Archiv


Ritterschlag für den Hausmüll?

Auch mit dem Hausmüll lässt sich das Klima schützen. Dieser Ansicht ist jedenfalls das Umweltbundesamt und plädiert dafür, Abfälle als Energiequelle zu betrachten. Und mit dieser Meinung steht die Behörde nicht alleine da: Auch die EU-Kommission hatte jüngst erklärt, dass Strom aus Abfallverbrennungsanlagen den Ritterschlag erhalten und als alternative Energie eingestuft werden soll.

Von Anja Braun |
    Seit langem setzt sich Professor Helmut Seifert von der Universität Stuttgart und dem Forschungszentrum Karlsruhe dafür ein, dass die Hausmüllverbrennung zur Stromerzeugung als erneuerbare Energie anerkannt wird:

    "Hausmüll oder generell Siedlungsabfälle haben einen großen regenerativen Anteil, nachgewiesener Maßen 55 bis 60 Prozent sind tatsächlich biogenen Ursprungs. Und dieser Anteil ist tatsächlich Co2 neutral bei der Nutzung und jetzt kommt es darauf an, dass man diese Abfälle oder diesen Rohstoff mit hohen Effizienzen nutzt. Damit kann man einen Beitrag sowohl zur Stromerzeugung, aber auch zur Wärmenutzung -in Form von Kraft-Wärme-Koppelung leisten."

    Seifert hofft, dass die EU-Vorgaben rasch in nationales Recht umgemünzt werden. In der Folge müsste Deutschland auch das Stromeinspeisegesetz novellieren - sodass Abfall und Biomasse ihr Schmuddelimage verlieren und in Zukunft höher bewertet werden könnten. Das bedeutet aber nicht, so Seifert, dass wir mehr Müll produzieren sollten, nur um die Effizienz der Müllverbrennungsanlagen zu erhöhen. Denn jeder von uns hinterlässt bereits 580 Kilogramm Siedlungsabfälle pro Jahr, Tendenz steigend. Und es heißt auch nicht, dass damit jede Mülltrennung ad absurdum geführt wird. Verfahrenstechniker Seifert ist der Ansicht, dass die Aufteilung des Abfalls in recycelbare Materialien und Restmüll wichtig bleibt, aber:
    "Wir haben nach Recycling noch eine verbleibende Quote in Deutschland von etwa 24 Millionen Jahrestonnen Hausmüll und diese Menge sollte man dann energetisch nutzen mit effizienten Verfahren und die Hausmüllverbrennung stellt ein solches Verfahren dar. Die meist genutzte und weit entwickeltste technische Möglichkeit ist eben die Verbrennung auf dem Rost. Und dann die Dampferzeugung und dieser Dampf kann dann zur Stromerzeugung genutzt werden. Aber auch die direkte Wärmenutzung ist üblich - in einigen Anlagen sogar ausschließlich. Und die gemischte Fahrweise, die Kraft-Wärme-Koppelung, wird auch in der Praxis eingesetzt. "

    Das Ökoinstitut Freiburg bewertet die geplante Neueinstufung der Müllverbrennung als erneuerbare Energiequelle durch die EU-Kommission mit einem lachenden und eine weinenden Auge, erklärt dessen Abfallexperte Günter Dehoust:

    "Die Vorteile sind, dass man jetzt die Müllverbrennung mehr nach energetischen Gesichtspunkten ausrichten wird. Die Nachteile sind, das noch bessere Verwertungsverfahren insbesondere die stoffliche Verwertung beispielsweise für Kunststoffe dadurch eine Benachteiligung erfährt. Und beim stofflichen Recycling können noch deutlich mehr Ressourcen und Co2 eingespart werden als es bei einer Müllverbrennung möglich ist."

    In Deutschland liegen die Wirkungsgrade der Müllverbrennungsanlagen, die nur auf eine Verstromung des Abfalls setzen, derzeit lediglich zwischen 18 und 22 Prozent- während zum Beispiel Kohlekraftwerke im Schnitt auf Wirkungsgrade von fast 40 Prozent kommen. Verfahrenstechniker Seifert erläutert, wie zur Zeit versucht wird, den Heizwert von Müllverbrennungsanlagen weiter anzuheben:

    "Man erzeugt einen sogenannten Ersatzbrennstoff. Und diese Ersatzbrennstoffe können dann mit noch besserer Effizienz in Verbrennungsanlagen zur energetischen Nutzung eingesetzt werden. Die Ersatzbrennstoffe werden zum Teil über mechanische, aber auch mechanisch-biologische Aufarbeitung, hergestellt. Also eine Abtrennung - zum Teil auch eine Trocknung des gemischten Siedlungsabfalls- um damit zum einen gewisse Schadstoffkomponenten vorzusortieren- abzutrennen. Aber auch um durch Trocknung den Heizwert zu erhöhen. "

    Die beste Möglichkeit, die Effizienz zu erhöhen, so der Chemiker Seifert, bestehe im verstärkten Einsatz der Kraft-Wärme-Koppelung. Diese Technik rechne sich allerdings nur, wenn Müllverbrennungsanlagen mit direkt benachbarten Kraftwerken neu gebaut würden. Das sei in Deutschland unwahrscheinlich, da die bestehenden rund 70 Anlagen bereits zwischen 18 und 19 Tonnen der insgesamt 24 Tonnen Siedlungsabfall in Energie umwandelten, so Seifert. Deutschland liege damit bei der Umsetzung von Müllbergen in Energie europaweit bereits in der Spitzengruppe. Weniger euphorisch sieht das der Abfallexperte des Ökoinstituts Freiburg, Günter Dehoust. Er bedauert, dass die EU-Kommission keine genaueren Regeln für die Vorbehandlung des Hausmülls erdacht hat:

    "Eine bessere Möglichkeit noch mehr Energie einzusparen wäre in der Tat eine optimale Logistik: die Auftrennung des Restmülls auch noch in die einzelnen Fraktionen. Das heißt zum Beispiel Kunststoffe - soweit möglich- stofflich zu nutzen, die Metalle besser abzutrennen als das bei der Müllverbrennung möglich ist und nur noch die Fraktionen in die Müllverbrennung zu bringen, die auch tatsächlich dort sinnvoll untergebracht sind. Das heißt der Mischmüll, der übrig bleibt, wenn man so eine Logistik vernünftig betreibt."

    Dehoust befürchtet, dass die bereits bestehenden deutschen Müllverbrennungsanlagen in dieser Hinsicht nun nicht weiter verfeinert werden. Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, den Anteil der erneuerbaren Energien am Energieendverbrauch auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020 zu erhöhen. Professor Seifert vom Forschungszentrum Karlsruhe ist optimistisch, dass die aus Abfall gewonnene Energie einen guten Teil davon ausmachen wird:

    "Es gibt Potentialabschätzungen - auch von unserem Institut- die dahingehen, dass wir für Europa bei sehr weitgehender energetischer Nutzung von Abfall fünf bis sechs Prozent der fossilen eingesetzten Ressourcen einsparen könnten."