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Risiko erkannt - Darmkrebs-Gefahr gebannt?

In den USA haben Mediziner damit begonnen, Patienten mit Dickdarmkrebs auf bestimmte Risiko-Gene zu untersuchen. Sie hoffen so, Verwandte der Patienten vor einem ähnlichen Schicksal bewahren zu können. Vorgestellt wurde der neue Gen-Test vergangene Woche auf der 10. Internationalen Tagung für Human-Genetik in Wien.

Martin Winkelheide |
    Die Mediziner haben in den letzten Jahren viele Details entdeckt. Sie können jetzt besser erklären, wie Krebs entsteht. Und welche Rolle dabei die Gene spielen. Aber nur langsam und in kleinen Schritten gelingt es, dieses Wissen umzusetzen und zu einer effektiveren Behandlung von bösartigen Tumoren zu kommen. Albert de la Chapelle von der Ohio State University in Columbus Ohio plädiert deshalb dafür, sich bei der Tumorbekämpfung auf einfache Grund-Tugenden zu besinnen.

    "Bei Krebs ist das Wichtigste, sehr früh eine Diagnose zu stellen. Je früher, desto besser. Am besten, bevor sich überhaupt ein Tumor bilden kann. Wenn wir es schaffen, Menschen mit einem hohen genetischen Krebs-Risiko zu identifizieren, dann können wir ihnen helfen."

    Menschen mit einem hohen genetischen Krebs-Risiko zu entdecken, bevor die Krebserkrankung ausbricht, dieses Konzept versucht Albert de la Chapelle in Columbus umzusetzen, einer Stadt im US-Bundesstaat Ohio mit immerhin 1,5 Millionen Einwohnern. Das Konzept setzt bei den Menschen an, die bereits an einem Tumor leiden. So erkranken in Columbus jedes Jahr etwa 1.000 Menschen allein an Dickdarmkrebs. Die medizinische Behandlung dieser Patienten unterscheidet sich zunächst nicht von der normalen Krebstherapie. Allerdings wird nach der Entfernung des Tumors das Krebsgewebe noch einmal genau untersucht. Auf genetische Besonderheiten.

    Albert de la Chapelle: "Jedem Patienten mit Dickdarmkrebs entnehmen wir ein kleines Stück von dem Tumor. Und dann unterziehen wir die Probe einem speziellen Labortest. Bei 15 Prozent aller Patienten mit Dickdarmkrebs schlägt der Test an."

    Der Test misst, wie viele genetische Veränderungen sich in den Tumorzellen finden lassen. Deutet der Marker-Test auf besonders viele genetische Veränderungen hin, dann wird nach speziellen Gen- Veränderungen gefahndet, sogenannten Hoch-Risiko-Mutationen. Bei 15 Prozent der Darmkrebs-Patienten sind diese Risiko-Mutationen nachweisbar.

    Albert de la Chapelle: "Wenn ein Patient eine dieser Mutationen besitzt, dann beträgt sein Risiko, weitere bösartige Tumore zu bekommen, nahezu 100 Prozent. Das einzige, wie wir diesen Patienten helfen können, ist, dass wir den gesamten Dickdarm entfernen."

    Die Entfernung des ganzen Dickdarms schützt vor einem erneuten Aufflammen der Krebskrankheit - vorausgesetzt, es haben sich nicht bereits Tochtergeschwulste in anderen Organen des Körpers gebildet. Dickdarm-Krebs -Patienten vor einem erneuten Rückfall zu schützen - das ist aber nur ein Teil des Konzeptes von Albert de la Chapelle. Sein Ziel ist, Familienangehörige der Patienten vor der Krankheit zu schützen.

    "Wenn jemand diese Risiko-Gene besitzt, dann bedeutet das: Eines von zwei seiner Kinder hat die Gene; sein Vater oder seine Mutter besitzen diese Gene; die Hälfte seiner Geschwister, und von den Cousins und Cousinen hat auch jeder Zweite die Gene. Das heißt: auf jeden einzelnen dieser Darmkrebs-Patienten kommen mehrere noch gesunde Menschen, die das selbe, nahezu 100prozentige Darmkrebs-Risiko besitzen."

    Deshalb bietet die Universitätsklinik in Columbus den Angehörigen von Darmkrebs-Patienten mit Hoch-Risiko-Genen einen kostenlosen Gen-Test an. Bei wem die Risiko-Gene ebenfalls gefunden werden, kann regelmäßig eine Darmspiegelung machen lassen, damit bereits noch harmlose Veränderungen in der Darmschleimhaut - zum Beispiel Polypen - entdeckt und entfernt werden können. Etwa 1.000 Menschen haben in Columbus bereits an dem Screening-Programm teilgenommen. Ein vorläufiges Ergebnis: auf einen Darmkrebs-Patienten kommen neun noch gesunde Verwandte, die die Hoch-Risiko-Gene besitzen. Und: keiner der Patienten wusste, dass die Mitglieder seiner Familie ein besonders hohes erbliches Dickdarm-Risiko besitzen.