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Riskante Politik

Forschungspolitik. – Der 11. September 2001 hat in den USA eine Entwicklung ausgelöst, die Forschern wachsendes Missbehagen bereitet. Gastwissenschaftler und –studenten müssen eingehende Überprüfungen über sich ergehen lassen und die Zahl der Ablehnungen ist dramatisch gestiegen. Jetzt haben 20 wissenschaftliche Verbände der Bush-Regierung Vorschläge gemacht, wie sich die notwendigen Überprüfungen mit dem hohen Bedarf an ausländischen Kräften vereinbaren lassen.

    Alan Leshner, Chef der einflussreichen Amerikanischen Vereinigung zur Förderung der Wissenschaften AAAS macht aus seinen Vorbehalten keinen Hehl: "Unser Land schottet sich zu sehr ab, darunter leiden Forschung und Lehre." Bis vor vier Jahren wurden jährlich nur etwa 1000 Visa-Anträge abgelehnt. 2002 waren es auf einmal 14.000, inzwischen gibt das US-Außenministerium überhaupt keine Zahlen mehr bekannt. Deshalb haben 20 wissenschaftliche Verbände mit der AAAS an der Spitze Vorschläge ausgearbeitet, wie man nationale Sicherheit und wissenschaftlich notwendigen Austausch miteinander vereinbaren kann. Leshner: "Das größte Problem sind die Sicherheitsüberprüfungen, bei denen einige Antragsteller bis zu sechsmal von den US-Botschaften und Konsulaten vorgeladen werden , bevor man eine Entscheidung trifft. Das sollte man verkürzen."

    Aber selbst mit gültigem Visum kommt mancher Wissenschaftler nicht um erneute Sicherheitsüberprüfungen herum, wenn er mehrfach in die USA einreist. Leshner: "Unser Visa-System ist einfach zu bürokratisch und schreckt dringend benötigte Studenten und Wissenschaftler ab." Wissenschaftler aus der Volksrepublik China oder sogar aus moslemischen Staaten haben es besonders schwer. In der Folge verzögern sich Arbeitsaufenthalte oder Vorträge oder scheitern gar ganz. Wissenschaftler, die in so genannten sensiblen Bereichen arbeiten sollen, haben die größten Probleme, weiß Mark Frankel von der AAAS. Darunter fallen Atomphysiker, Computer-Ingenieure und Bio-Wissenschaftler, "die", so Frankel, "nicht selten monatelang überprüft werden, bevor man sie ins Land lässt". Sogar Kanadier und Deutsche stoßen auf Probleme und geben entnervt auf.

    Dabei haben sowohl Studenten als auch Gastwissenschaftler große Bedeutung für die USA. Allein die Studenten bringen jedes Jahr 12 Milliarden Dollar in die USA, Gastwissenschaftler sind jedoch noch wesentlich entscheidender. Mark Frankel: "Etwa ein Drittel aller Lehrenden an unseren Hochschulen kommt aus dem Ausland. Ohne sie hätten wir nicht einen so hohen Wissenschaftsstandard." Denn die USA können ihren großen Bedarf an Wissenschaftlern nicht allein decken. Würden die Ausländer das Land verlassen, bräche der Wissenschaftsbetrieb weitgehend zusammen. Die AAAS-Vertreter befürchten bereits erste negative Reaktionen auf die plötzliche Zugeknöpftheit der US-Behörden. Einen brain drain in Richtung Europa wollen die US-Wissenschaftsmanager auf jeden Fall verhindern.

    [Quelle: Gunnar Schultz-Burkel]