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Risikostandort

Heute erreicht die Klage von fünf Anwohnern des Atomkraftwerks Gundremmingen den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Die Kläger aus dem Umfeld von Deutschlands größtem Kernkraftwerk wollen notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen, um ein riesiges Atommüll-Zwischenlager vor ihrer Haustür zu verhindern. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat ein solches Lager - geplant für insgesamt 192 Castorbehälter - Ende vergangenen Jahres genehmigt. Einer der Anwohner ist ein Bauer, der befürchtet, das Zwischenlager werde seine Familie und seine berufliche Existenz gefährden.

Von Klaus Wittmann |
    Es wird ein Zwischenlager gebaut. Ich bin überzeugt, dass aus dem Zwischenlager ein Endlager wird, denn die Endlagergeschichte ist noch nicht gelöst. Da wird zur Zeit auch nichts gemacht dran. Und darum wird auch die Generation meiner Kinder gefährdet.

    Der Bauer Manfred Schiele wohnt elf Kilometer entfernt vom Atomkraftwerk Gundremmingen. Immer schon war er Atomkraftskeptiker. Jetzt aber ist für ihn das Maß voll. Das geplante riesige Zwischenlager gefährde Mensch und Natur, letztlich auch seine berufliche Existenz, sagt er:

    Wir sind doch die ersten, die betroffen sind, wenn was passiert, also sprich: Austritt von erhöhter Radioaktivität. Dann sind es unsere Produkte, die als erste gestrichen werden. Wir sind die erste Berufsgruppe, die irgendwelchen Schaden erleidet, sprich, dass man unser Futter, unser Getreide, unsere Milch, einfach alles von der Speisekarte streicht.

    Es wird ein langer Klageweg, womöglich bis zum Bundesverfassungsgericht, darüber sind sich Schiele und die vier anderen Kläger im Klaren. Auch ihr Rechtsanwalt weiß das.
    Bernd Tremml hat mit seiner Kanzlei schon gegen die WAA Wackersdorf geklagt und betreibt auch das atomrechtliche Verfahren gegen den Forschungsreaktor Garching:

    Den Klägern und auch der Bürgerinitiative ist bewusst, dass wir diese Klage am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit großer Sicherheit verlieren werden, alleine aus statistischen Gründen. Es war noch nie eine Klage im Atomrecht vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erfolgreich. Das heißt, der Prozess ist von vorne herein abgestellt auf die zweite Instanz, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Und sollten die Kläger dort eine Niederlage erleiden, sind die Kläger auch entschlossen, das Bundesverfassungsgericht als maßgebliche letzte Instanz anzurufen. Wir haben einen langen, dornenreichen Prozessweg vor uns.

    Unterstützt werden die Kläger auf ihrem langen Weg durch die Instanzen vom "Forum gemeinsam gegen das Zwischenlager". Forumssprecher Raimund Kamm begründet die Bedenken gegen die geplante Atomanlage:

    Wir werden diese Genehmigung nicht hinnehmen und es ist natürlich auch schlimm, weil mit der Genehmigung für diesen neuen Hochrisikoparkplatz 20 Jahre, 30 Jahre Fortbetrieb des daneben stehenden Atomkraftwerks abgesichert werden.

    Der Augsburger Physiker Wilfried Attenberger bedauert, dass bei den deutschen Atomzwischenlagern auf eine sonst im Atombereich immer vorhandene zweite Sicherheitsbarriere leichtfertigerweise verzichtet wird. Vor allem bei den süddeutschen Zwischenlagern mit den dünneren Hallenwänden als in Norddeutschland verlasse man sich alleine auf die in den Hallen abgestellten Castorbehälter – das sei unverantwortlich:

    In meinen Augen ist es ein großer Fehler, diese Genehmigung zu erteilen, da eine technische Voraussetzung für eine sichere Lagerung nicht gegeben ist, weil zwei wichtige Prinzipien, die in der Kerntechnik bislang immer beachtet wurden, einfach über Bord geworfen werden. Das Eine ist das Prinzip der Redundanz, das heißt, eine sicherheitstechnische Einrichtung muss zwei Mal vorhanden sein, falls ein zufälliger Fehler passiert. Das Nächste ist das Prinzip der Diversität. Das bedeutet, wenn man einen Konstruktionsfehler gemacht hat, was ja nie auszuschließen ist, muss noch eine zweite, komplett unterschiedliche Einrichtung vorhanden sein, die diesen Fehler auffangen kann, damit man danach Chancen hat, zu reagieren.

    Wolfram König, Chef der Genehmigungsbehörde – des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) - sagt, beide Konzepte seien aus sicherheitstechnischer Sicht ausreichend. Aber auch er hätte sich eine andere Auslegung gewünscht:

    Die Anforderungen sind nochmals auf meinen Wunsch hin von der Reaktorsicherheitskommission geprüft worden. Und auch die Reaktorsicherheitskommission unter dem Vorsitz von Michael Sailer hat dieses Konzept als ein Konzept mitvertreten, das den Stand der Technik widerspiegelt.

    Auch wenn er sich stärkere Zwischenwände gewünscht hätte, habe es für ihn kein Instrument gegeben, die Antragsteller dazu zu zwingen. Die Genehmigungsvoraussetzungen seien auch so erfüllt worden.

    Ob sie ausreichen oder nicht, werden die Gerichte entscheiden müssen. Bis die erforderlichen Gutachten der Kläger beim VGH in München vorliegen, werden wohl noch Monate vergehen. Das Verfahren gegen das Gundremminger Atomlager gilt als bundesdeutscher Musterprozess. Einwendungen gegen das Zwischenlager kamen nicht nur aus Deutschland, sondern es haben auch über 22.000 österreichische Bürger – vor allem in Grenznähe – gegen das Vorhaben Bedenken angemeldet.