Schulklassen werden zusammengelegt, zuweilen ganze Schulen geschlossen. Der demografische Wandel in Deutschland hat längst stattgefunden.
Kinder: "Ich will nicht, dass die Schule geschlossen wird. Mein Bruder, der ist auch hier auf der Schule, es ist dann nicht gut, wenn diese dann abgerissen wird, dann muss der auf eine andere. Es ist nicht gut, weil es eine gute Schule ist, mit guten Lehrern, deshalb möchte ich, dass sie bleibt. Wenn sei abgerissen wird, dann würde alles auch verschwendet. Ich find’ Schulen, die kleiner sind irgendwie besser."
Trotzdem reden in Deutschland Politiker, Stadtplaner und Wirtschaftslenker noch immer von den Risiken des demografischen Wandels. Das sei mehr als verwunderlich argumentiert der Direktor des Mea, des Mannheimer Forschungsinstituts für Ökonomie und demographischer Wandel, Axel Börsch-Supan.
"Die Demografie ist im Wesentlichen dadurch bestimmt, dass erstens die Lebenserwartung allmählich steigt und dass wir zweitens in den 60er und 70er Jahren von einer sehr hohen Geburtenrate schlagartig auf eine niedrige Geburtenrate absackten. Da ist kein Risiko mehr, das ist passiert, das ist ein historisches Faktum, das sich allmählich im Bevölkerungsaufbau widerspiegelt. Da ist kein Risiko mehr, wir wissen das genau, wir wissen das schon seit 20 Jahren genau."
Lange Zeit wurden in Deutschland die Fakten geflissentlich ignoriert. Der berühmt berüchtigte Satz des CDU-Sozialpolitikers Norbert Blüm: "Die Rente ist sicher" hat über Jahre wie eine Beruhigungstablette gewirkt. In Kreisen der Politik wie in den Reihen der Bevölkerung. Gemäß einer Umfrage des Mannheimer Mea Instituts aus dem Jahr 2003 wussten nur 41 Prozent der Befragten, dass ihre Rentenbeiträge nicht etwa angespart werden sondern ausschließlich dafür verwendet werden, die laufenden Rentensprüche der heutigen Rentner zu begleichen. Das Wissen um die Funktionsweise der deutschen Rentenversicherung wächst allmählich.
Umfrage: "Es kann doch nicht alles zu den anderen geflossen sein, ein Teil muss doch für mich übrig geblieben sein. Früher hat die jüngere Generation für die ältere Generation die Kasse aufgefüllt. Aber wo ist denn heute die Generation, die die Kasse nachfüllen soll. Die (Beiträge) werden ja für die Rentner heute gebraucht, das ist ja klar. Ich glaube, dass die Renten sinken werden, erheblich sinken werden aber ich werde mich dann au die eigene Vorsorge verlassen und weniger auf die staatliche Rente."
Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme sind enorm. 2020 wird es voraussichtlich 8 Millionen Erwerbstätige weniger, dafür aber 9 Millionen mehr Rentner geben. Und im Jahr 2040 müssen zwei Erwerbstätige einen Rentner finanzieren. Auf dem Weg dorthin werden unsere umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme kollabieren argumentieren diejenigen, die einen grundlegenden Umbau befürworten. Gewerkschafter und Sozialpolitiker beschwichtigen, das System habe seine Stabilität längst unter Beweis gestellt. Die Produktivität sorge seit hundert Jahren dafür, die Folgen der demografischen Entwicklung zu bewältigen. Armin Lang, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion im Saarland und Mitglied der Demografie-Kommission des SPD-Bundesvorstandes.
"Der demografische Wandel ist nicht das Problem für die sozialen Sicherungssysteme sondern die gigantische Umverteilung, die wir in den letzten Jahren zu verzeichnen haben. Es wird mehr Gewinn ausgeschüttet, es wird mehr durch Kapital verdient, es wird mehr an der Börse verdient, als durch Arbeitseinkommen verdient wird. Und vor diesem Hintergrund will man natürlich von der Umverteilung ablenken und deshalb hat man den demografischen Wandel zur alleinigen Schuldigen auserkoren. Das hat aber mit der Wirklichkeit leider nichts zu tun."
Es mag sein, dass Wachstum und Produktivitätssteigerung bei der Bewältigung der demografischen Konflikte etwas aus dem Blick geraten sind. Doch selbst die rot-grüne Koalition scheint nicht davon überzeugt, dass sich durch Wachstum allein die Verteilungskämpfe zwischen alt und jung vermeiden lassen. Der Gesetzgeber hat deshalb reagiert und in der gesetzlichen Rentenversicherung einen Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, um die Leistungen in Zukunft zu berechnen. Der Faktor bemisst sich nach dem Verhältnis von Ruheständlern zu Beitragszahlern. Das bedeutet zum Beispiel bei unveränderter Zahl an Beitragszahlern: je mehr Rentner desto geringer die Rentensteigerungen.
Des weiteren wird die Besteuerung von Renten und Alterseinkünften ab diesem Jahr schrittweise auf eine nachgelagerte Besteuerung umgestellt. Mit beiden Instrumenten ist die Hoffnung verbunden, dass Rentner wie junge Beitragszahler mit einem blauen Auge davon kommen. Verlierer dieses neuen steuerlichen Ansatzes ist die Baby-Boom – Generation, die selbst keine oder nur wenige Kinder hat. Wenn diese heute 35 bis 50-Jährigen deshalb im Alter über auskömmliche finanzielle Mittel verfügen wollen, dann müssen sie einen Teil ihrer Lasten selbst tragen. Eigenvorsorge heißt für sie das Stichwort. Axel Börsch – Supan:
"Die einzige Art, wie man das machen kann, ist, dass die Baby-Boom-Generation dafür sorgt, dass sie ihre eigenen Renten finanziert, ist, dass die Baby-Boom-Generation jetzt etwas auf die hohe Kante legt Das Verfahren wie wir es früher hatten, dass man sich 100 Prozent auf die Kinder verlässt, das funktioniert nicht mehr wegen des demographischen Wandels."
Die Bevölkerung zeigt sich von den Einsichten der Experten jedoch weitgehend unberührt. Die vor drei Jahren konzipierte Riester-Rente, das Kernstück einer auf Eigenverantwortung basierenden Altersvorsorge, erwies sich zunächst als Ladenhüter.
Bis zu Beginn des Jahres haben sich von 45 Millionen potenzielle Kunden gerade mal sechs Millionen für ein Riester-Produkt entschieden. Die Mehrzahl aber verzichtet auf die vom Staat angebotenen Zulagen.
Umfrage: "Ich denke, dass wir gut abgesichert sind, die meisten in der Bevölkerung sind es nicht, das ist oftmals auch Desinformation. Wer weiß, nachher geht der Staat da auch noch dran. Genauso wie die Lebensversicherung, die kassiert er auch ab. Ich muss gestehen, es ist mir zu undurchsichtig. Ich hab’ mich kurz damit befasst und hab’ von vielen Seiten gehört, es sei nicht so lukrativ. Ist mir zu kompliziert. Das Hauptproblem ist ja, dass sie im Ausland nicht ausbezahlt wird. Meines Wissens nach lohnt es sich nicht."
Die Riester-Rente war zu kompliziert geraten, deshalb hat der Gesetzgeber den erforderlichen bürokratischen Aufwand reduziert. Darüber hinaus wurde das Produkt attraktiver gestaltet. Ab dem kommenden Jahr werden die Grundzulage und die Zuschüsse für Kinder deutlich angehoben. Die Botschaft ist eindeutig: Private Vorsorge ist unverzichtbar. Der Staat lockt mit höheren Zulagen und Zuschüssen, um zu demonstrieren, wie ernst es ihm ist. Trotz der bislang spärlichen Abschlüsse bei Riester ist die Versicherungswirtschaft überzeugt, dass diese Politik ihre Wirkung nicht verfehlen wird. Herbert Grohe, Vorstandsmitglied der Debeka:
"Es geht nicht mehr um die Frage, dass ich beim Kunden erklären muss, Du musst etwas tun sondern nur noch was muss ich tun. Wir sind uns sicher, dass wir mit dem, was nun Riester bedeutet, deutlich erfolgreicher sein werden in der Beratung der Kunden und dass die Abschlüsse in Riester –Rente deutlich stärker werden als in der Vergangenheit."
Die Versicherer rechnen vor allem damit, dass die Männer im laufenden Jahr noch Abschlüsse tätigen werden. Denn noch zahlen sie niedrigere Prämien, weil sie statistisch gesehen nicht so lange leben wie Frauen. Ab dem kommenden Jahr aber wird sich das ändern, denn dann gelten für Riester – Verträge bereits die so genannten UNI-Sex-Tarife. Nicht nur für die Branche sondern auch für die Versicherten sei dies alles andere als eine gute Nachricht. Herbert Grohe:
"Es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass jetzt mit der Uni-Sex-Geschichte in Riester die Beiträge der Frauen sinken, das kann gar nicht sein, denn ich weiß nicht wie viel Männer oder wie viel Frauen zu mir kommen. Und wenn ich einen Einheitsbeitrag machen würde auf der Höhe der Männerbeitrage und es kommen nur Frauen oder überproportional viele Frauen zu mir, dann fehlen mir die Beiträge. Es wird also eher so sein, dass die Männertarife teurer werden."
Die für die Riester-Rente gesetzlich vorgeschriebenen Uni-Sex-Tarife folgen bereits den Vorgaben der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie, die noch in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft weisen solche geschlechtsneutralen Tarife jedoch in die falsche Richtung. Professor Kurt Wolfsdorf stellv. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung:
"Es ist die Aufgabe der Aktuare, die Risiken zu bewerten und zu quantifizieren, das ist die Grundlage für den Preis, für die Prämie, die am Ende zu zahlen ist. Und dazu kann man nur Merkmale heranziehen, die aussagekräftig sind. Und aussagekräftig sind Alter und Geschlecht in der Lebens- und Krankenversicherung."
In den Versicherungsunternehmen werden die Tarife von Aktuaren kalkuliert. Es handelt sich in der Regel um Mathematiker, die langfristige Trends beobachten, die auf die Kalkulation der Versicherungsprämien Einfluss nehmen. Dazu zählt in erster Linie die Entwicklung der Sterblichkeit. Prof. Kurt Wolsdorf:
"In Deutschland wird seit 1870 regelmäßig eine Erhebung durchgeführt über die Sterblichkeit der Bevölkerung und wir wissen also seit 130 Jahren, dass sich die durchschnittliche Lebensdauer verlängert. In unseren Sterbetafeln, die wir der Beitragskalkulation zugrunde legen, berücksichtigen wir, dass es auch weiterhin eine deutliche Anhebung der Sterblichkeit geben wird, das ist heute schon eingepreist."
1994 ging man noch davon aus, dass ein 65 jähriger Mann im Durchschnitt noch weitere 21 Jahre leben wird. Heute, 10 Jahre später, sind es bereits 24 Jahre. Und es ist sicherlich nicht das letzte Mal, dass die Langlebigkeit "eingepreist" werden muss. Mit diesem Langlebigkeitsrisiko umzugehen, gehöre zu den Kernkompetenzen der Versicherer. Selbst wenn der medizinische Forschritt den Menschen noch längere Lebenszyklen beschere, bedeute dies für die Versicherungen kein Problem. Michael Fauser, Cosmos direkt:
"Wir haben in unseren aktuell verkauften Rentenprodukten einkalkuliert, dass ein heute geborenes Mädchen 102 Jahre alt wird. Von daher haben wir entsprechende Sicherheiten in der Kalkulation und stellen auch entsprechende Rückstellungen."
In der privaten Altersvorsorge weist der Trend in Richtung Rentenversicherung. Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu, sich ihr eingesetztes Kapital, das sie in einer Lebensversicherung angespart haben, nicht auf einmal sondern bis zum Lebensende in monatlichen Raten auszahlen zu lassen. Vor 10 Jahren sicherten lediglich fünf Prozent der Versicherungskunden ihren Lebensabend über eine solche Lebensversicherung auf Rentenbasis ab. Heute sind es bereits 16 Prozent. Tendenz steigend. Das heißt. auch die privaten Versicherungsunternehmen können sich ähnlich wie umlagefinanzierten Modelle nicht gänzlich von demografischen Risiken abkoppeln. Herbert Grohe, Vorstandsmitglied der Debeka:
"In der Lebensversicherung haben wir kein Demografie-Problem, denn die wird ja zu einem bestimmten Zeitpunkt – also spätestens mit Renteneintritt, mit 60, 66, 67 - Jahren fällig. Anders ist es in der Rentenversicherung. Denn wenn der Mensch in Durchschnitt nicht 82 sondern 85 oder 87 Jahre alt wird, dann müssen wir entsprechend länger zahlen."
Der Staat hilft mit, diese Entwicklung zu beschleunigen. Er bevorzugt und fördert nur mehr die private Altersvorsorge auf Rentenbasis. Bei den Riestersparverträgen gewährt er Zuschüsse. Die Aufwendungen für die Rürup-Rente, die vornehmlich für Selbständige entwickelt wurde, können hingegen steuerlich abgesetzt werden. Gleichzeitig hat die Rot-Grüne Bundesregierung jedoch das Kapitalwahlrecht eingeschränkt. Sie hat damit der Deutschen liebstes Sparmodell, die Kapital-Lebensversicherung, unattraktiv gemacht. So sehr die Versicherungsbranche den Kurswechsel der Regierung hin zur privaten Altersvorsorge begrüßt, so sehr bedauert sie, dass Erträge aus der Kapitallebensversicherung künftig versteuert werden müssen. Michael Fauser, Cosmos direkt:
"Das Kapitalwahlrecht ist ein Gestaltungsrecht, das für unsre Kunden sehr wichtig ist. Deshalb bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass Produkte wie eine Kapitallebensversicherung oder auch da Kapitalwahlrecht bei einer Rentenversicherung weiterhin ihren Platz und ihre Bedeutung haben werden."
Ende des Jahres herrschte bei den Versicherungen regelrecht Schlussverkaufsstimmung. Die Kunden verlangten nach Kapitallebensversicherungen alter Prägung. Denn wer noch vor Jahresfrist eine Police abgeschlossen hat, der darf die Auszahlung im Alter steuerfrei genießen. Die Zahl der abgeschlossenen Lebensversicherungen stieg 2004 um 37 Prozent.
Nach dem Boom kehrte im ersten Halbjahr bei der Branche erst einmal Ruhe ein. Überlegungen sind im Gange, was den Kunden zukünftig verkauft werden soll: das überarbeitete Riester-Produkt, die Rürup-Rente, oder die gute alte Lebensversicherung.
Die Verbraucherzentralen, die immer mehr Kunden beraten, gehen davon aus, dass im Herbst mit neuen Angeboten der Versicherer zu rechnen ist. Werner Kiefer, Verbraucherzentrale Saarbrücken:
"Ich denke, dass neue Produkte auf den Markt kommen werden und dass man Kapitallebensversicherungen trotzdem wieder herausbringt, diese aber flexibler gestaltet. Wir haben ja die Situation, dass, wenn man sie erst mit 60 Jahren ausbezahlt bekommt, werden sie - nach 12 Jahren Laufzeit - nur zur Hälfe besteuert. Also kann es durchaus sein, dass der Verbraucher bei flexiblen Produkten wieder zugreifen wird. "
So flexibel die Produkte auch sein mögen, sie ändern weder etwas an der Demografie noch ändern sie etwas am erkennbaren Willen der Kundschaft, in private Lebensversicherungsmodelle auf Rentenbasis umzuschichten zu wollen. Und das kommt sowohl die Versicherer als auch die Kunden teuer zu stehen. Die Versicherungswirtschaft muss die steigende Langlebigkeit ihrer Klientel durch höhere Rückstellungen absichern, das bindet Kapital. Und die Kunden werden sowohl mit höheren Prämien als auch mit einer niedrigeren Verzinsung rechnen müssen. Herbert Grohe:
"Das kostet schon ein Menge, je nachdem wie groß die Bestände der Lebensversicherer an Rentenversicherungen sind. Das können schon dreistellige Millionenbeträge sein. Und das führt auch dazu, dass die Überschüsse, die die Lebensversicherer auch in der Rentenversicherung gewähren, teilweise reduziert werden mussten."
Die Versicherungsunternehmen unterscheiden zwischen Überschussbeteiligung und Garantiezins. Die Überschussbeteiligungen werden den Versicherten jährlich gutgeschrieben. Ihre Höhe hängt davon ab, wie gewinnbringend das Unternehmen die eingezahlten Beiträge an den Kapitalmärkten einsetzt. Und da gibt es wenig Erfreuliches zu berichten. Die Überschussbeteiligungen, die in der Vergangenheit stets deutlich über dem Garantiezins lagen, sind zusammengeschmolzen. Selbst der garantierte Zinssatz, mit dem die Spareinlagen der Kunden verzinst werden müssen, wurden in kurzer Frist mehrmals nach unten angepasst. Aktuell liegt der Garantiezins bei 2,75 Prozent. Die Verbraucherzentralen raten daher ihrer Kundschaft auch alternative Sparangebote, zum Beispiel bei den Banken, zu prüfen. Werner Kiefer, Verbraucherzentrale des Saarlandes:
"Ich denke, dass die Spitzenanbieter, die um die fünf Prozent liegen, weiterhin interessant sein können, wenn das Produkt flexibel gestaltet ist und wenn es bei diesem Niveau beleibt. Er wird ja jedes Jahr neu festgesetzt. Aber es gibt auch viele Anbieter, die nahe an der Garantieverzinsung sind. Also hier sollte man genau prüfen, ist da nicht ein Banksparplan eine Alternative. Allerdings bei den Spitzenanbietern kommen sie mit einem Banksparplan nicht ran, beim Banksparplan kommen sie relativ schnell an ihren Sparerfreibetrag."
Der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft Bernhard Schareck äußerte zu Beginn des Jahres erstmals Zweifel daran, ob die von den Versicherungen angebotene garantierte Verzinsung überhaupt noch zeitgemäß sei. Das Instrument sei zu starr, die Versicherungswirtschaft benötige mehr Flexibilität. Die Branche reagierte zunächst ungehalten auf die Äußerung Scharecks, weil er dadurch bei den Kunden Vertrauen verspielt habe.
Die Branche ist sich momentan einig, dass sie es sich nicht leisten kann, den Garantiezins in Frage zu stellen. Sie hält es allerdings für nötig, dass er bis auf 2 Prozent abgesenkt werden muss.
Ursache für diese aus Sicht der Versicherungsnehmer negative Entwicklung ist neben der Demografie, die Lage an den Kapitalmärken. Deutsche Versicherungen investieren überwiegend in Anleihen und nicht in Aktien. Bei der Debeka verteidigt man diese konservative Anlagestrategie. Herbert Grohe:
"Wir sind ein Versicherer. Und ein Versicherer hat nicht risikofreudig zu sein sondern der hat dafür zu sorgen, dass in erster Linie die langfristige Sicherheit der Gelder, die der Kunde bei ihm anlegt, gewährleistet ist."
Die versprochenen Renditen waren in der Vergangenheit wesentlich höher als die aktuellen 2,75 Prozent, deshalb müssen die Versicherer auf jeden Euro, der ihnen bislang anvertraut wurde im Durchschnitt 3,5 Prozent Garantiezins leisten.
Weil sich das Zinsniveau für Anleihen jedoch auf historischen Tiefstständen bewegt, haben die Unternehmen Probleme, die garantierten Zinssätze zu erwirtschaften. Den Unternehmen ist es zwar erlaubt, 35 Prozent ihres Kapitals in Aktien anzulegen, doch sie scheuen das Risiko. Deutsche Lebensversicherer investieren lediglich 9 Prozent des Kapitals in Aktien. Die Zurückhaltung ist wohl auch darauf zurück zu führen, dass sich etliche Versicherer am Aktienmarkt die Finger verbrannt haben. Trotzdem gäbe es für die Kundschaft keinen Grund das Vertrauen in die Lebensversicherer zu verlieren. Prof. Kurt Wolfsdorf, deutsche Aktuarvereinigung:
"Wenn nichts mehr hilft, gibt es eben den Konkurssicherungsfonds, der Not leidende Bestände übernehmen muss, nicht , um das Unternehmen zu retten sondern um sicherzustellen, dass die Kunden ihre Leistungen bekommen und dafür steht die gesamte Versicherungswirtschaft ein."
Viel mehr als drei Prozent Rendite sei für die Versicherten in den kommenden Jahren wohl kaum zu erzielen, glaubt der Demografie-Forscher Börsch-Supan. Das reiche jedoch aus, die Lücke in der gesetzlichen Rentenversicherung zu decken. Ob 3 Prozent auch ausreichen, die Menschen zum Sparen zu bewegen, darf bezweifelt werden. Bislang spart eh nur die Hälfte. Axel Börsch-Supan:
"Im unteren Einkommensviertel wird überhaupt nicht gespart und in dem Viertel, das dazwischen liegt, ist es mal so, mal so."
Deshalb wird auch darüber diskutiert, die private Vorsorge zur Pflicht zu machen. Armin Lang:
"Wenn es wirklich dazu beitragen soll, die zusätzliche Versicherung, dass der Lebensstandard gesichert wird, dann muss es unser Ziel sein, dass die Lebensstandardsicherung erfolgt über die drei großen Sicherungssysteme: die gesetzliche Rentenversicherung, die Betriebsrente und die private Vorsorge. Aber das funktioniert nur, wenn ich es politisch will, wenn wir das auch zur Pflicht machen."
Doch wer Zwang verordnet muss auch kontrollieren; nur dazu verspürt der Gesetzgeber augenblicklich keine große Lust.
Kinder: "Ich will nicht, dass die Schule geschlossen wird. Mein Bruder, der ist auch hier auf der Schule, es ist dann nicht gut, wenn diese dann abgerissen wird, dann muss der auf eine andere. Es ist nicht gut, weil es eine gute Schule ist, mit guten Lehrern, deshalb möchte ich, dass sie bleibt. Wenn sei abgerissen wird, dann würde alles auch verschwendet. Ich find’ Schulen, die kleiner sind irgendwie besser."
Trotzdem reden in Deutschland Politiker, Stadtplaner und Wirtschaftslenker noch immer von den Risiken des demografischen Wandels. Das sei mehr als verwunderlich argumentiert der Direktor des Mea, des Mannheimer Forschungsinstituts für Ökonomie und demographischer Wandel, Axel Börsch-Supan.
"Die Demografie ist im Wesentlichen dadurch bestimmt, dass erstens die Lebenserwartung allmählich steigt und dass wir zweitens in den 60er und 70er Jahren von einer sehr hohen Geburtenrate schlagartig auf eine niedrige Geburtenrate absackten. Da ist kein Risiko mehr, das ist passiert, das ist ein historisches Faktum, das sich allmählich im Bevölkerungsaufbau widerspiegelt. Da ist kein Risiko mehr, wir wissen das genau, wir wissen das schon seit 20 Jahren genau."
Lange Zeit wurden in Deutschland die Fakten geflissentlich ignoriert. Der berühmt berüchtigte Satz des CDU-Sozialpolitikers Norbert Blüm: "Die Rente ist sicher" hat über Jahre wie eine Beruhigungstablette gewirkt. In Kreisen der Politik wie in den Reihen der Bevölkerung. Gemäß einer Umfrage des Mannheimer Mea Instituts aus dem Jahr 2003 wussten nur 41 Prozent der Befragten, dass ihre Rentenbeiträge nicht etwa angespart werden sondern ausschließlich dafür verwendet werden, die laufenden Rentensprüche der heutigen Rentner zu begleichen. Das Wissen um die Funktionsweise der deutschen Rentenversicherung wächst allmählich.
Umfrage: "Es kann doch nicht alles zu den anderen geflossen sein, ein Teil muss doch für mich übrig geblieben sein. Früher hat die jüngere Generation für die ältere Generation die Kasse aufgefüllt. Aber wo ist denn heute die Generation, die die Kasse nachfüllen soll. Die (Beiträge) werden ja für die Rentner heute gebraucht, das ist ja klar. Ich glaube, dass die Renten sinken werden, erheblich sinken werden aber ich werde mich dann au die eigene Vorsorge verlassen und weniger auf die staatliche Rente."
Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme sind enorm. 2020 wird es voraussichtlich 8 Millionen Erwerbstätige weniger, dafür aber 9 Millionen mehr Rentner geben. Und im Jahr 2040 müssen zwei Erwerbstätige einen Rentner finanzieren. Auf dem Weg dorthin werden unsere umlagefinanzierten sozialen Sicherungssysteme kollabieren argumentieren diejenigen, die einen grundlegenden Umbau befürworten. Gewerkschafter und Sozialpolitiker beschwichtigen, das System habe seine Stabilität längst unter Beweis gestellt. Die Produktivität sorge seit hundert Jahren dafür, die Folgen der demografischen Entwicklung zu bewältigen. Armin Lang, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion im Saarland und Mitglied der Demografie-Kommission des SPD-Bundesvorstandes.
"Der demografische Wandel ist nicht das Problem für die sozialen Sicherungssysteme sondern die gigantische Umverteilung, die wir in den letzten Jahren zu verzeichnen haben. Es wird mehr Gewinn ausgeschüttet, es wird mehr durch Kapital verdient, es wird mehr an der Börse verdient, als durch Arbeitseinkommen verdient wird. Und vor diesem Hintergrund will man natürlich von der Umverteilung ablenken und deshalb hat man den demografischen Wandel zur alleinigen Schuldigen auserkoren. Das hat aber mit der Wirklichkeit leider nichts zu tun."
Es mag sein, dass Wachstum und Produktivitätssteigerung bei der Bewältigung der demografischen Konflikte etwas aus dem Blick geraten sind. Doch selbst die rot-grüne Koalition scheint nicht davon überzeugt, dass sich durch Wachstum allein die Verteilungskämpfe zwischen alt und jung vermeiden lassen. Der Gesetzgeber hat deshalb reagiert und in der gesetzlichen Rentenversicherung einen Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt, um die Leistungen in Zukunft zu berechnen. Der Faktor bemisst sich nach dem Verhältnis von Ruheständlern zu Beitragszahlern. Das bedeutet zum Beispiel bei unveränderter Zahl an Beitragszahlern: je mehr Rentner desto geringer die Rentensteigerungen.
Des weiteren wird die Besteuerung von Renten und Alterseinkünften ab diesem Jahr schrittweise auf eine nachgelagerte Besteuerung umgestellt. Mit beiden Instrumenten ist die Hoffnung verbunden, dass Rentner wie junge Beitragszahler mit einem blauen Auge davon kommen. Verlierer dieses neuen steuerlichen Ansatzes ist die Baby-Boom – Generation, die selbst keine oder nur wenige Kinder hat. Wenn diese heute 35 bis 50-Jährigen deshalb im Alter über auskömmliche finanzielle Mittel verfügen wollen, dann müssen sie einen Teil ihrer Lasten selbst tragen. Eigenvorsorge heißt für sie das Stichwort. Axel Börsch – Supan:
"Die einzige Art, wie man das machen kann, ist, dass die Baby-Boom-Generation dafür sorgt, dass sie ihre eigenen Renten finanziert, ist, dass die Baby-Boom-Generation jetzt etwas auf die hohe Kante legt Das Verfahren wie wir es früher hatten, dass man sich 100 Prozent auf die Kinder verlässt, das funktioniert nicht mehr wegen des demographischen Wandels."
Die Bevölkerung zeigt sich von den Einsichten der Experten jedoch weitgehend unberührt. Die vor drei Jahren konzipierte Riester-Rente, das Kernstück einer auf Eigenverantwortung basierenden Altersvorsorge, erwies sich zunächst als Ladenhüter.
Bis zu Beginn des Jahres haben sich von 45 Millionen potenzielle Kunden gerade mal sechs Millionen für ein Riester-Produkt entschieden. Die Mehrzahl aber verzichtet auf die vom Staat angebotenen Zulagen.
Umfrage: "Ich denke, dass wir gut abgesichert sind, die meisten in der Bevölkerung sind es nicht, das ist oftmals auch Desinformation. Wer weiß, nachher geht der Staat da auch noch dran. Genauso wie die Lebensversicherung, die kassiert er auch ab. Ich muss gestehen, es ist mir zu undurchsichtig. Ich hab’ mich kurz damit befasst und hab’ von vielen Seiten gehört, es sei nicht so lukrativ. Ist mir zu kompliziert. Das Hauptproblem ist ja, dass sie im Ausland nicht ausbezahlt wird. Meines Wissens nach lohnt es sich nicht."
Die Riester-Rente war zu kompliziert geraten, deshalb hat der Gesetzgeber den erforderlichen bürokratischen Aufwand reduziert. Darüber hinaus wurde das Produkt attraktiver gestaltet. Ab dem kommenden Jahr werden die Grundzulage und die Zuschüsse für Kinder deutlich angehoben. Die Botschaft ist eindeutig: Private Vorsorge ist unverzichtbar. Der Staat lockt mit höheren Zulagen und Zuschüssen, um zu demonstrieren, wie ernst es ihm ist. Trotz der bislang spärlichen Abschlüsse bei Riester ist die Versicherungswirtschaft überzeugt, dass diese Politik ihre Wirkung nicht verfehlen wird. Herbert Grohe, Vorstandsmitglied der Debeka:
"Es geht nicht mehr um die Frage, dass ich beim Kunden erklären muss, Du musst etwas tun sondern nur noch was muss ich tun. Wir sind uns sicher, dass wir mit dem, was nun Riester bedeutet, deutlich erfolgreicher sein werden in der Beratung der Kunden und dass die Abschlüsse in Riester –Rente deutlich stärker werden als in der Vergangenheit."
Die Versicherer rechnen vor allem damit, dass die Männer im laufenden Jahr noch Abschlüsse tätigen werden. Denn noch zahlen sie niedrigere Prämien, weil sie statistisch gesehen nicht so lange leben wie Frauen. Ab dem kommenden Jahr aber wird sich das ändern, denn dann gelten für Riester – Verträge bereits die so genannten UNI-Sex-Tarife. Nicht nur für die Branche sondern auch für die Versicherten sei dies alles andere als eine gute Nachricht. Herbert Grohe:
"Es ist ein Trugschluss anzunehmen, dass jetzt mit der Uni-Sex-Geschichte in Riester die Beiträge der Frauen sinken, das kann gar nicht sein, denn ich weiß nicht wie viel Männer oder wie viel Frauen zu mir kommen. Und wenn ich einen Einheitsbeitrag machen würde auf der Höhe der Männerbeitrage und es kommen nur Frauen oder überproportional viele Frauen zu mir, dann fehlen mir die Beiträge. Es wird also eher so sein, dass die Männertarife teurer werden."
Die für die Riester-Rente gesetzlich vorgeschriebenen Uni-Sex-Tarife folgen bereits den Vorgaben der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie, die noch in deutsches Recht umgesetzt werden muss. Aus Sicht der Versicherungswirtschaft weisen solche geschlechtsneutralen Tarife jedoch in die falsche Richtung. Professor Kurt Wolfsdorf stellv. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Aktuarvereinigung:
"Es ist die Aufgabe der Aktuare, die Risiken zu bewerten und zu quantifizieren, das ist die Grundlage für den Preis, für die Prämie, die am Ende zu zahlen ist. Und dazu kann man nur Merkmale heranziehen, die aussagekräftig sind. Und aussagekräftig sind Alter und Geschlecht in der Lebens- und Krankenversicherung."
In den Versicherungsunternehmen werden die Tarife von Aktuaren kalkuliert. Es handelt sich in der Regel um Mathematiker, die langfristige Trends beobachten, die auf die Kalkulation der Versicherungsprämien Einfluss nehmen. Dazu zählt in erster Linie die Entwicklung der Sterblichkeit. Prof. Kurt Wolsdorf:
"In Deutschland wird seit 1870 regelmäßig eine Erhebung durchgeführt über die Sterblichkeit der Bevölkerung und wir wissen also seit 130 Jahren, dass sich die durchschnittliche Lebensdauer verlängert. In unseren Sterbetafeln, die wir der Beitragskalkulation zugrunde legen, berücksichtigen wir, dass es auch weiterhin eine deutliche Anhebung der Sterblichkeit geben wird, das ist heute schon eingepreist."
1994 ging man noch davon aus, dass ein 65 jähriger Mann im Durchschnitt noch weitere 21 Jahre leben wird. Heute, 10 Jahre später, sind es bereits 24 Jahre. Und es ist sicherlich nicht das letzte Mal, dass die Langlebigkeit "eingepreist" werden muss. Mit diesem Langlebigkeitsrisiko umzugehen, gehöre zu den Kernkompetenzen der Versicherer. Selbst wenn der medizinische Forschritt den Menschen noch längere Lebenszyklen beschere, bedeute dies für die Versicherungen kein Problem. Michael Fauser, Cosmos direkt:
"Wir haben in unseren aktuell verkauften Rentenprodukten einkalkuliert, dass ein heute geborenes Mädchen 102 Jahre alt wird. Von daher haben wir entsprechende Sicherheiten in der Kalkulation und stellen auch entsprechende Rückstellungen."
In der privaten Altersvorsorge weist der Trend in Richtung Rentenversicherung. Immer mehr Menschen entscheiden sich dazu, sich ihr eingesetztes Kapital, das sie in einer Lebensversicherung angespart haben, nicht auf einmal sondern bis zum Lebensende in monatlichen Raten auszahlen zu lassen. Vor 10 Jahren sicherten lediglich fünf Prozent der Versicherungskunden ihren Lebensabend über eine solche Lebensversicherung auf Rentenbasis ab. Heute sind es bereits 16 Prozent. Tendenz steigend. Das heißt. auch die privaten Versicherungsunternehmen können sich ähnlich wie umlagefinanzierten Modelle nicht gänzlich von demografischen Risiken abkoppeln. Herbert Grohe, Vorstandsmitglied der Debeka:
"In der Lebensversicherung haben wir kein Demografie-Problem, denn die wird ja zu einem bestimmten Zeitpunkt – also spätestens mit Renteneintritt, mit 60, 66, 67 - Jahren fällig. Anders ist es in der Rentenversicherung. Denn wenn der Mensch in Durchschnitt nicht 82 sondern 85 oder 87 Jahre alt wird, dann müssen wir entsprechend länger zahlen."
Der Staat hilft mit, diese Entwicklung zu beschleunigen. Er bevorzugt und fördert nur mehr die private Altersvorsorge auf Rentenbasis. Bei den Riestersparverträgen gewährt er Zuschüsse. Die Aufwendungen für die Rürup-Rente, die vornehmlich für Selbständige entwickelt wurde, können hingegen steuerlich abgesetzt werden. Gleichzeitig hat die Rot-Grüne Bundesregierung jedoch das Kapitalwahlrecht eingeschränkt. Sie hat damit der Deutschen liebstes Sparmodell, die Kapital-Lebensversicherung, unattraktiv gemacht. So sehr die Versicherungsbranche den Kurswechsel der Regierung hin zur privaten Altersvorsorge begrüßt, so sehr bedauert sie, dass Erträge aus der Kapitallebensversicherung künftig versteuert werden müssen. Michael Fauser, Cosmos direkt:
"Das Kapitalwahlrecht ist ein Gestaltungsrecht, das für unsre Kunden sehr wichtig ist. Deshalb bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass Produkte wie eine Kapitallebensversicherung oder auch da Kapitalwahlrecht bei einer Rentenversicherung weiterhin ihren Platz und ihre Bedeutung haben werden."
Ende des Jahres herrschte bei den Versicherungen regelrecht Schlussverkaufsstimmung. Die Kunden verlangten nach Kapitallebensversicherungen alter Prägung. Denn wer noch vor Jahresfrist eine Police abgeschlossen hat, der darf die Auszahlung im Alter steuerfrei genießen. Die Zahl der abgeschlossenen Lebensversicherungen stieg 2004 um 37 Prozent.
Nach dem Boom kehrte im ersten Halbjahr bei der Branche erst einmal Ruhe ein. Überlegungen sind im Gange, was den Kunden zukünftig verkauft werden soll: das überarbeitete Riester-Produkt, die Rürup-Rente, oder die gute alte Lebensversicherung.
Die Verbraucherzentralen, die immer mehr Kunden beraten, gehen davon aus, dass im Herbst mit neuen Angeboten der Versicherer zu rechnen ist. Werner Kiefer, Verbraucherzentrale Saarbrücken:
"Ich denke, dass neue Produkte auf den Markt kommen werden und dass man Kapitallebensversicherungen trotzdem wieder herausbringt, diese aber flexibler gestaltet. Wir haben ja die Situation, dass, wenn man sie erst mit 60 Jahren ausbezahlt bekommt, werden sie - nach 12 Jahren Laufzeit - nur zur Hälfe besteuert. Also kann es durchaus sein, dass der Verbraucher bei flexiblen Produkten wieder zugreifen wird. "
So flexibel die Produkte auch sein mögen, sie ändern weder etwas an der Demografie noch ändern sie etwas am erkennbaren Willen der Kundschaft, in private Lebensversicherungsmodelle auf Rentenbasis umzuschichten zu wollen. Und das kommt sowohl die Versicherer als auch die Kunden teuer zu stehen. Die Versicherungswirtschaft muss die steigende Langlebigkeit ihrer Klientel durch höhere Rückstellungen absichern, das bindet Kapital. Und die Kunden werden sowohl mit höheren Prämien als auch mit einer niedrigeren Verzinsung rechnen müssen. Herbert Grohe:
"Das kostet schon ein Menge, je nachdem wie groß die Bestände der Lebensversicherer an Rentenversicherungen sind. Das können schon dreistellige Millionenbeträge sein. Und das führt auch dazu, dass die Überschüsse, die die Lebensversicherer auch in der Rentenversicherung gewähren, teilweise reduziert werden mussten."
Die Versicherungsunternehmen unterscheiden zwischen Überschussbeteiligung und Garantiezins. Die Überschussbeteiligungen werden den Versicherten jährlich gutgeschrieben. Ihre Höhe hängt davon ab, wie gewinnbringend das Unternehmen die eingezahlten Beiträge an den Kapitalmärkten einsetzt. Und da gibt es wenig Erfreuliches zu berichten. Die Überschussbeteiligungen, die in der Vergangenheit stets deutlich über dem Garantiezins lagen, sind zusammengeschmolzen. Selbst der garantierte Zinssatz, mit dem die Spareinlagen der Kunden verzinst werden müssen, wurden in kurzer Frist mehrmals nach unten angepasst. Aktuell liegt der Garantiezins bei 2,75 Prozent. Die Verbraucherzentralen raten daher ihrer Kundschaft auch alternative Sparangebote, zum Beispiel bei den Banken, zu prüfen. Werner Kiefer, Verbraucherzentrale des Saarlandes:
"Ich denke, dass die Spitzenanbieter, die um die fünf Prozent liegen, weiterhin interessant sein können, wenn das Produkt flexibel gestaltet ist und wenn es bei diesem Niveau beleibt. Er wird ja jedes Jahr neu festgesetzt. Aber es gibt auch viele Anbieter, die nahe an der Garantieverzinsung sind. Also hier sollte man genau prüfen, ist da nicht ein Banksparplan eine Alternative. Allerdings bei den Spitzenanbietern kommen sie mit einem Banksparplan nicht ran, beim Banksparplan kommen sie relativ schnell an ihren Sparerfreibetrag."
Der Präsident des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft Bernhard Schareck äußerte zu Beginn des Jahres erstmals Zweifel daran, ob die von den Versicherungen angebotene garantierte Verzinsung überhaupt noch zeitgemäß sei. Das Instrument sei zu starr, die Versicherungswirtschaft benötige mehr Flexibilität. Die Branche reagierte zunächst ungehalten auf die Äußerung Scharecks, weil er dadurch bei den Kunden Vertrauen verspielt habe.
Die Branche ist sich momentan einig, dass sie es sich nicht leisten kann, den Garantiezins in Frage zu stellen. Sie hält es allerdings für nötig, dass er bis auf 2 Prozent abgesenkt werden muss.
Ursache für diese aus Sicht der Versicherungsnehmer negative Entwicklung ist neben der Demografie, die Lage an den Kapitalmärken. Deutsche Versicherungen investieren überwiegend in Anleihen und nicht in Aktien. Bei der Debeka verteidigt man diese konservative Anlagestrategie. Herbert Grohe:
"Wir sind ein Versicherer. Und ein Versicherer hat nicht risikofreudig zu sein sondern der hat dafür zu sorgen, dass in erster Linie die langfristige Sicherheit der Gelder, die der Kunde bei ihm anlegt, gewährleistet ist."
Die versprochenen Renditen waren in der Vergangenheit wesentlich höher als die aktuellen 2,75 Prozent, deshalb müssen die Versicherer auf jeden Euro, der ihnen bislang anvertraut wurde im Durchschnitt 3,5 Prozent Garantiezins leisten.
Weil sich das Zinsniveau für Anleihen jedoch auf historischen Tiefstständen bewegt, haben die Unternehmen Probleme, die garantierten Zinssätze zu erwirtschaften. Den Unternehmen ist es zwar erlaubt, 35 Prozent ihres Kapitals in Aktien anzulegen, doch sie scheuen das Risiko. Deutsche Lebensversicherer investieren lediglich 9 Prozent des Kapitals in Aktien. Die Zurückhaltung ist wohl auch darauf zurück zu führen, dass sich etliche Versicherer am Aktienmarkt die Finger verbrannt haben. Trotzdem gäbe es für die Kundschaft keinen Grund das Vertrauen in die Lebensversicherer zu verlieren. Prof. Kurt Wolfsdorf, deutsche Aktuarvereinigung:
"Wenn nichts mehr hilft, gibt es eben den Konkurssicherungsfonds, der Not leidende Bestände übernehmen muss, nicht , um das Unternehmen zu retten sondern um sicherzustellen, dass die Kunden ihre Leistungen bekommen und dafür steht die gesamte Versicherungswirtschaft ein."
Viel mehr als drei Prozent Rendite sei für die Versicherten in den kommenden Jahren wohl kaum zu erzielen, glaubt der Demografie-Forscher Börsch-Supan. Das reiche jedoch aus, die Lücke in der gesetzlichen Rentenversicherung zu decken. Ob 3 Prozent auch ausreichen, die Menschen zum Sparen zu bewegen, darf bezweifelt werden. Bislang spart eh nur die Hälfte. Axel Börsch-Supan:
"Im unteren Einkommensviertel wird überhaupt nicht gespart und in dem Viertel, das dazwischen liegt, ist es mal so, mal so."
Deshalb wird auch darüber diskutiert, die private Vorsorge zur Pflicht zu machen. Armin Lang:
"Wenn es wirklich dazu beitragen soll, die zusätzliche Versicherung, dass der Lebensstandard gesichert wird, dann muss es unser Ziel sein, dass die Lebensstandardsicherung erfolgt über die drei großen Sicherungssysteme: die gesetzliche Rentenversicherung, die Betriebsrente und die private Vorsorge. Aber das funktioniert nur, wenn ich es politisch will, wenn wir das auch zur Pflicht machen."
Doch wer Zwang verordnet muss auch kontrollieren; nur dazu verspürt der Gesetzgeber augenblicklich keine große Lust.