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Ringen um Jüdische Fakultät für Erfurt

Wer Rabbiner oder jüdischer Kantor werden will, könnte bald in Erfurt richtig sein: Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht wünscht sich eine jüdische Fakultät an der Uni Erfurt. Das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam würde sich über Konkurrenz freuen.

Von Blanka Weber | 11.01.2012
    "Man ist im Ziel, im Weg und auch in dem Willen absolut einig. Es gibt eine große Übereinstimmung. Jetzt geht es auf die Strecke des Arbeitens."

    So Peter Zimmermann, der Thüringer Regierungssprecher zum Plan, an der Uni Erfurt eine jüdische Fakultät zu gründen. Die Idee kam überraschend, auch für die Uni selbst, so überraschend, dass sich heute niemand vor einer Kamera dazu äußern wollte – auch das weiß der Regierungssprecher:

    "Da brauchen Sie nicht den Regierungssprecher fragen, der das Kommunikationsverhalten an einer Universität erklärt. Freiheit von Forschung und Lehre, die Universität entscheidet das selbst."

    Fest steht, was die Ministerpräsidentin Ende des Jahres auf ihrer Reise nach Israel beim Treffen mit dem Religionsminister spontan verkündete, hat nicht nur die Universität Erfurt erstaunt. Auch der zuständige Minister, der gerade mühsam den Hochschulpakt auf den Weg gebracht hatte, muss nun schauen, wie eine völlig neue Fakultät entstehen kann und wie neue Professorenstellen finanziert werden können:

    "Das heißt, es gibt einen Katalog von Fragen und Aufgaben von Beteiligten, die eine Rolle spielen, sowohl von der Bundesebene aber auch im Land."

    Von vier Lehrstühlen ist die Rede. Eingebettet in eine Universität, die bislang Religionswissenschaften anbietet mit einer Katholischen Fakultät.
    Nun also, ein neuer Schritt nach vorn – mit Blick auf Thüringens Bewerbung für das Jüdische Erfurt als UNESCO-Welterbe und mit dem schweren Rucksack der Geschichte. Denn Buchenwald, das ehemalige Konzentrationslager ist keine 30 Kilometer entfernt. Auch das ist ein Fakt, der nicht nur bei Politikerreisen nach Israel eine Rolle spielen dürfte:

    "Ministerpräsidentin Lieberknecht hat deutlich gemacht, dass sie Debatten über Religion und Kulturhistorie in Thüringen nicht ohne das Judentum und auf der Grundlage der jüdischen Traditionen hier in Erfurt ohne den jüdischen Glauben möchte."

    Formuliert der Regierungssprecher, wohl wissend, dass nun der Weg für die geplante Fakultät zwar ein schönes Ziel bedeutet, doch weder finanziert noch mit den Beteiligten abgesprochen ist.

    Etwa 350 Studierende hat das Abraham-Geiger-Kolleg derzeit in Potsdam – ein sogenanntes "An-Institut" an der Universität ist es. Der Leiter des Kollegs wünscht mehr Augenhöhe mit den anderen Fakultäten, sei es der christlichen oder islamischen Lehre. Dies könne nur durch ein Aufwerten entstehen, durch mehr Lehrstühle und möglicherweise einen neuen Standort, denn Potsdam sei nicht das Ideal, so Walter Homolka:

    "Wir wirken auch an der Lehre mit, aber wir haben keine Möglichkeiten innerhalb der Universitätsstruktur, zum Beispiel an der Berufung von Professoren mitzuwirken, oder den Studiengang zu gestalten, weil wir kein Stimmrecht haben sondern nur ein An-Institut sind."

    Eine Empfehlung des Wissenschaftsrates war, die Vielfalt der Judaistik zu erhalten. Ein Zentrum könne Heidelberg sein, ein weiteres Brandenburg. Doch nächste Schritte, neue Orte und eine eigene Fakultät wären ideal. "Die Braut kommt nicht ungeschmückt", so Walter Homolka. Der Bund gibt eine Anschubfinanzierung von mehr als vier Millionen Euro und das Budget der Kollegs käme mit 1,2 Millionen noch dazu. Ein Polster für wissenschaftliche Arbeit:

    "Deswegen gibt es für diese Fakultät eine Anschubfinanzierung des Bundes, in der die Lehrstühle für Biblische Exegese und jüdische Musik zur Verfügung gestellt werden und die augenblickliche Debatte geht um die Frage, ob Philosophie und Geschichte ordentlich abgedeckt werden."

    In Weimar könnte künftig die Ausbildung jüdischer Kantoren erfolgen. Christoph Stölzl, der Präsident der Hochschule für Musik, hatte sich vor zwei Jahren stark gemacht für diese Idee und eine Kooperation mit dem Abraham-Geiger-Kolleg.

    "Nämlich eine Neubegründung von der Ausbildung von Kantoren, wissenschaftlich, musikalisch, musikgeschichtlich ganz ordentlich, weil wir auch – wenn es zur Praxis kommt – durch Chöre, Orchester, Kammermusik, ganz ideale Voraussetzungen haben, Dinge in die Praxis umzusetzen."