall am Markt später auch auszahlt, das weiß heute noch kein Bauer, der seinen Schweinen künftig teureres Kraftfutter in den Trog wirft ...
Tiermehlverfütterung war überall üblich. Auch in Deutschland. Manchmal war der Anteil im Rinderfutter höher, als man es eigentlich wollte. In den 80er Jahren war die Hochzeit in Europa. BSE-Verdachtsfälle gab es immer wieder. Auch in Deutschland tauchten sie auf, und zwar in Schleswig-Holstein. Annette Eversberg:
Für mindestens eine Fachfrau in Schleswig-Holstein ist der Fall des an BSE-erkrankten Rindes aus dem Kreis Rendsburg-Eckernförde kein Einzelfall. Denn bereits Anfang der 90er Jahre tauchten in Schleswig-Holstein Rinder auf, bei denen der Verdacht auf BSE bestand. Dr. Kari Köster-Lösche Buchautorin und als Tierärztin lange Jahre wissenschaftliche Mitarbeiterin des renommierten Battell-Instituts in Frankfurt hat sich damit beschäftigt:
"Im Grunde bestätigt sich durch einen echten Nachweis, was wir die ganze Zeit schon vermutet haben. Damals bestand ein sehr intensiver klinischer Verdacht, der nicht ausgeräumt wurden durch den Pathologen. Es blieb immer der klinische Verdacht bestehen."
Und diese Tiere, kamen, so Kari Köster Lösche, die schon 1995 das erste Buch über BSE veröffentlichte hatte, alle aus demselben Einzugsgebiet wie das Rind aus Hörsten. Und die Geschichte von damals liest sich wie ein Krimi. Die Tierärztin Dr. Margrit Herbst, damals zuständige Tierärztin am Schlachthof Bad Bramstedt äußerte bereits 1990 den Verdacht, dass es sich bei Tieren, die sie lebend zu begutachten hatte, um unübliche Krankheitserscheinungen handelte, die sie auf BSE zurückführte. Aber sie stieß bei ihren Vorgesetzten, dem Landrat des Kreises Segeberg sowie dem Leiter des Fleischhygieneamtes auf Unverständnis. Sie überprüften, statt BSE kamen sie zu dem Verdacht, es handle sich bei den taumelnden Tieren um andere Krankheiten. Dazu zählten sie Blindheit, Brünstigkeit, Ermüdung, Ohrspeicheldrüsenentzündungen. Bei diesen Krankheiten sind keine weitergehenden Untersuchungen erforderlich. Das Fleisch kann weiterverarbeitet und für den menschlichen Verzehr tauglich gestempelt werden. Außerdem gab es bei der Abwicklung Verfahrensmängel. Die Rinder wurden so getötet, dass das Gehirn zerstört wurde. Zerstörte Gehirne können nicht histologisch auf BSE untersucht werden. Tierexperimente, die die Tierärztin verlangte, wurden nicht durchgeführt. Außerdem war das Gewebe auch deshalb unbrauchbar geworden, weil es zu spät im Untersuchungslabor auftauchte. Doch man griff ein. Zu Lasten von Dr. Margrit Herbst, sie wurde wegen der öffentlichen Bekanntgabe ihres Verdachts in einer Fernsehsendung fristlos entlassen. Im Mai 1997 jedoch bestätigte das Oberlandesgericht in Schleswig das rechtmäßige Handeln der Tierärztin. Ihr Rechtsanwalt Thorsten Laging sagte damals zu den Untersuchungen des Instituts, das sich um den BSE-Verdacht kümmern sollte.
"In drei dieser Fälle hat das Institut festgestellt, dass keine eindeutigen Hinweise auf BSE vorlagen. Was bedeutet, dass diese Untersuchungen zu keinem klaren Ergebnis geführt haben. Es war weiterhin dadurch der Verdacht gewesen, dass BSE vorliegen könnte, was erforderlich gemacht hätte, dass weitergehende Untersuchungen durchgeführt worden wären, die aber unterblieben sind. Man hat sich in Bad Bramstedt zufrieden gegeben mit diesem Ergebnis und hat spätestens zu diesem Zeitpunkt die Tiere, die Tierkörper auch freigegeben für den Verbrauch."
Dr. Kari Köster-Lösche weist noch einmal aus ihrer Sicht auf die Bedeutung des klinischen Verdachtes hin.
"In der Schweiz reicht ein klinischer Verdacht bereits aus, um diese Tiere als BSE-Tiere abzustempeln. Die machen keine weiteren Untersuchungen mehr."
Kari Köster-Lösche hat inzwischen weitergeforscht, und hält es für möglich, dass eine Infektion von Tieren auch über andere Wege als den Verzehr von BSE-infiziertem Fleisch erfolgen kann. Das gilt auch für das jetzt an BSE-erkrankte Tier:
"Hier z.B. über die Weiden. Also indem Weiden infiziert worden sind, und die Rinder wieder Gras aufnehmen von der infizierten Weide und sich dann selber infizieren."
Dem liegen wissenschaftliche Untersuchungen aus Island zugrunde, die sich mit der Ausbreitung der Schafskrankheit Scrapie beschäftigt haben, der man eine enge Verbindung zu BSE nachsagt.
"Die Isländer haben herausgefunden, dass es wahrscheinlich an Grasmilben liegt, die überwintern, die dann aufgenommen werden beim Grasen der Tiere. Und ganz selbstverständlich ist es so, dass die analoge Erkrankung beim Rind auch so übertragen werden könnte. Das würde man in wissenschaftlicher Betrachtungsweise sagen, dass man damit rechnen muss."